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Jimmy
Ich war mehr als beeindruckt, als wir oben aus der Tür traten und ich mich in der offenen Eingangshalle wiederfand. Auch der Speisesaal war mehr als protzig. Ich hatte zwar noch niemals Lord Grantham oder seine Familie gesehen, aber hier konnte ich ihn mir gut vorstellen. Ich hatte schon einiges von ihnen gehört - natürlich war ich neugierig gewesen, als ich die Stelle hier bekam - und war dementsprechend gespannt, sie heute Abend wirklich zu sehen. "Gut, ich denke das werde ich alles schaffen", meinte ich mit zuversichtlicher Stimme und ging am großen Esstisch entlang. Ich merkte mir die Plätze und Namen. Zum Glück waren für heute Abend nicht zu viele Gäste angekündigt.
Lady Sybil
"Kirschen?", fragte ich mit gerunzelter Stirn, aber die Geschichte musste warten. Edith bog in ihr Zimmer ab und ich holte mir meine Sachen. Es war kein weiter Weg bis zu Granny, wir würden also pünktlich zum Lunch wieder da sein. Bevor ich nach unten ging, klopfte ich bei unserer Mutter an der Tür. O'Brien machte ihr gerade die Haare. "Edith und ich werden zu Granny gehen und danach einen Spaziergang machen, um Mary beim Ausritt zu sehen", sagte ich ihr lächelnd, nachdem Mama mir einen Kuss auf die Wange gegeben hatte. "Grüßt eure Großmutter und fragt sie wegen dem Dinner heute Abend, auch wenn ich nicht denke, dass sie zusagt", antwortete Mama und sah in den Spiegel, was O'Brien mit ihren Haaren anstellte. "Und seid pünktlich zum Lunch wieder da, auch wenn euer Vater nicht da sein wird", ermahnte sie mich noch, während ich schon wieder ging und Edith an der Treppe fand. "Und jetzt erzählst du mir die Geschichte mit den Kirschen"

Lady Edith
Ich wartete oben an der Treppe darauf, dass Sybil Mama über unseren kleinen Ausflug Bescheid gesagt hatte. "Ach ja, die Kirschengeschichte. Das war vor mehr als zehn Jahren, wir haben irgendwo mit den Allens gepicknickt, ich weiß nicht mehr genau, wo das war. Aber Mary und die Tochter der Allens haben sich irgendwie in die Haare gekriegt und dann hat sie, laut Mama, eine Handvoll Kirschen von ihrem Teller nach Mary geworfen. Ich habe das Ganze nur noch schwach in Erinnerung, aber Mary dürfte es noch ziemlich genau wissen, sie ist ja am ältesten." Draußen angekommen atmete ich die klare, noch sehr winterliche Luft tief ein. Es war wirklich ein tolles Wetter, ich konnte durchaus verstehen, warum Mary heute hatte ausreiten wollen. Ich hakte mich bei Sybil wieder unter und wir machten uns auf den Weg zum Dower House.

