Lizzy
Ohne zu zögern nahm Jimmy sich ein noch halbvolles Glas, das neben ihm auf einem der Tischchen stand – ich vermutete Whisky oder etwas Ähnliches darin – und trank es aus. Ich zog die Augenbrauen hoch. Wusste Carson eigentlich, wen er da eingestellt hatte? Als die Uhr plötzlich schlug, sah ich auf. Himmel, es war schon ein Uhr. Hatte ich nicht schon genug Nächte an Jimmy verschwendet? Er schien das ähnlich zu sehen, den er räumte die verliebenen Gläser auf sein Tablett und ging. Ich seufzte und legte den Kopf nach hinten auf die Sofalehne, die Arme von mir gestreckt. Ich hasste es, nicht zu wissen, ob ich sauer auf ihn war oder nicht. Was ist das für eine blöde Frage, natürlich bist du sauer! Ich blieb noch ein paar Minuten so sitzen und ging dann ins Bett. Mit dem zu wenig schlafen würde ich gar nicht erst wieder anfangen.

Thomas
Während ich gebannt zuhörte, vergaß ich dummerweise, dass Jimmy den Salon auch irgendwann wieder verlassen würde. Und dass er nicht begeistert wäre, mich zu sehen. Als er sein Tablett vollpackte, wusste ich, dass ich mich nun schleunigst verziehen musste und ging so schnell wie möglich, ohne zu laut zu werden, nach oben. Mit einem unguten Gefühl legte ich mich schlafen. Das eben war einer Versöhnung doch ziemlich nahe gekommen... Wenn Jimmy mich wenigstens wie früher wieder als Freund in seine Liebesgeschichten einweihen würde, wäre die Situation noch leichter zu ertragen. Mit dem Bild von Jimmy und Miss Allen im Kopf schlief ich irgendwann ein. Verdammt, er fehlte mir.

Lizzy
Am nächsten Morgen hätte ich Sybil am liebsten gleich von meinem Gespräch mit Jimmy am Abend vorher erzählt, aber da wir natürlich nicht alleine beim Frühstück waren, musste das warten. Sobald wir mit dem Essen fertig waren, zerrte sie mich total begeistert mit einem "Das wird dir gefallen, Lizzy!" in die Eingangshalle, um mir den Tannenbaum, der heute aufgestellt wurde, zu zeigen. Ich verstand ihre Begeisterung zuerst nicht – es war ja nur ein Baum, wenn auch ein Weihnachtsbaum –, aber als ich den riesigen, schon teilweise mit Kugeln und einer Lichterkette geschmückten Baum sah, konnte ich mir ein entzücktes "oooh" nicht verkneifen. Dieser Baum war wirklich wunderschön. Natürlich hatten wir zuhause auch immer schöne Weihnachtsbäume, aber dann doch keine von dieser Größe. Begeistert nahm ich den kleinen Engel, den Sybil mir hinhielt, und suchte einen geeigneten Platz für ihn. "Und was für ein Weihnachten", grinste ich.

Lizzy
Den Baum zu schmücken machte Spaß, aber ich war nicht ganz bei der Sache, weil ich immer noch das Gespräch mit Jimmy gestern Abend im Kopf hatte. Umso erleichterter war ich, als der riesige Baum endlich fertig geschmückt war und Sybil und ich uns in mein Zimmer verziehen konnten, um ungestört zu reden. Ich schloss die Tür, setzte mich auf einen Stuhl und sah sie an. "Ich habe gestern Abend mit Jimmy geredet, nach dem Dinner. Ich bin im Salon geblieben, bis alle anderen weg waren." Ich musste leicht grinsen – eigentlich eine für Jimmy und mich ziemlich typische Aktion. "Ich wollte ihn zur Rede stellen wegen der Sache mit dem Essen, aber wir sind natürlich irgendwann auf... auf die Nacht damals zu sprechen gekommen. Jedenfalls habe ich ihm dann das mit der Schwangerschaft gesagt und... naja. Wir haben eben wieder miteinander geredet", schloss ich.

