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Lizzy
Als Jimmy den Teller, auf dem bis eben noch mein Essen gelegen hatte, abräumte, nahm ich meine Hand nicht schnell genug vom Tisch und berührte kurz seine. Es war einfach zum Verrücktwerden, wie sehr diese Kleinigkeiten mich durcheinander brachten. Das Dessert konnte ich zum Glück auch allein einnehmen und als er kurz darauf meinen Stuhl vom Tisch wegschob, dachte ich schon, ich hätte diesen wirklichen seltsamen Abend endlich überstanden. Aber fast zeitgleich fing er an, etwas zu sagen und Mr. Carson betrat den Raum. Ich fluchte innerlich, warum musste er auch gerade jetzt hier auftauchen? "Guten Abend", lächelte ich trotzdem höflich und flüchtete schnell durch die Tür, die Jimmy mir jetzt aufhielt, in den Salon. Bald geschafft.
Edward
Ich versuchte vergeblich, Marys Blick zu deuten, als sie mir antwortete, aber sie war so unergründlich wie eh und je. Nicht so Henry, der mich mit unverhohlener Abneigung ansah. Es gefiel mir überhaupt nicht, von meinem ehemals besten Freund so angesehen zu werden, und als sich dann auch Lord Hepsworth davonmachte, fühlte ich mich endgültig verloren – dennoch gab ich mir Mühe, mir das nicht anmerken zu lassen. "Ich habe Lord Hepsworths Bruder in einem wichtigen Prozess vertreten", sagte ich und sah Mary direkt an, "und deshalb hat er mich aus Dankbarkeit eingeladen. Ich nehme an, es überrascht dich, dass er einen Anwalt in seinem Haus duldet."

Jimmy
Unter Carsons Adleraugen räumte ich den Tisch ab und brachte alles nach unten. Anscheinend traute er mir immer noch nicht, aber im Moment war es mir egal. Ich wusste selbst nicht, was in mich gefahren war, als ich Lizzy einfach so angesprochen hatte. Oder was ich eigentlich hatte sagen wollen. "James, servieren Sie Miss Allen noch ein Getränk", wies mich Carson dann an und ich nickte nur. Die gemeinsame Zeit mit ihr war für heute also noch nicht vorbei. Als ich in den Salon kam, saß sie auf einem der Sofas und las ein Buch - es war genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte. Schweigend brachte ich ihr einen Kaffee und sah sie dann kurz an. Theoretisch könnte ich jetzt gehen und für heute Feierabend machen. Aber irgendwas hielt mich noch hier. "Lizzy, ich muss mich bei dir entschuldigen", sprach ich dann endlich aus, was mir schon eben auf der Zunge gelegen hatte und was endlich gesagt werden musste.
Lady Mary
Er machte mich schon wieder wütend. Zwar lag durchaus etwas wahres daran, mich als Snob zu bezeichnen - aber es aus seinem Mund zu hören ließ mich wieder genauso wie damals an diesem verregneten Tag auf Downton reagieren. "Es überrascht mich in keinem Fall, schließlich habe ich dich auch schon auf Downton geduldet", antwortete ich ihm deshalb nur so eisig wie möglich, wobei mir der verwirrte Ausdruck von Miss Sophie Porter keineswegs entging. Wahrscheinlich fragte sie sich gerade, was hier wirklich vor sich ging. Genauso wie Henry. Er war näher zu mir gerückt und trank von Edward abgewandt seinen Drink. Dass Edward mich direkt ansah, machte es nicht gerade besser. Sein Blick ließ mein Herz ein wenig schneller schlagen, was ich mir nicht eingestehen wollte. Unruhig spielte ich mit meiner langen Kette, während wir uns anschwiegen.

