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Edward
Ich hatte Lady Granthams herzliche Art immer gemocht, aber heute war sie mir wirklich zum Verhängnis geworden. Ich setzte mich ebenfalls wieder und nahm etwas missmutig einen Schluck Tee. Auf Marys Provokation ging ich gar nicht erst ein. Was hatte ich denn nur vor einem Monat noch so toll an ihr gefunden? Und das Schlimmste war, dass ich nicht mal mehr Henry hatte und mir somit eine wichtige Person fehlte, wenn es darum ging, über Enttäuschungen hinwegzukommen. Toll gemacht – du hast deinen besten Freund vergrault für eine Frau, die es definitiv nicht wert war.

Lady Mary
Nach einer Weile, in der wir uns nur anschwiegen, nahm ich mir wieder mein Buch. Allerdings konnte ich keinen einzigen Satz bis zum Ende lesen. Seine Anwesenheit war einfach viel zu ablenkend. Ich hatte gedacht, dass ich das richtige getan hatte, indem ich ihn so deutlich abstieß. Komischerweise ging es mir jetzt wirklich nicht gut damit. Es war, als würde seine Wut und Enttäuschung nur allzu deutlich zu mir herüberstrahlen. Zum Glück war es Zeit für den Lunch - Edward würde sich wahrscheinlich prächtig amüsieren. Warum mussten Mama und Papa ausgerechnet heute nicht da sein? Sybil schien von Mama über unseren Gast vorgewarnt zu sein, denn als sie hereinkam begrüßte sie Edward breit lächelnd. "Es ist wirklich die richtige Entscheidung, bei dem Wetter nicht weiterzufahren. Mama muss nur zum Hospital und allein das wird schon eine Herausforderung", redete sie gleich gut gelaunt los. Ich war ihr wirklich dankbar, dass ich so von der Last, mit ihm zu reden, befreit wurde. "Was hatten Sie in London vor?" Ein wenig neugierig hörte ich den beiden zu.

Edward
Ich war wirklich erleichtert, als Lady Sybil zu uns stieß. Ihre fröhliche Art konnten Mary und ich jetzt gut gebrauchen. "Ich möchte einen Freund besuchen, wir haben uns schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen", beantwortete ich ihre Frage lächelnd, nachdem ich sie ebenfalls begrüßt hatte. Mary hatte wieder ihr Buch zur Hand genommen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht wirklich las, denn ihre Augen bewegten sich kaum. Es hätte mich nicht gewundert, würde sie das Buch falsch herum halten. "Wie geht es Lady Edith und Miss Allen?", fragte ich, eher an Lady Sybil als an Mary gewandt, denn die war ja erfahrungsgemäß auf keine der beiden gut zu sprechen. Warum war mir das nicht früher aufgefallen? Ihre vermutlich komplett grundlose Abneigung gegen manche Menschen, zu denen jetzt anscheinend auch ich gehörte. Henry konnte eigentlich froh sein, dass es mit ihm und Mary gar nicht erst so weit gekommen war wie mit uns. Das hatte ihm eine große Enttäuschung erspart.

Lady Sybil
"Dafür haben Sie sich anscheinend das vollkommen falsche Wetter ausgesucht", sagte ich lachend. "Edith wird gleich zu uns kommen, dann können Sie sie selbst fragen. Und mit Miss Allen schreibe ich regelmäßig Briefe - es geht ihr sehr gut" Bis auf die Tatsache, dass sie noch immer vollkommen wütend auf einen gewissen Diener war. "Und wie geht es Ihnen, Mr. Armstrong?", fragte ich dann. Anscheinend musste ich dieses Gespräch ohne Mary führen, die demonstrativ weiter in ihr Buch sah. Dabei dachte ich, dass die Mr. Armstrong mochte - hatte sie nicht mit ihm die ganze Nacht getanzt? Irgendetwas musste vorgefallen sein. Im Moment machte es mir auch nichts aus, mal allein mit einem Mann zu reden, der mich wie einen erwachsenen Menschen behandelte und nicht wie ein halbes Kind.

