Jimmy
Während des Tees bediente Thomas Lizzy. Ich wusste nicht, ob er das absichtlich machte, weil ich ihm von unserem Streit erzählt hatte oder einfach zufällig. Im Grunde genommen war es mir auch egal, solange ich erstmal nicht in ihre Nähe musste. Beim Dinner konnte ich das leider nicht mehr vermeiden. Da zum ersten Mal seit langem wieder Gäste auf Downton blieben, hatte Mrs. Patmore das Dinner extra protziger gestaltet als ohnehin schon. Mr. Carson hatte meine Gemüse-Aktion heute Mittag wirklich nicht bemerkt, denn sonst hätte er mich sicherlich angeschnauzt. Das ließ mich ein wenig übermütig werden. Heute Abend gab es mehrere Gänge und sicherlich würde es dem Butler irgendwann schon auffallen, wenn ich einen Gast geflissentlich ignorierte. Um Lizzy trotzdem ein wenig zu ärgern, hielt ich ihr beim ersten Gang das Tablett nur kurz hin. Es war, als würde ich ihre Nähe nur zu gut spüren, auch wenn ich den größtmöglichen Abstand einhielt. Beim zweiten Gang hingegen überging ich sie wieder komplett. Es war so viel los am Tisch, dass es niemandem auffallen sollte. Nur ihr natürlich. Denn sonst aß sie ja immer wie ein Bauer, der den ganzen Tag auf dem Feld gearbeitet hatte.

Jimmy
Wie immer bei so vielen Leuten dauerte das Dinner ewig. Und auch im Salon wollte jeder noch etwas trinken, sodass ich mehr als gut beschäftigt war. "James, räumen Sie noch die leeren Gläser nach unten und dann haben Sie es für heute geschafft", sagte Mr. Carson dann endlich um weit nach Mitternacht, als ich ihm in der Eingangshalle entgegenkam. Anscheinend waren alle ins Bett gegangen. Endlich. Ich nickte ihm nur zu und fing schon mal in der Eingangshalle an, denn anscheinend wurde heute mal wieder jeder erdenkliche Ort als Abstellplatz für die Getränke genommen. Manchmal war es ein regelrechtes Versteckspiel. Während Carson also selbst ins Bett ging, schien ich die letzte wache Person im ganzen Haus zu sein. Nachdem ich die Eingangshalle abgesucht hatte, machte ich mich an den Salon. Ich nahm gerade ein Whisky-Glas, das noch fast halb voll war und wollte es gerade selbst austrinken - ich meine, warum sollte ich den Alkohol vergeuden? - als ich in der Bewegung inne hielt. Ich dachte ich wäre allein, aber es saß noch jemand auf dem Sofa. Langsam ließ ich das Glas sinken und sah sie an. "Noch ein Getränk, Miss?", fragte ich dann mit sarkastischem Unterton.

Jimmy
Ich stellte mein Tablett ab und blieb vor ihr stehen. Sie schien wirklich sehr wütend - wütender, als ich es mir vorgestellt hatte. "Es war doch nur ein kleiner Spaß", meinte ich und grinste kurz. Sie nahm das viel zu ernst, meiner Meinung nach. Ab morgen hätte ich ja damit aufgehört, schließlich konnte ich sie nicht ewig ignorieren. So gern ich das auch getan hätte. "Willst du mir jetzt wieder eine Ohrfeige geben?" Eigentlich hatte ich ja gar nicht mit ihr reden wollen. Aber wenn sie schon extra länger aufblieb, um mich zur Rede stellen zu können - denn nichts anderes hatte sie getan, warum sollte sie sonst um diese Uhrzeit noch wach sein und nicht in ihrem weichen Bett? - dann meinte sie es anscheinend verdammt ernst. Wenigstens hatte ich ein wenig Abstand zwischen uns, falls sie mich wieder schlagen wollte.

Jimmy
"Aber das hast du nicht", sagte ich und sah sie weiter an. Sie hätte sich bei jedem Mal beschweren können, dass sie kein Essen bekommen hatte - aber stattdessen hatte sie ihren Mund gehalten. "Du hast mich damals schon geschlagen, wenn ich dich daran erinnern darf, also darfst du mir wenn dann nur für heute eine Ohrfeige geben", meinte ich sarkastisch und lehnte mich an den nächsten Sessel. Obwohl sie wirklich so aussah, als würde sie sehr gerne wieder Gewalt anwenden. Ich hingegen hatte keine Lust, über unsere letzte gemeinsame Nacht zu sprechen, denn für mich war die Sache abgehakt und erledigt. Für Lizzy anscheinend noch lange nicht. Rückblickend betrachtet war ich vielleicht wirklich ein wenig verletzend gewesen. Aber das würde ich ihr natürlich nicht sagen. Schließlich hatte sie mir auch nicht erzählt, warum sie in dieser Nacht so komisch gelaunt war.