Lizzy
Wie ich schon Sybil vorausgesagt hatte, verbrachte ich den Abend nach dem Essen mit Lesen. Es war seltsam, dass ich den Salon ganz für mich hatte, aber die vollkommene Ruhe gefiel mir. Damit war es jedoch schlagartig vorbei, als Jimmy nochmal hereinkam und mir einen Kaffee brachte. Ich bedankte mich und wollte gerade wieder in mein Buch schauen, als er etwas sagte, das mich überrascht zu ihm aufschauen ließ. Er wollte sich tatsächlich entschuldigen. Und ich nahm an, dass es dabei nicht darum ging, dass mein Braten vorhin nicht die richtige Temperatur gehabt hatte. Angestrengt versuchte ich, das Atmen nicht zu vergessen; aber auch nicht, dass ich im Grunde genommen, trotz seiner Rettungsaktion gestern, nach wie vor jeden Grund hatte, sauer auf ihn zu sein. "Das musst du allerdings", sagte ich nur, klopfte aber mit einer Hand auf das Sofa neben mich. Es machte mich wahnsinnig, wenn ich zu ihm aufschauen musste.
Edward
Marys Antwort fiel noch gemeiner aus, als ich es erwartet hatte und ich hatte das Gefühl, dass fast alles, was ich noch vor wenigen Wochen für sie empfunden hatte, auf einmal verschwand. Dennoch taten ihre Worte irgendwie weh. "Dann will ich dich – euch", fügte ich mit Blick zu Henry hinzu, "mal nicht länger zumuten, mich zu dulden. Meine Anwesenheit muss vollkommen unter eurer Würde sein", sagte ich mit gespielter Entschuldigung in der Stimme und ging geradewegs auf die andere Ecke des Salons zu, wo irgendein Lord allein saß, mit dem ich mich schon vorhin unterhalten hatte. Sophie hing nach wie vor an meinem Arm. Mir war mittlerweile wirklich alles egal, der Abend war eh schon gelaufen.

Jimmy
Ich legte das Tablett auf den Beistelltisch und ließ mich dann neben sie auf dieses wirklich weiche Sofa fallen. Das hätte ich definitiv schon früher machen sollen - es war wie Lizzys Bett. Ganz falscher Gedanke, mein Freund. Ich sah sie von der Seite her an - war sie mir wirklich so nah? - und atmete dann tief durch. "Ich habe dich damals nicht so behandelt, wie du es verdient hast und das tut mir leid, Lizzy. Ich war zu dumm zu erkennen, dass du Angst davor hattest, schwanger zu sein", sagte ich dann mit gedämpfter Stimme. Man wusste ja nie, wo sich Carson gerade umhertrieb. Ich entschuldigte mich nicht gern und erkannte so meine Fehler an, aber es ging nicht anders. Ich hatte sie nicht so sehr verletzen wollen, wie ich es diesem Abend getan hatte, aber jetzt konnte ich meine Worte nicht mehr zurücknehmen. Gespannt sah ich sie an, ob sie mir verzeihen würde.
Lady Mary
Ich konnte ihm nur nachsehen. Wieder einmal hatte ich es geschafft, ihn zu vertreiben - wo ich ihn doch eigentlich recht gern bei mir hatte. Zu gern für meinen Geschmack. Henry nahm nur besitzergreifend meinen Arm. "Das müssen wir uns nicht länger anhören. Er war schon immer ein schlechter Verlierer", sagte Henry, während wir wieder in die Eingangshalle gingen. Ich hoffte, dass er nicht damit meinte das er mich gewonnen hatte - denn irgendwie wusste ich ja selber nicht, was ich fühlte. Vor allem, was ich in Bezug auf Edward fühlte. Dabei sollte ich ihn mir wohl besser endgültig aus dem Gedächtnis streichen, da ich es ja geschafft hatte, ihn ein für alle mal zu vertreiben. Ich hatte wirklich nicht so gemein sein wollen, aber wie immer hatte ich meinen Mund nicht halten können. Ich nahm mir einen Drink und trank ihn schnell aus. Ich hatte mich so sehr auf den Abend gefreut und jetzt wollte ich am liebsten nur noch nach Hause.

Lizzy
Jetzt, wo Jimmy seine Entschuldigung endgültig ausgesprochen hatte, war es für meinen Verstand noch viel schwerer, einen Grund zu finden, mich von ihm fernzuhalten – auch, wenn ich natürlich wusste, dass er mich jederzeit wieder verletzen konnte und wir beide Arbeit bzw. Ruf riskierten. Fast wünschte ich mir, er hätte sich nie entschuldigt, Sybil und mich nie gerettet und ich könnte noch sauer auf ihn sein. Aber er hatte beides getan, und jetzt saß er hier viel zu nah neben mir. "Dir wird auch sicher nicht zu langweilig, wenn ich dir jetzt sofort verzeihe?", fragte ich leise, weil ich es einfach nicht lassen konnte, lächelte aber. Ich erwiderte seinen Blick, konnte aber nicht verhindern, dass meine Augen auch immer wieder zu seinen Lippen wanderten. Ich schaffte es gerade noch so, mich mit einem "mein Kaffee wird kalt" von seinem Gesicht abzuwenden und einen Schluck zu trinken, bevor ich ihn womöglich wirklich gleich geküsst hätte.
Edward
Wohin Mary und Henry gingen, sah ich nicht mehr, und es war mir auch egal. Irgendwann saß ich wieder auf einem der Sofas, einen Drink in der Hand und neben mir Sophie, die ununterbrochen redete. Ich nickte und lächelte höflich, hoffte insgeheim aber nur, dass sie einfach aufhören würde zu reden und irgendjemand die Uhr vordrehte. Irgendwann – mein Kopf war schon etwas zugenebelt, was war nur in diesem Drink drin...? – zog sie mich vom Sofa hoch, weil sie irgendeine Freundin suchen wollte. Ich schaffte es gerade noch so, das Glas abzustellen, bevor sie mich in die Eingangshalle zog. Himmel, ich hatte doch nur ein bisschen mit ihr getanzt. Sie schaute sich suchend um und ich ebenfalls – vielleicht sah ich ja jemanden, mit dem ich mich Unterhalten konnte, um Sophie zu entkommen. Doch die einzigen bekannten Gesichter, die ich sah, waren die von Mary und Henry. Genervt verdrehte ich die Augen und lief Sophie nach, die auf einen aufgedreht wirkenden Haufen junger Frauen zuging. Bevor ich beim nächsten Mal eine Dinnereinladung annahm, würde ich mich über die anderen Gäste informieren müssen.