Lady Edith
Eigentlich hatte ich in Ruhe lesen wollen, aber die Bibliothek war wesentlich zu voll dafür. Sybil unterhielt sich mit – ich musste zweimal hinschauen, so überrascht war ich, ihn aus heiterem Himmel hier zu sehen, auch noch bei diesem Wetter – Edward Armstrong, Henry Redvers' Freund, und selbst, wenn die beiden nicht dagewesen wären, hätte ich auf der Stelle kehrtgemacht, denn Mary saß ebenfalls auf einem der Sofas und hielt sich ein Buch vor das Gesicht. Nanu, vor einem Monat haben sie sich doch noch so gut verstanden und jetzt muss Sybil für Konversation sorgen, während Mary sich versteckt? Ich warf ihr einen verächtlichen Blick zu; vermutlich hatte sie mal wieder einen ihrer Verehrer erfolgreich vergrault. "...hervorragend, danke", sagte dieser gerade, als ich den Raum betrat und schaute dann auf. "Mr. Armstrong, was für eine Überraschung", begrüßte ich ihn lächelnd.

Lady Mary
Ich sah kurz von meinem Buch auf und bemerkte so Ediths Blick nur zu genau. Die Augen verdrehend blätterte ich die Seite um. "Er war auf dem Weg nach London mit dem Auto", erklärte Sybil Edith gerade den Grund für Edwards Aufenthalt. Die Tür öffnete sich wieder und Carson kam herein. "Der Lunch ist serviert, mylady", sagte er und ich legte das Buch weg. Ich ging als erste in den Speisesaal, während sich Sybil noch weiter mit Edward unterhielt. Der eingedeckte Tisch für vier Personen sah wirklich mehr als klein aus - anders als eben konnte ich mich hier schlecht hinter einem Buch verstecken oder mich einem anderen Gesprächspartner zuwenden. "Was haben Sie seit dem Aufenthalt hier gemacht?", fragte Sybil ihn gerade. Ich konnte nicht anders, als ihn direkt anzusehen - denn das interessierte mich auch.

Edward
Kurz darauf wurde der Lunch serviert. Glücklicherweise hielten Lady Sybil und Lady Edith es nicht für unter ihrer Würde, mit mir zu reden, sodass kein erneutes peinliches Schweigen entstand. "Das, was ich immer tue – arbeiten", antwortete ich Lady Sybil lächelnd. Sie würde mich nicht dafür verurteilen und Mary hatte ja ohnehin schon eine schlechte Meinung von mir, also was machte es noch aus, dass sie nun gehört hatte, wie middle class ich wirklich war. "Was arbeiten Sie?", fragte Lady Edith freundlich, während wir uns setzten. Carson, der Butler, machte ein Gesicht, als hieße er es nicht gut, einen arbeitenden Menschen unter diesem Dach zu empfangen. "Ich bin Anwalt", erklärte ich und hoffte, dass dieser Beruf wenigstens als halbwegs anständig betrachtet wurde. Es hätte schließlich schlimmer kommen können – wenn ich an Autos herumschrauben oder Brot verkaufen würde zum Beispiel.

Lady Sybil
Ich lächelte ihn breit an. Wir hatten nicht oft Gäste zu Besuch, die arbeiten gingen. Ich hatte allerdings nicht gewusst, dass auch Mr. Armstrong dazu gehörte - während seines Aufenthalts hatte ich mich nicht weiter mit ihm beschäftigt. Da er Henry Redvers Freund war, hatte ich angenommen, dass auch er einen Titel erben würde und keinem Beruf nachging. "Wo arbeiten Sie?", fragte ich weiter. "Als Anwalt kann man ja quasi überall arbeiten - egal, ob in der Stadt oder auf dem Land" Es müsste bestimmt toll sein, jeden Abend nach einem Arbeitstag nach Hause zu kommen und zu wissen, dass man etwas geschafft hatte. Ich beneidete ihn wirklich. Mary hingegen schaute vor allem in ihre Suppe. Ihre Wangen waren komischerweise ein wenig gerötet - warum war sie nur so komisch? Auch Mr. Armstrong vermied es, sie anzusehen. Ich wechselte einen kurzen Blick mit Edith und sah dann unseren Gast wieder lächelnd an.