Lady Mary
Kritisch sah ich mich im Spiegel an, während Anna mir eine Kette umlegte, die Mama gehörte. Hinter mir saß Sybil auf meinem Bett, schon fertig angezogen und mit einem Buch in der Hand. Bis zum Dinner dauerte es nicht mehr lange, aber bei den Allens konnte ich gut und gern auch zu spät kommen. An ihrem Besuch lag mir nicht viel. Ich hatte die vergangenen Treffen nicht vergessen. Vor allem ihre Tochter war mir - eher schlecht - in Erinnerung geblieben. Aber das war vor einer langen Zeit gewesen und vielleicht hatten sie sich ja alle geändert, wie Mama es bestimmt gleich sagen würde, hätte ich ihr von meinen Gedanken erzählt. Trotzdem würde ich heute nicht zu spät kommen. Papa war aus Ripon zurück und hatte seinen Freund Lord Redvers zum Dinner eingeladen. Samt seines Sohnes und Erben. Der zu allem Überfluss auch noch in meinem Alter und unverheiratet war. Ich erkannte die Gelegenheit, wechselte das heute Morgen herausgesuchte Kleid und hatte mir die Haare von Anna ein wenig kunstvoller hochstecken lassen. Dank des Ausritts hatte ich auch eine Menge zu erzählen. Ich hoffte nur, dass Lord Redvers Sohn auf die Jagd ging. Wenn ja, dann war der Abend gerettet. Wenn die Allens nicht wären. "Wird Granny kommen?", fragte ich Sybil, die von ihrem Buch aufsah. "Nein. Sie lässt sich entschuldigen. Mama und Papa schienen erleichtert zu sein", antwortete meine kleine Schwester und ich schnaubte nur.
"Danke, Anna", sagte ich zu ihr und stand auf. Anna machte sich mit meinem Bademantel über den Hand auf zu Edith, die sie auch noch ankleide musste. Ich sah mich im bodenlangen Spiegel an und lächelte. Es war mein Lieblingskleid, tiefrot und dazu mit langen Seidenhandschuhen. "Was meinst du? Soll ich noch etwas ins Haar stecken?" Es ging mir nur darum, Lord Redvers Sohn so gut wie möglich zu gefallen. Und mit meinen Reizen würde ich sicher nicht geizen.
Jimmy
Ich rückte die Stühle zurecht. Mr. Carson schien nicht gerade zufrieden, dass Lord Grantham weitere Gäste eingeladen hatte. Das hatte er nämlich nicht mit eingeplant. Jetzt wusste Mrs. Patmore Bescheid und drei Stühle waren dazugekommen. Den ganzen Nachmittag hatte ich mit Thomas Silber poliert und noch den Rest der Dienstboten kennengelernt. Ich hatte sogar genügend Zeit gefunden, um die Livree ein wenig anzupassen, sodass ich später beim Tragen der Saucen und Servierplatten keine Schwierigkeiten haben würde. Wenigstens kam durch die enge Livree meine Muskeln zur Geltung. Thomas kam mit dem Besteck und gemeinsam deckten wir den Tisch ein, natürlich unter dem wachsamen Auge von Carson. Da Lord Redvers kommen würde, musste die Tischdekoration ein wenig opulenter ausfallen. Carson stellte die Menükarten auf den Tisch und korrigierte die strahlend weiße Tischdecke. "Ich erlaube mir heute Abend keine Fehler. Auch wenn es ihr erster Tag ist, James, soll alles perfekt ablaufen. Lord Redvers ist ein langjähriger Freund der Crawleys und genießt daher größten Respekt", meinte er würdevoll, was ich nur mit einem "Ja, Mr. Carson" erwiderte. Ich würde so oder so mein bestes geben, um einen guten ersten Eindruck bei meinem Arbeitgeber zu hinterlassen.
Henry
Hinter den Fenstern des Autos zog die dunkle Landschaft von Yorkshire vorbei. Neben mir saß meine Mutter und zupfte ihren Pelzschal zurecht. "Du wirst Downton Abbey mögen", sagte sie in ihrem leichten schwedischen Akzent. Mein Vater nickte nur, sah dann aber wieder aus dem Fenster. Es war nicht mehr weit und ich wusste nicht, was mich dort erwarten würde. Die Einladung zum Dinner war spontan gekommen. Eigentlich hatte ich mich auf einen ruhigen Abend mit meinen Eltern eingestellt. Wir waren gerade auf der Reise zu meiner Tante nach Schottland. Von den Crawleys wusste ich einiges. Schließlich waren Vater und Lord Grantham enge Freunde. Dennoch war ich ihnen nie begegnet. Vater hatte mich vorgewarnt, dass sie drei Töchter im heiratsfähigen Alter hatten, was ich nur mit einem Lachen quittiert hatte. Es würde also wieder so ein Abend werden. Jede der jungen Ladies würde sich bestmöglich präsentieren wollen, um mich als Ehemann zu gewinnen. Meine Stellung als Erbe machte es da nicht gerade besser. Vielleicht wirst du ja heute die Richtige finden, dachte ich dann doch, hielt es aber für eher unwahrscheinlich. Ich wollte noch nicht heiraten. "Da vorne ist es", teilte uns mein Vater dann mit und deutete aus dem Fenster, wo ich die Umrisse eines großen Hauses sah.

Lady Edith
Ich trug das am Morgen ausgewählte Kleid zusammen mit einer Kette und Ohrringen, die Anna ausgesucht hatte und sah ihr zu, wie sie meine – ohnehin nicht allzu langen – Haare etwas formte und eindrehte. Kurzfristig hatten wir erfahren, dass auch Lord Redvers zum Dinner kommen würde, mit seinem Sohn Henry, einem zukünftigen Earl. Da ließ es sich kaum verhindern, dass beide Seiten – Mama und Papa sowie Lord Redvers und seine Frau – gewisse Ideen bekamen. Immerhin hatten sie alle Kinder, die sich so bald wie möglich verheiraten sollten. Ich kannte zwar Henry Redvers nicht, aber wenn er nicht potthässlich und komplett ungebildet war, dann würde Mary ihn für sich beanspruchen. Und wenn sie das einmal getan hatte, bekam sie auch was sie wollte und Mama und Papa unterstützten ihre Lieblingstochter natürlich, wo sie konnten. Das war das einzige, worum ich Mary nicht beneidete: Jeder wollte sie als älteste Tochter des Earl of Grantham natürlich am meisten verheiratet sehen. Dennoch – ich konnte mir sämtliche Bemühungen um Henry Redvers sparen. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde Mary Sybil, Lizzy und mir die Schau stehlen und wenn sie das nicht tat, dann weil Redvers ein Idiot war. Meine Laune war schon eine halbe Stunde vor dem Dinner auf dem Tiefpunkt. Anna lächelte mir aufmunternd zu und reichte mir ein paar passender Handschuhe, bevor sie mein Zimmer verließ und mich in Selbstmitleid versinkend zurückließ.
Ich nahm mir noch ein paar Minuten, um mich zu sammeln, meine Handschuhe anzuziehen und mein Kleid zurecht zu zupfen, ehe ich hinunter ging. Der Besuch konnte jede Minute ankommen.
Lizzy
Es war bereits dunkel, als wir in Downton ankamen. Obwohl ich es schon lange nicht mehr gesehen hatte, erkannte ich das riesige Haus, das sich dunkel gegen den dunkelblauen Himmel abhob, sofort und konnte nicht umhin, ehrfürchtig aus dem Fenster unserer Kutsche zu schauen. Bei Tageslicht sah es sicherlich noch beeindruckender aus – das würde ich mir morgen früh ansehen. Mein Blick glitt an dem Gebäude hinunter und blieb an den Personen, die vor der Tür standen, hängen. Das winzige bisschen Vorfreude, das eben noch in mir aufgekeimt war, verschwand sofort und ein unangenehmes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit.
Cora und Robert erkannte ich sofort. Sie sahen aus wie damals, nur etwas älter und Coras herzliches Lächeln war mir gut in Erinnerung geblieben. Carson, der Butler, schien weder älter noch jünger geworden zu sein, hatte aber anscheinend seine würdevolle Miene mit den Jahren perfektioniert. Die drei jungen Frauen links von der Tür mussten wohl die Crawley-Töchter sein. Natürlich hatten sie kaum noch Ähnlichkeit mit den Kindern, die ich vor Jahren kennengelernt hatte. Edith erkannte ich gleich, da sie nicht wie ihre Mutter und ihre beiden Schwestern dunkles Haar hatte. Auch Sybil und Mary waren auf den zweiten Blick nicht schwer zu unterscheiden – daran, dass die eine deutlich besser gelaunt aussah als die andere.
Plötzlich war mir unglaublich schlecht und ich wäre am liebsten in der Kutsche sitzengeblieben, als diese schließlich vor dem Anwesen hielt. Ich saß links, daher musste ich als erste aussteigen, als ein Diener die Kutschentür öffnete. Ich war schon froh, dass ich es geschafft hatte, auszusteigen, ohne hinzufallen, als mir die nächste Hürde einfiel: Ich hatte keine Ahnung, wohin ich schauen sollte, also legte ich den Kopf leicht in den Nacken und betrachtete das Haus während der Sekunden, die meine Mutter zum Aussteigen brauchte. Was eine ziemlich doofe Idee gewesen war, weil man in der Dunkelheit eh nichts erkennen konnte. Sobald Mama ausgestiegen war, ging sie zügig auf Cora zu, die lächelte und sie mit einem "Amelia! Es ist viel zu lange her!" herzlich umarmte. Robert gab meinem Vater die Hand und ich stand etwas im Hintergrund und sah zu, wie unsere Koffer hineingebracht wurden. Ich gehöre hier nicht hin. Das ist falsch, vollkommen falsch.
Thomas
Überall herraschte Trubel wegen des bevorstehenden Dinners. Mrs. Patmore stand kurz vor einem Herzinfarkt und schubste Daisy noch mehr herum als sonst. Daisy selbst schien den Tränen nahe, erledigte aber alles, was Mrs. Patmore ihr auftrug. Carson und Mrs. Hughes wuselten überall herum und herrschten Diener und Dienstmädchen an. Ich machte mich auf die Suche nach Jimmy, denn seit wir den Tisch gedeckt hatten, hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Reiß dich zusammen, es war nur eine Stunde. Aber vielleicht brauchte er noch Tipps vor dem Dinner. Nach kurzer Zeit fand ich ihn vor einem Spiegel stehend. "Keine Sorge, du siehst gut aus", sagte ich lächelnd und trat hinter ihn. "Nervös vor dem großen Auftritt?"