Lizzy
Ich schüttelte den Kopf. "Nein hat er nicht, dafür ist er vermutlich zu stolz", schnaubte ich. "Aber ich kann auch nicht behaupten, dass er nicht etwas betroffen gewirkt hätte." Ich ging in Gedanken unser Gespräch noch einmal durch. Es war keine Versöhnung gewesen, aber trotzdem war etwas anders als noch gestern bei meiner Ankunft. Genervt atmete ich aus. Warum musste das auch alles so kompliziert sein? "Aber auf jeden Fall kann ich mir sicher sein, dass ich in Zukunft wieder etwas zu essen bekomme", fügte ich hinzu und grinste leicht, denn Sybil sah so nachdenklich und besorgt aus, dass es mir nicht gefiel.

Lizzy
Ich schüttelte entschieden den Kopf. "Natürlich muss er sich entschuldigen. Und weil er das vermutlich nicht tun wird, wird es auch keinen Grund zur Vorsicht geben." Ich lächelte zuversichtlich. "Sowas wie damals passiert mir nicht wieder, das ist die gute Seite der Geschichte." Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon fast wieder Zeit für den Lunch war. Während wir den Baum geschmückt und uns unterhalten hatten, hatte ich die Zeit völlig vergessen. "Wir sollten zum Essen", sagte ich und stand auf. "Immerhin kann ich heute wieder zuschlagen."

Lizzy
Jimmy bediente mich beim Lunch endlich wieder so, wie er sollte. Ich war gerade mit meiner ordentlichen Portion Gemüse beschäftigt, die tatsächlich noch besser schmeckte als sonst – ob es an Mrs. Patmore lag oder daran, dass ich so lange nichts mehr davon gegessen hatte, vermochte ich nicht zu sagen – als Cora uns unüberhörbar darauf aufmerksam machte, dass es schneite. Alle schauten aus dem Fenster und tatsächlich schneite es dicke Flocken. "Das ist sogar noch schöner als der Baum", sagte ich strahlend zu Sybil. Ich musste nachher auf jeden Fall rausgehen; wenn es um Schnee ging, konnte ich wirklich wie ein kleines Kind sein.

Lizzy
Ich wollte Sybils Vorschlag gerade annehmen, als Marys Stimme von links ertönte. Ich hatte sie noch nicht oft reden hören, seit ich wieder hier war, aber sie schien noch schlechter gelaunt zu sein als sonst. Kaum zu glauben, dass das noch möglich war. Ich erwiderte ihren kurzen Blick. Wahrscheinlich rettete dieser kurze eisige Blick zu mir ihren Tag. Wenn es sie glücklich macht. Bevor ich mir weiter Gedanken darum machen konnte, verkündete Robert eine Dinnereinladung. Erst durch Marys Kommentar wurde mir klar, warum sie so schlechte Laune hatte – wegen Mr. Armstrong und Mr. Redvers. Also bitte, was sollte ich denn da sagen? Ich hatte auf diesem Gebiet auch einiges erlebt und ließ meine Launen nicht an anderen aus. Nach dem Lunch ging ich sofort nach oben, um mich so warm wie möglich anzuziehen, denn ich wollte keine Sekunde länger drinnen bleiben, während es draußen so schneite. Allerdings hoffte ich, nicht in das Vergnügen von Marys Gesellschaft zu kommen.

Lizzy
Ich wartete nicht auf Sybil, so sehr zog es mich nach draußen. Eine Weile lief ich nur strahlend umher, breitete die Arme aus und schaute in den Himmel. Irgendwann wurde ich etwas schwermütig, weil ich auf die blöde Idee kam, dass jetzt wohl der richtige Zeitpunkt wäre, das Jahr revue passieren zu lassen. Ich dachte daran, wie ich im April Jimmy auf der Bank geküsst hatte und natürlich auch was in der Woche im September passiert war. An meine Freundschaft mit Sybil und das zwischen Mary und mir, was man wohl getrost als Feindschaft bezeichnen konnte. Es schien mir richtig, das Jahr jetzt auch auf Downton zu beenden – immerhin hatte hier so viel angefangen.
Irgendwann riss mich Sybils Stimme unsanft aus meinen Gedanken und ich zuckte leicht zusammen, ehe ich mich wieder sammelte und sie grinsend ansah. "Es war wunderbar, noch besser als sonst."