Lady Edith
Ein Anwalt, das ist sicher nützlich. "In Derbyshire, aber mir wird die Ruhe auf dem Land oft zu... ruhig", sagte Mr. Armstrong gerade und grinste. Mary hingegen verhielt sich zusehends merkwürdiger, was anscheinend auch Sybil nicht entgangen war, denn wir sahen uns kurz an und ich zog die Augenbrauen hoch. Schadenfroh dachte ich daran, wie selbstsicher sie noch vor einem Monat in Bezug auf Henry Redvers gewesen war. Nun hatte sie es sich anscheinend sogar mit seinem besten Freund aus der Mittelschicht verscherzt. "London tut manchmal wirklich gut", stimmte ich ihm zu.

Lady Mary
Sein Grinsen erinnerte mich an unseren gemeinsamen Nachmittag zurück und ich wandte mich schnell wieder ab. "Was sollen wir heute Abend machen? Mary, hast du Ideen?", fragte Sybil da und riss mich aus meinen Gedanken. "Nicht wirklich, abgesehen von Lesen in der Bibliothek oder einem Rundgang durch das Haus", antwortete ich und zwang mich zu einem Lächeln. "Ich fürchte, wir müssen uns auf einen ruhigen Nachmittag einstellen - hoffentlich wird der dir nicht auch zu ruhig, Edward." Warum konnte ich meinen Mund in solchen Situationen nicht einfach halten? Kurz hoffte ich sogar auf ein Grinsen von Edward - einem Zeichen, dass wir noch immer so viel Spaß haben konnten wie vor einem Monat. Aber die Möglichkeit hatte ich uns grundlegend genommen. Ich hätte nie gedacht, dass Edward so gekränkt sein würde.

Edward
Gerade hatte ich angefangen, ein ganz nettes Gespräch mit Lady Sybil und Lady Edith zu führen, da musste Mary natürlich eine bissige Bemerkung abgeben. Fast konnte man meinen, sie wäre eifersüchtig, weil ich mich mit ihren Schwestern unterhielt. Aber den Gedanken verwarf ich schnell wieder – Lady Mary Crawley war nicht eifersüchtig, sie machte andere eifersüchtig. "Solange hier keine Schafe oder Berge auftauchen, werde ich mich arrangieren können", antwortete ich mit einem erneuten Grinsen. Ich würde ihr nicht den Gefallen tun und auf ihre Provokationen auch noch eingehen, das war nicht meine Art. Sie wollte mich nicht, in Ordnung – deshalb konnten wir doch aber hoffentlich trotzdem zusammen essen, ohne dass gleich der Zweite Weltkrieg ausbrach.

Lady Mary
Sybil lächelte höflich, sah mich aber kurz an. Wir beendeten den Lunch mit höflicher Konversation über London, das Wetter und seinen Aufenthalt letzten Monat. Ich riss mich zusammen, um nur freundlich zuzustimmen und hielt mich sonst zurück. Sybil lenkte Edward in die Bibliothek, während ich absichtlich ein wenig trödelte, um als letzte aus dem Raum zu gehen. Während ich Edward von hinten beobachtete, wie er mit Sybil lachte, versuchte ich mir einzureden, dass es besser so war. Er war nur ein Anwalt und wir waren wirklich zu verschieden. Vor einem Monat hatte ich seinen gesellschaftlichen Staus einfach ausgeblendet, aber auf längere Sicht konnte ich das nicht. Es war also mehr als gut, dass ich ihn jetzt zurückgewiesen hatte. Aber warum fühlte es sich dann so an? "Mary? Kommst du?", rief Sybil und ich ging in die Bibliothek.
Jimmy
"Seine Lordschaft wird erst zum Tee zurück sein, Ihre Ladyschaft vielleicht sogar noch später. James, Sie polieren das Silber für den heutigen Abend - danach können Sie meinetwegen bis zum Tee Freizeit haben. Thomas, haben Sie einen Blick auf die Vordertür? Ich werde mich um den Wein kümmern und will daher nicht gestört werden" Ich hörte Carson nur mit halbem Ohr zu, während ich die leeren Gläser vom Lunch einsammelte. Bis ich das Wort 'Freizeit' hörte. Grinsend sah ich Thomas an, während Carson wieder nach unten verschwand. "Das sollte ein ruhiger Nachmittag werden, nicht wahr? Ich meine, niemand wird bei diesem Wetter herkommen, also haben Sie so gut wie frei", meinte ich zu Thomas. "Und wenn Mr. Carson mit dem Wein beschäftigt ist, noch besser"