Lady Mary
Im Nachhinein entschied ich mich gegen weiteren Haarschmuck und ging mit Sybil an meiner Seite nach unten. Sie erzählte mir von ihrem Buch, das sie heute angefangen hatte, aber ich hörte nur mit halbem Ohr zu. Wenn ich Glück hatte, kam Lord Redvers vor den Allens an und so konnte ich mich sofort mit Henry befassen und nicht noch erst mit Elizabeth Allen. Ich nahm meinen Platz neben Mama und Papa ein, die uns lächelnd ansahen. Auch Edith kam dazu, aber ich hielt meinen Blick auf den Weg gerichtet. Als eine Kutsche erschien, hätte ich beinahe laut geseufzt. Lord Redvers würde sicher nicht so anreisen - natürlich hatte er ein Auto mit Chauffeur. Also mussten wir zuerst die Allens begrüßen. Aus der Kutsche stieg eine junge Frau in unserem Alter, die ich mit einem bohrenden Blich musterte. Sie dagegen schien sich eher für die Fassade des Hauses zu interessieren. Als ihre Eltern ausstiegen und begrüßt wurden, setzte ich mein Lächeln auf. Mama schien sich wirklich sehr über den Besuch zu freuen. Ich nicht. Die Allens durchkreuzten meine Pläne, Henry Redvers den ganzen Abend nur für mich zu haben. Warum mussten sie dazu auch noch über Nacht bleiben? Vielleicht würde ich morgen wieder ausreiten und so keine Zeit im Haus verbringen müssen. Mama und Papa begrüßten schließlich auch Elizabeth. "An Mary, Edith und Sybil erinnerst du dich vielleicht noch, oder Elizabeth?", sagte Mama gerade, als ein glänzendes Auto hinter der Kutsche hielt. Carson ging sofort zur Tür. Meine Erlösung. Anstatt uns weiter vorzustellen ließ sich Mama jetzt von Lord und Lady Redvers begrüßen. Zuletzt stieg ein junger Mann aus. Er trug Mantel und Hut, gab Papa die Hand und wurde Mama vorgestellt. Ich richtete mich auf, lächelte breit und sah Henry Redvers an. Sein dunkelblondes Haar war aus dem Gesicht gestrichen, das in muskulöse Schultern überging. Er war groß, gutaussehend und ausgesprochen höflich. Auch jetzt stellte Mama uns vor, aber anders als bei Elizabeth ging ich einen Schritt auf Henry zu. Wie es sich gehörte nahm er meine Hand und lächelte. "Lady Mary", sagte er mit einer angenehmen Stimme, bevor er weiter zu Edith ging. Der Abend würde auf jeden Fall interessant werden.
Jimmy
Ich machte gerade den letzten Bürstenstrich über die Livree, als Thomas hinter mir auftauchte. Im Dienstbotengang herrschte Trubel, aus der Küche hörte man Mrs. Patmore schimpfen und auch sonst wirkte jeder angespannt. Ein großes Dinner bedeutete eben viel Aufregung. Ich drehte mich lächelnd zu Thomas um. "Ein wenig. Lady Anstruther hatte zwar auch öfter Gäste, aber nicht so viele auf einmal. Es wird bestimmt kein ruhiger Abend", antwortete ich ihm. Da Carson oben bei der Begrüßung war, waren wir zumindest vor ihm kurz sicher. Für ihn war dieses Dinner so wichtig wie eines mit dem König. "Wie ist Lord Grantham denn so?", fragte ich Thomas dann weiter, denn für einen kurzen Plausch hatten wir noch Zeit.
Henry
Es war genauso, wie ich es mir gedacht hatte. Vater hatte von weiterem Besuch gesprochen, der bereits vor uns eingetroffen war. Was er nicht erwähnt hatte war, dass auch diese Familie eine Tochter hatte. Na super. Noch jemand, der in mir den künftigen Ehemann sieht. Meine Gedanken zeigte ich natürlich nicht, dazu war ich viel zu gut erzogen worden. Lord Grantham wirkte auf den ersten Blick sehr freundlich, genauso wie Lady Grantham. Neben ihnen standen drei junge Frauen, die unschwer erkennbar ihre Töchter waren. Ich begrüßte jede einzeln von ihnen, lächelte und war wirklich positiv überrascht. Vielleicht würde der Abend doch nicht so schlimm werden. Auch Elizabeth Allen begrüßte ich formvollendet, bevor uns Lady Grantham ins Haus bat. Bis zum Dinner wurden wir in den Salon geführt, nachdem der Butler uns die Mäntel abgenommen hatte. Es war wirklich ein großes Haus, das mich beeindruckte. Sofort kam die älteste der Crawley-Töchter zu mir. Ich hatte damit gerechnet. So war es doch immer als Junggeselle. "Ich hoffe die Anreise hat keine Schwierigkeiten gemacht?", fragte sie mich lächelnd, was ich natürlich verneinte. "Wir wohnen nicht weit entfernt", antwortete ich ihr, während sich auch die jüngste der Schwestern zu uns stellte.