Jimmy
Wie gern würde ich jetzt einfach ins Bett gehen, anstatt hier endlose Diskussionen zu führen, die doch sowieso nichts bringen würden. Ich konnte meine Worte von damals nicht wieder zurücknehmen. Auch wenn ich es an manchen Stellen gerne getan hätte. Ich hatte ein paar unschöne Dinge gesagt. "Ich war betrunken. Außerdem hast du mir nie gesagt, warum du an diesem Abend so anders warst. Warum du mich nicht mehr wolltest", antwortete ich dann nach einer kurzen Pause und richtete mich wieder etwas auf. Vielleicht konnten wir uns ja hinsetzen? Die Sofas sahen mehr als einladend aus. Aber das würde ich besser nicht anbieten. Lizzy sah nämlich langsam wirklich so aus, als wäre sie kurz davor, mir an die Kehle zu springen. Warum mussten wir uns auch immer mitten in der Nacht unterhalten, wenn ich mehr als müde war? Mein Kopf war nicht mehr so klar wie zu anderen Tageszeiten.

Jimmy
Schwanger. Natürlich, warum war ich nicht selbst darauf gekommen? Nach sieben gemeinsamen Nächten war die Wahrscheinlichkeit doch sehr hoch, dass sie schwanger sein könnte. Denn vorsichtig waren wir nicht wirklich gewesen. Ich hatte diese Möglichkeit einfach ausgeblendet, genauso wie so vieles anderes, während ich Zeit mit ihr verbracht hatte. Ich kam mir wirklich dumm vor - warum hatte ich nicht daran gedacht? Ich hätte anders reagiert. "Aber... du bist nicht schwanger, oder?", fragte ich genauso leise zurück und sah sie eindringlich an. Ein Baby würde alles ruinieren - aber das konnte nicht sein. Entweder würde man es jetzt sehen oder... sie hätte es wegmachen lassen. Verdammt. Ich hatte mir einfach keine Gedanken darum gemacht. Jetzt konnte ich wirklich verstehen, warum sie mich an diesem Abend nur küssen wollte. Ich stand jetzt wirklich ziemlich blöd da. "Und warum hast du es mir nicht gleich gesagt?", fragte ich dann.

Jimmy
Ich atmete wieder aus. Sie war nicht schwanger. Es war alles wieder gut. Ich hatte nämlich nicht vor, in nächster Zukunft Vater zu werden. Schon gar nicht mit Lizzy. Ich meine, ich wollte sie ja nicht heiraten oder so. Ich hatte einfach nur ein bißchen Abwechslung und Spaß gewollt. Keine lebenslange Bindung durch ein Kind an sie, für das ich dann auch noch sorgen musste. "Du hättest es trotzdem einfach sagen sollen - immerhin wäre ich davon auch betroffen, wenn.... wenn es so gewesen wäre", sagte ich dann und blieb vor ihr stehen. Ich fuhr mir durch die Haare, jetzt war es ja eh egal, wie ich aussah. Ich hatte keine Ahnung, wie ich reagiert hätte, hätte sie es mir damals doch gesagt. Vielleicht hätte ich nicht diese fiesen Dinge über sie gesagt. Aber wusste ich es? Nein. Wenigstens hatte sie mir jetzt alles erzählt und ich konnte sie ein wenig besser verstehen.

Jimmy
Ich wusste nur zu gut, worauf sie mit ihrem letzten Satz anspielte. Aber ich hatte keine Lust, mich wieder mit ihr zu streiten und dann eine Ohrfeige einzukassieren. Also sah ich sie nur kurz an, schnaubte und nahm mir dann doch das Whisky-Glas und trank es in einem Zug aus. Lord Grantham hatte wirklich Geschmack, das musste man ihm lassen. Aber was sollte ich jetzt noch sagen? Ich hatte mich wie ein kompletter Trottel aufgeführt, während sie Angst gehabt hatte, schwanger zu sein. Es gab keine Entschuldigung oder Erklärung für mein Verhalten mehr. Sie hatte gewonnen, ich hatte meine verdiente Ohrfeige bekommen und würde ab jetzt auch keine Spielchen mehr mit ihr spielen, nur um sie ein wenig zu ärgern. "Danke, dass du es mir jetzt doch gesagt hast", meinte ich dann doch noch. Vom Kamin aus schlug die Uhr. Es war ein Uhr nachts und ich sollte schleunigst ins Bett. Schließlich war bald Weihnachten. Ich stellte die letzten Gläser auf mein Tablett. Meine Mundwinkel zuckten kurz, als ich sie ein letztes Mal ansah - es war kein richtiges Lächeln, mehr eine Grimasse - und mein Tablett nahm. "Gute Nacht", murmelte ich dann noch und ging aus dem Salon.