Jimmy
Vollkommen verdattert starrte ich sie an, wie sie tatsächlich ein Stück von mir wegrückte und mich mit einem Gesichtsausdruck ansah, der mir ganz und gar nicht gefiel. Als sie dann auch noch meine Alkoholfahne ansprach, war ich mehr als durcheinander. Ich überging ihre Frage, ob wir uns heute Nacht nur auf Küsse beschränke konnten - wofür war ich denn dann noch hergekommen? - und setzte mich ein wenig aufrechter hin. "Es war nur ein Schluck" Meine Stimme klang genervter, als ich es wollte. Aber das war ich wirklich schon ein wenig, denn ich hatte mir diese Nacht ganz anders vorgestellt. Im Moment bewegten wir uns auf der völlig falschen Bahn, wenn wir noch eine schöne Zeit haben wollten. "Außerdem muss ich mich dafür doch nicht rechtfertigen - du hast doch gestern auch ein Ale getrunken" Ich versuchte ein Grinsen, um uns wieder zu versöhnen, aber anscheinend klappte das nicht. Lizzy blieb noch immer ernst. Gut, ich merkte den Alkohol selbst - aber das hatte ich doch nicht absichtlich gemacht wegen unserer Nacht. "Bist du heute Morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden oder warum bist du so?", fragte ich sie dann. Ich kam mir vor wie im falschen Film.

Jimmy
In der Hoffnung, dass ihre Antwort bedeutete, dass sie sich wieder gefasst hatte, wollte ich so wie in den letzte Nächten weitermachen und küsste sie deswegen - sehr offensiv, ich wollte die verlorene Zeit wieder etwas rausholen. Doch daraus wurde nichts, als sie mich grob wegschob. Ich konnte nichts dagegen tun, als ich tatsächlich seufzte. Aber der Arbeitstag war verdammt lang und anstrengend gewesen und ich hatte mich so darauf gefreut, ihr ein letztes Mal noch so nah wie möglich zu sein. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie eindringlich an. Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass ich ihr ansonsten immer zugehört hatte - egal, wie wenig Lust ich immer darauf gehabt hatte, zu reden anstatt sie zu küssen. Abwartend sah ich sie an. "Soll ich gehen?", fragte ich dann provozierend.

Jimmy
Einen Moment funkelten wir uns beide nur über unsere verschränkten Arme an. Ich hatte wirklich keine Lust auf das Theater, aber welche Wahl hatte ich denn? "Ich höre dir ja zu, Lizzy", sagte ich dann nur betont ruhig und sah sie weiter abwartend an. Mein Kopf war im Moment nicht in der Lage einen plausiblen Grund für ihre Laune zu finden. An mir und meinem Verhalten konnte es nicht liegen, denn heute Morgen hatte sie sich ja noch mit einem Kuss verabschieden lassen. Hatte sie einen schlechten Tag gehabt? Hatte Lady Mary uns auffliegen lassen? Vielleicht sollte ich doch netter zu ihr sein, aber bei solchen Angelegenheiten war ich immer ziemlich dickköpfig. Wie Lizzy anscheinend auch. Außerdem glaubte ich nicht, dass es Lady Mary war. Schließlich hatte sie beim Lunch und Dinner keinen Blick in Lizzys Richtung geworfen. Was konnte es also sein?

Jimmy
Sie rang um Worte und sah mich dabei nicht an. Langsam reichte es mir wirklich - meine Geduldsfaden riss. "Ich habe eine Woche lang meinen Beruf aufs Spiel gesetzt, um jetzt hier in der letzten Nacht von dir so angesehen zu werden? Ich habe in Kauf genommen, dass meine schlechte Arbeit durch meine Müdigkeit auffällt, ich habe meine freie Zeit für dich geopfert, Geld für dich ausgegeben und dich mehr als gut behandelt" Vielleicht war es der Alkohol, vielleicht aber auch nur einfach meine Wut, dass diese letzte Nacht hier in einem Desaster enden würden, vielleicht aber auch meine Müdigkeit. Ich musste es einfach sagen. "Kannst du dir vorstellen, was es für mich heißt, ohne eine Referenz auf er Straße zu stehen? Nein, denn du hast nie in deinem Leben auch nur eine Minute gearbeitet, um leben zu können. Ich habe jede Nacht bei dir meine Zukunft riskiert. Ich bin heute direkt zu dir zu kommen, anstatt den anderen vorzuspielen, dass ich brav in meinem Bett liege! Und jetzt das." Schwer atmend sah ich sie an, meine Haarsträhne bedeckte ein Auge. Wütend strich ich sie zur Seite. Zum Glück hatte ich mich gerade noch dazu bringen können, meine Stimme gedämpft zu halten.