Lizzy
Oh ja, ich erinnerte mich an Mary, Sybil und Edith. An Mary vor allem, weil wir schon als kleine Kinder Streit gehabt hatten, an Edith, weil ich mit ihr gespielt hatte und an Sybil, weil sie als Nesthäkchen damals schon der Mittelpunkt und Sonnenschein der Familie gewesen war. Glücklicherweise blieb mir eine Antwort an Lady Grantham dennoch erspart – wie redete man eigentlich mit einer Countess, als junge Frau, die eigentlich gutes Benehmen gelernt haben sollte? –, weil ein Auto vorfuhr. "Lord Redvers ist ein guter Freund von Robert", erklärte Cora Mama lächelnd. "Sicher habt ihr unser Telegramm erhalten?" Meine Eltern sahen kurz überrascht aus, fingen sich aber gleich wieder. Nur in meinem Kopf klärte der Gedanke erst nach ein paar Sekunden auf: noch mehr Besuch. Ich musste mich regelrecht anstrengen, noch wenigstens halbwegs freundlich zu schauen. Aus dem Auto stieg ein Ehepaar in Mamas und Papas Alter und nach ihnen ein junger Mann. Mary bekam schier Stielaugen: ein typischer britischer Adliger, sehr höflich, sehr gutaussehend. Er begrüßte erst die Crawley-Schwestern und schließlich mich, was ich mit einem Lächeln erwiderte, das hoffentlich einigermaßen glaubhaft ausgesehen hatte. Dieser Haufen Snobs kann gerne unter sich bleiben, dachte ich, während wir ins Haus gingen. Ich hatte nichts mitzureden, wenn es um Kleider, Essen oder die neuesten Eskapaden der Dienerschaft ging. Wenn nicht sogar bald um eine Hochzeit, dachte ich, als ich sah, dass Mary sich ihrem Opfer sogleich angehängt hatte. Zugegebenermaßen war ich durchaus beeindruckt; es war vermutlich das schönste Haus, in dem ich je gewesen war, aber ich fühlte mich so wenig wohl wie nur möglich. Während sich Sybil Mary und dem jungen Mann, dessen Name, wie ich mittlerweile mitbekommen hatte, Henry war, angeschlossen hatte und die Erwachsenen sich unterhielten, blieb ich, genau wie Edith, etwas zurück. Nun war der Zeitpunkt gekommen, mich zum ersten Mal hier um eine Unterhaltung zu bemühen. Wenigstens hielt Edith ihre Nase nicht so hoch, dass man damit jemanden aufspießen könnte. "Schön habt ihr's hier", sagte ich und versuchte, meine Unbeholfenheit mit einem Lächeln wieder wett zu machen. "Mir persönlich wäre es ja etwas zu groß, aber... schön." Zu meiner riesigen Erleichterung lächelte Edith. "Ja, es muss einschüchternd auf Fremde wirken. Aber wir kennen es gar nicht anders. Wenn man es gut kennt, ist Downton Abbey der schönste Ort der Welt", antwortete sie.
Lady Edith
Die Tatsache, dass Henry Redvers nicht sofort vor Mary auf die Knie gegangen war und er sich – im Gegenteil zu vielen anderen Männern – in ihrer Gegenwart wie ein normaler Mensch verhielt, heiterte mich etwas auf. Noch schien er der ganzen Familie gleich viel Aufmerksamkeit zu schenken. Zugegebenermaßen sah er wirklich gut aus. Aber das bedeutete auch, dass Fall Eins eingetreten war: Mary beanspruchte ihn für sich. Ich brauchte mir keine Mühe zu geben. Ich war weder so schön wie Mary noch so klug wie Sybil. Selbst wenn Henry sich eine Ehefrau unter uns aussuchen sollte, ich würde es nicht sein. Daher ließ ich mich etwas zurückfallen, als die Gruppe ins Haus ging und wechselte tatsächlich auch ein paar nette Worte mit Elizabeth Allen. Wenigstens eine normale Person heute Abend.
Thomas
"Du wirst feststellen", sagte ich und betrachtete Jimmy lächelnd im Spiegel, "dass es fast nie ruhige Abende auf Downton Abbey gibt." Gut, das war natürlich etwas übertrieben. Ein normales Abendessen verlief in aller Regel auch normal. Aber so manches Dinner hatte schon ein interessantes Ende gefunden – zum Beispiel die frühzeitige Abreise einer mit der Dowager Countess befreundeten Lady, die beim Essen erfahren musste, dass ihr Ehemann sie vor über dreißig Jahren betrogen hatte. Ihr Geschrei und Gekreische war bis ins Dienstbotenzimmer zu hören gewesen. Bezüglich meiner Meinung über Lord Grantham war ich mir nicht sicher – erstens was ich von meinem Arbeitgeber hielt und zweitens was ich Jimmy antworten sollte. Ich wollte ihn schließlich nicht beunruhigen. "Seine Lordschaft ist ein sehr angenehmer Mensch. Es hat sich noch keiner von den Angestellten beklagt", lächelte ich deshalb. "Solange du nett zu seiner Hündin bist und nicht das Haus in Brand steckst, wirst du gut mit ihm klarkommen", fügte ich scherzend hinzu.