Edward
Für den Rest des Lunch führten wir nur recht langweiligen Small Talk und ich fühlte mich mehr denn je wie ein ungebetener Gast. Natürlich hatte ich mir das alles selbst eingebrockt, aber ich hatte auch nicht mit einer derart kühlen Reaktion von Mary gerechnet. Sicher wusste ich, dass sie sich einem Anwalt nicht sofort an den Hals schmeißen würde, aber das vorhin... Machte mich immer noch sprachlos. Ich war immerhin so gut wie verliebt in sie gewesen und nun das... So konnte man sich in Menschen täuschen. Nach dem Lunch führte Lady Sybil mich wieder in die Bibliothek und redete dabei auf mich ein, doch ich hörte ihr nur mit halbem Ohr zu und warf ab und an ein Lachen oder einen zustimmenden Kommentar ein. Ich wollte es zwar nicht, aber gedanklich war ich noch immer bei Mary. Umso mehr zuckte ich zusammen, als Sybil ihre Schwester plötzlich in die Bibliothek rief. Automatisch drehte ich mich ebenfalls zu ihr um und irgendwie wirkte sie nicht viel aufmerksamer als ich. Doch bevor sie noch darüber erschrecken könnte, dass ein titelloser Tölpel wie ich sie, eine Lady, zu lange ansah, wandte ich mich wieder Lady Edith zu, die gerade anmerkte, dass das Wetter den Anschein machte, die Welt gehe gleich unter. Genauso fühlte ich mich tatsächlich auch gerade. Gedankenverloren starrte ich nach draußen.
Thomas
In Gedanken versunken sammelte ich mit Jimmy das Geschirr vom Lunch ein. Carsons Stimme blendete mein müdes Gehirn automatisch aus, bis mein Name fiel. Schnell sah ich Carson unschuldig an und nickte ein "Natürlich, Mr. Carson". Worüber hatte er eigentlich geredet? Als aber auch Jimmy einen ruhigen Nachmittag erwähnte, war ich wieder hellwach. Solche Chancen musste ich schließlich nutzen. "Es sieht ganz danach aus, auch wenn es fast zu schön klingt, um wahr zu sein", grinste ich. Mit beladenen Tabletts gingen wir nach unten, wo schon aus dem Gang Mrs. Patmores laute Stimme zu hören war. "...nd Jimmy versuchen, ah, da kommen sie ja!" Jimmy und ich sahen uns fragend an, während Mrs. Patmore uns ein Marmeladenglas entgegenhielt. "Wir bekommen es einfach nicht auf", erklärte Daisy und warf Jimmy einen ehrfürchtigen Blick zu. Denk gar nicht erst daran! Schnell stellte ich mein Tablett ab, nahm das Glas und versuchte, den Deckel aufzudrehen. So schwer konnte es ja nicht sein, wenn nur Mrs. Patmore und Daisy es nicht geschafft hatten. Aber egal, wie ich drückte und drehte, auch ich bekam das Glas nicht auf. Stirnrunzelnd gab ich es Jimmy.