Jimmy
"Anscheinend hast du es doch furchtbar gefunden, wenn du mich jetzt hier so behandelst! Ohne Grund stößt du mich von dir weg und sagst mir, ich solle gefälligst zuhören - was ich die letzte Nächte immer getan habe! Verdammt, ich bin nicht hergekommen, um mit dir endlos lange Diskussionen zu führen! Dass kannst du mit den Lords und Ladies in den Salons und Bibliotheken tun." Mittlerweile sprudelten die Worte nur so aus meinem Mund und ich konnte nichts dagegen tun, um sie aufzuhalten. Ich schob es auf den Alkohol. "Und spiel jetzt hier nicht das verletzliche Mädchen, das es so schwer im Leben hat - nur, weil es sich in der Oberschicht nicht wohlfühlt. Du hast einen Vater, der alles für dich bezahlt, du musstest noch nie auch nur einen Finger rühren, um dir dein nächstes Essen zu verdienen und den ganzen Tag kannst du tun und lassen, was du willst! An deiner Stelle würde mir dieses Leben sehr wohl gefallen!"

Jimmy
Als ich mir den heutigen Abend vorgestellt hatte, hätte ich nie gedacht, dass er einmal so enden würde. "Du fängst doch die Diskussion an! Wie lange sitzen wir schon hier und immer noch nicht hast du mir gesagt, warum du auf einmal so komisch drauf bist! Sag es endlich und ich werde dir auch zuhören. An allen anderen Abenden der letzten Woche hattest du kein Problem damit, dass ich dich mehr als küssen wollte. Was verdammt ist heute anders? Ist dir auf einmal dein Ruf wichtiger, der ruiniert werden würde, wenn die Welt erfährt, dass du etwas mit dem Diener hattest?", zischte ich, um nicht die anderen Menschen auf dieser Etage zu wecken. Meine Müdigkeit war mittlerweile komplett verschwunden - ausgetauscht gegen Wut.

Jimmy
Das konnte sie gerne haben. Ich richtete mich weiter auf und sah sie ein letztes Mal an. Das war also das Ende dieses Abenteuers. Vielleicht war es auch gut so. Auf längere Zeit hätte uns wahrscheinlich irgendjemand erwischt oder Lady Mary hätte unser Geheimnis ausgeplaudert. Ich hatte meinen Spaß gehabt und das war doch die Hauptsache. Ich beugte mich zu ihr vor, damit sie auch jedes Wort verstand. "Gern. Dann gehe ich eben zum nächstbesten Küchenmädchen - das wahrscheinlich schwerer zu haben sein wird als du. Du hast es mir vor einer Woche lächerlich einfach gemacht, dich zu verführen. Es war fast schon langweilig, wie schnell du mir das gegeben hast, was ich wollte"

Jimmy
Ich sah die Hand auf mich zukommen, verstand aber nicht, was es damit auf sich hatte. Erst, als diese mit vollem Tempo meine Wange traf und mich kurz ein stechender Schmerz durchzog, erkannte ich, dass sie mich tatsächlich geschlagen hatte. Das hatte noch nie eine Frau mit mir getan. Ich spürte, wie die Wange anschwoll. Das war dann wohl endgültig der Schlussstrich. Vor Wut kochend stand ich auf, ging mit dem größten Abstand, den ich in dem Zimmer haben konnte, an Lizzy vorbei. "Letzte Nacht hast du dich auch nicht so aufgeführt wie heute", murmelte ich noch - laut genug, dass sie es hören konnte. Dann öffnete ich die Tür und stürmte über die Galerie zur Tür für die Dienstboten. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war. Ich konnte nur hoffen, dass alle bereits schliefen und ich unbeobachtet in Thomas' Zimmer kommen konnte. Wie gerne hätte ich jetzt meinen eigenen Raum gehabt, um meine Wut nicht im Zaum halten zu müssen.