Lady Mary
"Natürlich nicht. Wir fahren auch öfter nach Ripon. Wann setzt Ihr die Reise nach Schottland fort? Papa sprach an, dass Ihr dort Eure Tante besucht", redete ich weiter, begleitet von meinem strahlendsten Lächeln. Früher oder später würde ich Henry Redvers am Haken haben, da war ich mir sicher. Sybil war im Moment noch zu jung, um eine Konkurrentin zu sein. Und um Edith und Elizabeth musste ich mir keine Sorgen machen. Wie passend, dass gerade die beiden sich unterhielten. "In drei Tagen. Es besteht aber keine Eile. Außerdem überlegt mein Vater, ob er nicht Hardwick Hall für die Jagdsaison mieten soll - vielleicht kennt Ihr es, es steht schon seit Anfang des Jahres leer" Henry sah sich neugierig im Salon um. Sicherlich war er von unserem Zuhause begeistert, wie es schon so viele Gäste vor ihm waren. "Geht ihr auf die Jagd?", fragte dann Sybil, die uns zuvor zugehört hatte. "Gelegentlich. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig aus der Übung bin. Vielleicht sollte ich mich erst einmal zurückhalten, um mich nicht allzu sehr zu blamieren", meinte Henry lachend und ich stimmte sofort mit ein. Perfekt. Ich konnte einen ganzen Abend über Pferde und die Jagd sprechen, wenn es sein musste. Der Ausritt heute hätte zeitlich nicht besser passen können. "Bestimmt sagt ihr das nur, damit Ihr die Ladies nachher beeindrucken könnt. Ich habe schon oft Männer sagen hören, dass sie keinen einzigen Treffer auf der Jagd landen werden und nachher hatten sie die meisten", erzählte ich ihm und spielte mit meiner langen Kette. Der Aufwand mit meinem Kleid hatte sich wirklich gelohnt, so schnell würde ich Henry nicht mit jemandem teilen. "Mary reitet auch auf der Jagd", warf Sybil dann ein und ich hätte sie umarmen können. Es wurde immer besser. "Wirklich?", fragte Henry überrascht. Ich liebte diesen überraschten und anerkennenden Unterton, den ein Mann immer anschlug, wenn er von einer Frau hörte, die ausritt und das sogar auf einer Jagd. Und schon hatte ich die Möglichkeit, ihm von meinem Ausritt zu berichten.
Lady Sybil
Lächelnd hörte ich dem Gespräch von Mary und Henry Redvers zu, während sich auch die anderen im Salon niederließen und sich unterhielten. Ich war es gewohnt, eher zuzuhören. Für die meisten war ich noch immer das junge Mädchen. Noch machte es mir nichts aus. Außerdem redete Mary gerade über ihren Ausritt mit Diamond, was ich auch interessant fand. Ich bewunderte es, wie gut sie reiten konnte. Auch ich hatte ein Pferd, Dragon. Erst vor kurzem hatte ich entdeckt, dass mir neben dem Reiten auch das Kutsche fahren Spaß machte. Vielleicht konnte ich das morgen machen und Edith mitnehmen. Ich sah mich nach den anderen um und erkannte Edith bei Elizabeth Allen. Da Mary und Henry sich ausgezeichnet über Pferde unterhielten, ging ich zu Edith. "Es ist so schön, dass ihr wieder hier seid. Auch wenn ich mich nicht an das letzte Mal erinnere", sagte ich lächelnd zu Elizabeth.
Jimmy
"Dann sollte ich mich besser auf den Stress und die Hektik einstellen", meinte ich leicht grinsend und strich mir eine Haarsträhne aus den Augen. "Gut, dann werde ich das genauso machen. Mr. Carson hat mir eben schon eröffnet, das ich ab morgen den Hund ausführen darf" Ich hatte nichts dagegen, so würde ich wenigstens kurz Zeit für mich haben und dem Trubel entkommen. Hektisch kam Mr. Carson die Treppe nach unten. "James, Thomas - nach oben!", befahl er uns und rauschte zu Mrs. Patmore. "Ist das Dinner fertig? Alle sind im Salon" Komisch, dass er noch keinen hochroten Kopf hatte. Wahrscheinlich war das hier normal für Mr. Carson. Ich hörte lieber auf ihn und ging die Treppe hoch zu meiner Stellung im Speisesaal. Jetzt hieß es keine Fehler zu machen.