Jimmy
Ein Grinsen bereitete sich auf meinem Gesicht aus. "Bitte vergiss einfach alles, was ich an diesem Abend zu dir gesagt habe. Du bist nämlich das Gegenteil von langweilig", meinte ich dann. Da saß ich nun hier, auf diesem Sofa seiner Lordschaft, viel zu nah an Lizzy und flirtete tatsächlich wieder mit ihr. Was war aus meinen Vorsätzen geblieben, mich von ihr fernzuhalten und sie professionell zu behandeln? Ich hatte im Grunde genommen genau das Gegenteil getan - und mit jeder Minute fiel es mir schwerer, sie nicht wieder näher zu mir zu ziehen und meine Lippen auf ihre zu legen. Zum Glück drehte sie sich da weg und trank einen Schluck ihres Kaffees. Die Uhr auf dem Kamin schlug und ich wusste, dass es jetzt unten das Essen für uns gab. Hin und hergerissen zwischen meinem Verlangen, hier bei Lizzy zu bleiben, stand ich schließlich auf. Bevor sie nur irgendetwas sagen konnte, küsste ich sie flüchtig auf die Wange, nahm dann mein Tablett und ging aus dem Salon. Ich konnte nicht anders, als weiterhin zu grinsen, während ich nach unten ging. Ich hatte einfach nicht widerstehen können, sie wenigstens auf die Wange zu küssen. Ich hatte meine Vorsätze sowieso schon gebrochen - also konnte ich auch gut noch einen Schritt weiter gehen. Denn noch immer faszinierte sie mich - und ich hätte nicht nein gesagt, unsere Woche im September zu wiederholen.
Lady Mary
Ich hatte tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Edward wirkte nämlich wirklich so, als wollte er mich nicht wiedersehen. Und das gefiel mir komischerweise ganz und gar nicht. Natürlich war ich gemein zu ihm gewesen - konnte ich überhaupt nett zu anderen Menschen sein? - aber ich hatte es nie so weit kommen lassen wollen. Ich hörte Henry nur mit halbem Ohr zu und war erleichtert, als er sich dem Sohn von Sir Gregor Hester zuwandte. Denn Edward kreiste immer noch durch meinen Kopf und es fühlte sich einfach so falsch an, dass das hier unsere letzte Begegnung sein würde. Ich entschuldigte mich also bei Henry mit der Ausrede, eine Freundin gesehen zu haben. Ich musste ihn nicht noch unnötig reizen und zeigen, mit wem ich eigentlich reden wollte. Denn am Rande meines Blickfeldes hatte ich Edward erkannt - zu meinem Missfallen immer noch mit seiner kleinen Freundin Miss Sophie, die aufgeregt auf einen Haufen anderer junger Frauen zuging. Edward wollte gerade zu ihr aufschließen, als ich mich ihm in den Weg stellte. "Du musst aufpassen, dass du Miss Sophie nicht ihr Herz brichst. Sie scheint ja Hals über Kopf in dich verliebt zu sein", sagte ich mit einem unsicheren Lächeln.