Lady Mary
Ich setzte mich zu Sybil auf eines der tiefroten Sofas - dass ich dabei ausgerechnet Edward direkt gegenüber saß, konnte ich wohl kaum vermeiden. Ich beteiligte mich sogar am Gespräch meiner Schwestern über ein Unwetter vor ein paar Jahren, bei dem ein großer Baum umgekippt war und dabei fast den Stall getroffen hatte. Vorsichtig sah ich dabei aber zu Edward rüber, der sich abgewandt hatte und aus dem Fenster starrte. Von seinem gut gelaunten, witzigen Charakter war nicht mehr viel übrig. Fast wirkte er wie eine komplett andere Person. Ich seufzte und sah ihn dann eindringlich an. "Edward? Kann ich mit dir allein sprechen?", fragte ich dann und merkte dabei, dass Sybil und Edith kurz mit ihrem Gespräch aufgehört hatten. Aber ich hielt es nicht länger aus. Würden wir jetzt nicht miteinander reden, würden wir es wahrscheinlich nie wieder tun. Ohne eine Antwort von ihm abzuwarten, stand ich auf und ging durch die Tür in die Eingangshalle. Leicht nervös ballte ich meine Hände und entspannte sie dann wieder. Ich drehte mich um und er stand wirklich vor mir. "Ich wusste nicht, dass deine Gefühle so tief waren", fing ich an, meine Stimme wegen meiner Schwestern und der Dienstboten leicht gedämpft.
Jimmy
Grinsend folgte ich Thomas nach unten. Mr. Carsons Definition von 'Freizeit' war oft eine komplett andere als die von mir - auch wenn wir 'frei' hatten mussten wir immer auf Abruf bereit stehen. Aber wenn er sich um den Wein kümmern wollte, hieß das fast schon so etwas wie Narrenfreiheit. Das wollte ich auf jeden Fall nutzen. Während ich das Tablett abstellte, versuchte sich Thomas bereits an dem Marmeladenglas. "Stand back. Let a real man handle it", meinte ich leichthin und nahm ihm das Glas ab. Diese Herausforderung nahm ich nur zu gern an, vor allem, wenn ich damit jemanden beeindrucken konnte. Und wenn es auch nur das Küchenmädchen war. Ich biss die Zähne zusammen und drehte an dem Glas. Erst bewegte es sich nicht, aber ich war hartnäckig. Mit einem 'Klack' ging es schließlich auf und ich grinste breit. "Was habe ich gesagt?", sagte ich grinsend, schloss den Deckel wieder und warf es dann spielerisch hoch. Geschickt wollte ich es auffangen - dabei musste ich aber einen Schritt rückwärts machen und verlor das Gleichgewicht. Instinktiv streckte ich eine Hand aus, um mich abzufangen. Ein stechender Schmerz durchzuckte mich. Mit einem Klirren zersprang auch das Glas auf dem Boden, bespritzte alles mit Marmelade. Sofort sprang ich wieder auf, während Mrs. Patmores hochroter Kopf noch immer auf die Marmelade starrte. "Jetzt sieh dir dieses Chaos, dass du angerichtet hast! Das hast du nun von deiner Angeberei! Aus der Küche mit euch beiden!", schimpfte sie, während Daisy bereits anfing die Scherben aufzusammeln und die Marmelade aufzuwischen. Ich zog schwer atmend meine Livree glatt. "Gut, dass du dir nichts getan hast, Jimmy! Ja, danke", gab ich nur giftig zurück und ging wütend in Richtung Dienstbotenzimmer, bevor Carson noch aus seinem Raum kam und mir den Nachmittag versaute.