Lizzy
Natürlich war der Salon nicht weniger prächtig als der Rest von Downton Abbey. Edith und ich setzten uns auf ein Sofa, wobei ich das, was ich dort tat, nicht wirklich sitzen nennen konnte. Ich hatte viel zu viel Angst, irgendetwas kaputt zu machen, eine Stickerei auf dem Sofa, eine der Vasen, die vermutlich teurer waren als unser ganzes Haus mitsamt Mobiliar... Die anderen hingegen bewegten sich hier so selbstverständlich, als sei das alles hier nichts Besonderes. Ich war froh, als Sybil auf uns zukam, denn Edith und mir waren gerade die Gesprächsthemen ausgegangen – nachdem wir uns über eher unbefangene Dinge wie unsere Kindheit und den kalten Winter unterhalten hatten – und wir rückten etwas zusammen, um Sybil Platz zu machen. "Ich freue mich auch", antwortete ich lächelnd auf ihre netten Worte, auch wenn es glatt gelogen war. "Und es ist vermutlich besser, wenn du dich nicht mehr erinnerst", grinste ich noch.

Lady Sybil
Dankbar setzte ich mich zu den beiden. Mary ließ man manchmal besser in Ruhe und auch bei unseren Eltern würde ich sicher eher stören. "Edith hat mir heute Morgen schon erzählt, was damals alles passiert ist. Auch wenn ich mir das nur schwer vorstellen kann", meinte ich. "Wie lange werdet ihr bleiben? Sonst zeigen wir dir morgen das Haus und den Garten", bot ich Elizabeth gleich an. Sie sollte sich hier schließlich nicht langweilen und ich war immer glücklich darüber, mich mit jemandem zu unterhalten, den ich noch nicht gut kannte. Elizabeth schien nett zu sein, auch wenn sie und Mary ganz klar Abstand voneinander hielten. Vielleicht waren die Ereignisse aus vergangenen Jahren bei ihnen allen noch nicht vergessen. Carson betrat den Salon und nickte Mama nur zu. Ich wusste, was das hieß und stand schon einmal auf. "Dinner ist fertig", sagte Mama dazu und ging lächelnd begleitet von Mr. Allen in Richtung Speisesaal. Papa und der Rest der Erwachsenen folgte und natürlich begleitete Henry Mary. Wenn die beiden beim Essen zusammensitzen würden, dann wären die beiden sicherlich für den ganzen Abend beschäftigt. Mary schaffte es immer wieder, einen Mann um die Finger zu wickeln. Vielleicht war das auch besser so, wenn ich an Elizabeth dachte. Da ich nicht wirklich viel über sie wusste, nahm ich mir vor, sie während des Essens ein wenig auszufragen. Als ich den Speisesaal betrat, fiel mir gleich der neue Dienstbote auf. Ohne Frage war er gutaussehend. Auch wirkte er so, als ob er es Carson auf jeden Fall recht machen wollte. Wir alle setzten uns, ich neben Elizabeth und Mama.

Lizzy
Ich war ehrlich dankbar dafür, dass Sybil so aufgeschlossen war. "Wir sind drei Tage hier. Und das Haus und den Garten würde ich natürlich gerne sehen", antwortete ich und das war nicht gelogen. Ich war froh, wenn ich etwas zu tun hatte und die Zeit hier rumging und mit Sybil würde es sicher auch noch nett werden. Als das Dinner fertig war, bemerkte ich erst, wie hungrig ich war, folgte Edith und Sybil in den Speisesaal und setzte mich, voll Vorfreude auf ein leckeres Essen, zwischen Sybil und Mama. Ich sah mich unauffällig um – mal wieder glitzerte es überall, man hätte vom Fußboden essen können und die beiden Diener, die vor dem Kamin standen, sahen beide sehr gut aus. Vielleicht hätte ich doch nichts gegen mehr Bedienstete bei uns zuhause, dachte ich, unterdrückte ein Grinsen und drehte schnell den Kopf weg.

Lady Sybil
"Gut, dann haben wir schon einen Plan für morgen. Wenn es dich interessiert können wir auch ins Dorf gehen. Aber wir haben ja keinen Zeitdruck. wenn ihr drei Tage bleibt", redete ich weiter, während Carson die Gläser füllte und der erste Gang serviert wurde. "Ihr hattet sicher eine lange Anreise, oder? Dabei weiß ich gar nicht genau, wo ihr wohnt", gestand ich Elizabeth mit einem entschuldigenden Lächeln und nahm das Besteck in die Hand. Kurz wurden wir unterbrochen, als Papa den neuen Diener begrüßte. James lächelte und machte dann professionell mit seiner Arbeit weiter. Ich sah ihn mir an, damit ich nachher mit Anna über ihn reden konnte. Vielleicht wusste sie dann ja schon mehr. Bestimmt war er unten bei den Hausmädchen beliebt, so wie er aussah. "Es ist so schade, dass ich gar nichts über dich weiß", fuhr ich dann an Elizabeth gewandt weiter. Gut, eines wusste ich: Dass Granny die Allens nicht sonderlich mochte, was wohl daran lag, dass sie keinen Adelstitel hatten und obendrein noch Amerikaner waren. Sie hatte heute morgen nicht viel dazu gesagt, was vielleicht auch besser war. Ich aß einen Bissen und wie immer schmeckte es köstlich. Mrs. Patmore war wirklich eine gute Köchin. Gespannt sah ich Elizabeth an, was sie über sich erzählen würde.
Henry
Lady Mary schien sich wirklich für Pferde zu interessieren. Das war bei weitem bei nicht vielen Frauen der Fall. Natürlich beeindruckte es mich, wenn sie auf die Jagd ging und im Damensattel Hindernisse nahm. Beinahe hätte ich das Gespräch dahin gelenkt, dass sie mich zu einer Jagd auf Downton Abbey einlud, hielt mich dann aber doch zurück. Sonst bist du doch auch nicht so, Henry, ermahnte ich mich. Anscheinend hatte ihre Mutter ihre Finger im Spiel gehabt, als die Sitzordnung des Dinners festgelegt wurde, denn ich saß direkt zwischen Lady Mary und Lord Grantham, mir gegenüber war Lady Edith, die zweitälteste Tochter. Übel nehmen konnte ich Lady Grantham das aber auch nicht. Jede Mutter wollte ihre Tochter gut verheiratet sehen. Ich fragte Lady Mary noch ein wenig zu ihrem Pferd, das ich gerne gesehen hätte, als der erste Gang aufgetragen wurde. Ich trank zuerst einen Schluck meines Weins und sah Lady Edith an. "Reitet Ihr auch?", fragte ich freundlich. Ich wollte nicht arrogant oder verschlossen wirken, auch wenn ich anfangs so wenig Lust auf diesen Abend gehabt hatte. Und da ich wohl oder übel den ganzen Abend von jungen Damen umgeben sein würde, konnte ich genauso gut mit jeder Konversation betreiben und sie etwas glücklicher machen.

Lizzy
Sybils Unternehmungslust war wirklich ansteckend und während der ersten zwei Gänge des Dinners vergaß ich vollkommen, wo und wer ich war. Erst als sie mehr über mich erfahren wollte, wurde mir wieder klar, dass ich ganz anders war als der Rest der Personen in diesem Raum. "Nunja, dass du nichts über mich weißt, liegt vermutlich daran, dass es nicht viel über mich zu wissen gibt", fing ich an und schob mir schnell ein Stück Kartoffel in den Mund, um Zeit zu schinden. "Wir wohnen in Leicestershire, und mit der Kutsche von dort nach Downton zu fahren ist tatsächlich nicht unbedingt, was man unter einer angenehmen Anreise verstehen kann", fing ich an. "Wir sind vor zehn Jahren nach England gezogen, davor haben wir in Washington gelebt. Ich bin immer auf öffentliche Schulen gegangen. Ähm, ich lese sehr gerne, das nimmt den größten Teil meiner Freizeit ein, außerdem haben wir ein paar Tiere, um die ich mich gern kümmere..." Na toll. Das musste ja berauschend klingen verglichen mit einem Leben auf Downton.
Lady Edith
Ich war ziemlich in Gedanken versunken, als Henry sich mir zuwandte. Blöderweise ging es ums Reiten. Ich beschloss, einfach ehrlich zu sein, vermutlich redete er eh nur aus Höflichkeit mit mir und war schon längst unsterblich in Mary verliebt. "Ja, aber nur, wenn ich muss. Ich habe lieber festen Boden unter den Füßen", sagte ich und lächelte etwas schief. Das hatte seine Meinung von mir zwar vermutlich nicht gerade verbessert, aber wenigstens musste ich mich jetzt nicht in den Sattel quälen, um ihm etwas zu beweisen, was ich nicht beweisen konnte.

Lady Sybil
"Es gibt über jeden etwas zu erfahren", wandte ich schnell ein und lächelte aufmunternd. Ich wollte ihr ja auch nicht zu nah treten. Aber bei so etwas war ich immer sehr neugierig, weswegen ich auch viel über die Dienstboten wusste. Jedenfalls mehr als Edith und Sybil. Als ich noch jünger war, hatte ich gern Zeit dort unten verbracht. Jetzt ging das natürlich leider nicht mehr, aber Anna hielt mich ja auf dem laufenden. "Ist es hier sehr anders als in Amerika?", fragte ich mit einem Seitenblick auf Mama, die in ein Gespräch mit Elizabeths Mutter vertieft war. "Weißt du, ich wäre auch gerne auf eine öffentliche Schule gegangen. Ich stelle mir das sehr interessant vor, jedenfalls wirst du mehr gelernt haben als ich mit all den Gouvernanten" Ich lächelte weiter und vergaß kurz mein eigenes Essen. Das Gespräch war im Moment definitiv interessanter. "Aber für meine Großmutter wäre das die Höhe gewesen und auch Mama war dagegen", erzählte ich weiter. "Wenn du Tiere magst kann ich dir morgen die Ställe zeigen. Vorausgesetzt du magst auch Pferde"
Lady Mary
Henry stellte Edith genau die richtige Frage. Zufrieden trank ich einen Schluck Wein, während Edith eine ehrliche Antwort gab. Hätte sie gelogen, hätte ich ihr Reittalent gern richtig gestellt. Henry war anscheinend ein Mann von der Sorte, die alle Frauen in der Runde glücklich machen wollten. Dabei war es ganz klar, dass er heute Abend mein Hauptaugenmerk war. Mit Elizabeth hatte er noch kein Wort geredet, wie ich zufrieden feststellte. Aber auch sie war keine Konkurrentin. Allein schon ihr Kleid sagte alles. Henry lachte höflich auf Ediths Antwort. "Ich war in meiner Kindheit auch kein Freund des Reitens, bis mir mein Vater mein erstes Pferd kaufte", erzählte er, wandte sich dabei aber auch mir zu. Gut. Anscheinend hatte er das Interesse an Edith wieder verloren. "Zum Glück hat sich das bis jetzt geändert. Ihr müsst unbedingt zu einer Jagd kommen", sagte ich schließlich. Seitdem ich wusste, dass er ritt und jagte, wollte ich ihn zu einer Jagd hier bei uns einladen. Papa hätte sicher nichts dagegen, vielleicht wollte sich Lord Redvers dann auch seinem Sohn anschließen. Und so würde ich eine weitere Gelegenheit haben, Henry bei mir zu haben. Es lief heute Abend wirklich besser als gedacht. Ich hatte kein Wort mit Elizabeth wechseln müssen und hatte Henry für mich. "Sehr gern", antwortete Henry zu meiner Freude, was mein Lächeln für ihn noch breiter werden ließ.