Edward
Gerade, als ich meinen Blick vom Fenster ab- und mich wieder dem Gespräch zuwenden wollte, sah ich, dass Mary mir nun genau gegenüber saß. Sofort schaute ich wieder aus dem Fenster und bekam von dem Gespräch nicht mehr viel mit, bis auf einmal mein Name fiel. Etwas verwirrt schaute ich mich um. Mary sah mich auffordernd an und war schon im Begriff, aufzustehen. Frauen! Ich verstand die Welt nicht mehr. Erst ignorierte sie mich, dann wollte sie mich alleine sprechen? "Natürlich", sagte ich schnell und lächelte etwas gezwungen, als ich den Blick sah, den Lady Edith und Lady Sybil sich zuwarfen. Ich ging ihr hinterher in die Eingangshalle und sie blieb kurz vor mir stehen. Fast schon zu nah. Instinktiv ging ich einen Schritt zurück – den Fehler, ihr zu nah zu kommen, hatte ich schon mal gemacht und würde ihn nicht wiederholen. Überrascht sah ich sie an, als sie schließlich auch noch von tiefen Gefühlen redete. Anscheinend hatte sie da etwas falsch verstanden, aber einen Unterschied machte es vermutlich kaum, wie tief meine Gefühle waren. Dennoch wollte ich ehrlich zu ihr sein. "Oh, so tief waren sie eigentlich gar nicht", antwortete ich, ohne mir ebenfalls die Mühe zu machen, leise zu reden und sehr darauf bedacht, in der Vergangenheit zu sprechen. "Ich bin lediglich überrascht und enttäuscht, dass du, wie du selbst schon gesagt hast, anscheinend doch nicht die bist, als die du dich bei meinem letzten Besuch ausgegeben hast. Aber dafür musst du dich ja nicht rechtfertigen." Ich lächelte, während ich den letzten Satz sagte, als würde ich diese Sache doch nicht so schwer nehmen.
Thomas
Tatsächlich schaffte Jimmy es, das Glas aufzumachen. Eigentlich kein Wunder, da vor ihm schon drei Personen daran gedreht und den Deckel gelockert hatten, aber es war einfach niedlich, wie er sich darüber freute. Blöderweise wurde er gleich etwas übermütig. In dem Moment, als er einen Schritt zurücktrat, um das Glas aufzufangen, das er eben in die Luft geworfen hatte, sah ich es kommen: Er krachte auf den Boden und stützte sich unglücklich mit dem Handgelenk ab. Mrs. Patmore ließ sogleich eine Schimpftirade los und Daisy ging nur mit geducktem Kopf die Sauerei aufwischen. Ich mochte es nicht, wenn Menschen den Kopf einzogen – es ließ jeden sofort schwach aussehen. Jimmy flüchtete ins Dienstbotenzimmer und ohne nachzudenken, ging ich hinterher. Er hatte sich sicherlich wehgetan, aber vom Küchenpersonal war deswegen gerade keine Hilfe zu erwarten. Ich setzte mich neben ihn auf einen freien Stuhl. "Lass mal sehen", sagte ich und hob vorsichtig sein Handgelenk, dass er eben noch mit der anderen Hand umfasst hatte, hoch. Seine Haut fühlte sich warm und weich in meiner Hand an und ich konnte nicht anders, als sein Handgelenk kurz festzuhalten und mit dem Daumen darüberzustreichen, wie ich es, um den Schmerz zu lindern, getan hätte, wenn wir... etwas mehr wären als nur Arbeitskollegen. "Ich habe während des Krieges eine Zeit lang im Hospital gearbeitet", erklärte ich und befühlte seine Hand vorsichtig. "Tut das weh? ... Oder das? ... Tut mir leid", sagte ich schnell, als Jimmy das Gesicht verzog. "Scheint nur verstaucht zu sein, du solltest deine Hand ein paar Tage schonen", diagnostizierte ich. "Insofern das hier möglich ist. Ich hole eben Verbandszeug." Mit einem aufmunternden Lächeln stand ich auf, tätschelte kurz seine Schulter und war kaum eine Minute später wieder mit einem Verband da, den ich Jimmy so vorsichtig wie möglich um das verstauchte Handgelenk wickelte. Ich ließ mir dabei mehr Zeit, als nötig war, und tat, als wolle ich nur besonders gründlich sein – eigentlich wollte ich ihn nur so lange wie möglich berühren, dazu hatte ich schließlich nicht oft Gelegenheit.

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