Lizzy
"Oh ja, es ist anders. Ein ganz anderes Lebensgefühl, die Menschen sind anders. Vielleicht ist dir das an deiner Mutter schon aufgefallen", lächelte ich. Mama hatte mir oft davon erzählt, wie Cora sich bei Meinungsverschiedenheiten oft anhören müsse, es spreche die Amerikanerin aus ihr. "Ich bin froh, dass ich auf öffentlichen Schulen war", antwortete ich ehrlich. "Man schaut über den Tellerrand, hat andere Kinder um sich. Ich finde dabei lernt man mehr über gesellschaftliches Zusammenleben als von jeder Gouvernante. Aber natürlich ist es auch eine andere Gesellschaft", fügte ich schnell hinzu. Obwohl mir wichtig war, immer ehrlich zu sein, wollte ich Sybil nicht zu direkt zeigen, wie wenig ich von ihrer Lebensweise hielt. Immerhin war sie als quasi einzige hier wirklich nett zu mir. "Natürlich mag ich Pferde, wer tut das nicht?", lachte ich. Zuhause ritt ich oft, und zwar definitiv nicht im Damensattel.
Lady Edith
Mary blickte mich über den Rand ihres Weinglases hin vielsagend an und ich hielt ihrem Blick stand. Wenigstens warf ich mich Henry nicht so verzweifelt an den Hals wie sie. Hatte sie denn gar kein schlechtes Gefühl dabei, sofort jeden, der Geld hatte, um den Finger zu wickeln? Sie würde sich wohl kaum innerhalb der letzten zwei Stunden ernsthaft in ihn verliebt haben.
Ich hatte Elizabeths letzten Satz mitgehört und beschloss, mich am Gespräch zu beteiligen. Mary sollte nicht denken, mir sei langweilig. "Du kannst gerne eins unserer Pferden reiten", schlug ich ihr vor. Vielleicht machst du Mary ein bisschen Konkurrenz im Sattel.

Henry
Hatte ich gerade wirklich zugestimmt, hier auf einer Jagd zu reiten? Hatte ich nicht noch vor ein paar Stunden gesagt, wie sehr ich aus der Übung war? Schnell trank ich einen Schluck Wasser, damit mir der Wein nicht zu Kopf stieg. Oder Lady Mary. "Ihr geht auch reiten, Miss Allen?", fragte ich an die junge Dame, mit der ich heute Abend noch nicht geredet hatte. Ich kannte die Allens nicht, genauso wenig wie mein Vater. Aber das musste ja nichts heißen. Ich wollte mir nachher nicht anhören müssen, dass ich nur mit Lady Mary gesprochen hatte. Du bist nicht hier, um dir eine Ehefrau auszusuchen. Außerdem hatte ich mich schon gut mit Lady Mary über das Reiten und Pferde unterhalten, vielleicht würde das auch eine weitreichende Unterhaltung anstoßen. Lächelnd sah ich Elizabeth Allen an, während der Butler und die Diener den Nachtisch servierten. Wir hatten einige Gänge hinter uns und es hatte mir wirklich gut geschmeckt.
Lady Mary
Ich mochte es ganz und gar nicht, dass Henry mit Elizabeth redete, aber was sollte ich schon tun? Also behielt ich mein Lächeln bei, trank meinen Wein und hörte ihnen zu. Hoffentlich würde er auch hier bald merken, dass Elizabeth uninteressant war. Um nicht gekränkt zu wirken erzählte ich Papa vom Ausritt und beantwortete auch Lord Redvers Fragen zu Diamond und meiner Meinung zur bevorstehenden Jagdsaison. Wenigstens wurde ich so nicht gezwungen, mit Elizabeth zu reden. Da das Dinner bald beendet sein würde und die Männer danach noch im Speisesaal bleiben würden, müsste ich mir kurzfristig andere Gesprächspartner suchen. Henry musste ich ja wohl oder übel teilen. Vielleicht war er es dann doch nicht wert, wenn er sich nicht völlig auf mich konzentrierte. Ich lehnte mich ein wenig zurück, straffte die Schultern und musterte Elizabeth über den Rand meines Tellers hinweg, als sie Henrys Frage beantwortete.

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