Lizzy
Natürlich würde ich nichts davon vergessen, aber verziehen hatte ich ihm sofort – wenn ich mich dafür auch nicht leiden konnte. Normalerweise war ich doch nicht so schwach... Der Kaffee ließ mich wieder etwas klarer denken, insofern das in Jimmys Nähe möglich war. Doch als ich meine Tasse wieder wegstellte, passierten plötzlich mehrere Dinge auf einmal – die Uhr schlug, Jimmy stand auf und ehe ich reagieren konnte, hatte er mir schon einen Kuss auf die Wange gegeben. Völlig perplex verharrte ich kurz in der Bewegung, um zu realisieren, was passiert war. Dann fing ich an, wie blöde zu lächeln. Ich sollte eigentlich nicht froh sein über die Wendung, die das hier schon wieder genommen hatte, aber ich war es. Noch immer lächelnd trank ich meinen Kaffee leer und versuchte, zu lesen – aber natürlich war meine Konzentration komplett hinüber. Sogar eine halbe Stunde später, als ich immer noch im Salon saß und endlich anfing, wieder zusammenhängende Sätze zu verstehen, kribbelte die Stelle auf meiner Wange, die Jimmys Lippen berührt hatten, noch.
Edward
Ich hatte wirklich keine Lust auf ein Gespräch mit Sophies Freundinnen – aber als Mary dann plötzlich vor mir stand, wurde mir klar, dass es etwas gab, was ich noch weniger gewollt hatte. Ich verstand die Welt nicht mehr – wo war Henry hin und warum sagte sie nicht mal etwas Gemeines? Eigentlich wollte ich ihr zustimmen und sagen, wie furchtbar ich Sophie fand und mich mit Mary unterhalten, wie wir es im September getan hatten – aber sie hatte zwischenzeitlich einfach zu oft Dinge gesagt und getan, die sie nicht hätte sagen und tun sollen. Trotzdem fiel es mir schwer, ihr so kühl zu antworten, wie ich es tat, denn irgendetwas in ihren Augen wirkte schon anders als vorhin. "Ich glaube, was das Herzen brechen angeht, solltest du niemandem Ratschläge geben", sagte ich nur und ging weiter auf Sophies Freunde zu. Ich hatte es nicht klingen lassen wollen, als hätte sie mein Herz gebrochen – denn das hatte sie nicht, auch, wenn ich sehr enttäuscht war von ihr – aber etwas Besseres war mir auf die Schnelle nicht eingefallen, also musste ich dieses Risiko wohl eingehen.

Lady Mary
Er wollte sich wirklich wieder direkt abwenden, aber ich war stur. Ich packte ihn am Oberarm und ließ ihm so keine andere Wahl. Denn ich war noch lange nicht fertig. "Wenn ich dir mit dem, was ich gesagt habe, das Herz gebrochen habe, dann solltest du den Dingen, die ich sage, keine Bedeutung zukommen lassen", fing ich an und sah ihm dabei tatsächlich in die Augen. Wie oft hatte Papa mir schließlich gesagt, dass ich aufpassen sollte, was aus meinem Mund kam, bevor es noch irgendjemand wirklich glauben würde? Vielleicht hätte ich das Edward sagen sollen. Ich war wirklich schlecht darin, mich zu entschuldigen und so meine eigenen Fehler anzuerkennen. Trotzdem versuchte ich es ihm irgendwie mitzuteilen. Erst jetzt ließ ich seinen Arm los. Ich wusste, dass das hier meine letzte Chance sein würde, bevor Edward Armstrong aus meinem Leben verschwinden wollte. Ich hoffte, dass er meine Verzweiflung, die ich bei dem Gedanken daran spürte, nicht allzu sehr bemerkte, denn so schwach wollte ich ihm gegenüber doch nicht mehr wirken. "Vielleicht solltest du auf dein Herz hören und nicht auf die Worte aus meinem Mund", sagte ich dann zu ihm und konnte den Blick nicht länger halten.

Edward
Ich wollte wieder zu Sophie, aber Mary hielt mich tatsächlich fest. Völlig verwirrt schaute ich sie an, als sie auch noch sagte, ihre Worte hätten keine Bedeutung. Einen Moment lang schauten wir uns an, ehe sie den Blick wieder etwas senkte. Sprachlos über Marys Stimmungsschwankungen strich ich mir durch die Haare. "Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll", sprach ich das einzige aus, was mir gerade durch den Kopf ging. Ich sah Sophie aus dem Augenwinkel winken und hörte meinen Namen. Genervt drehte ich mich so, dass ich mit dem Rücken zu ihr stand. Ich musste jetzt einfach wissen, woran ich war. "Mary – vielleicht solltest du einfach mal aussprechen, was du willst. Oder nicht willst. Die Kommunikation zwischen uns wäre deutlich einfacher, wenn man auf die Worte aus deinem Mund tatsächlich hören könnte", sagte ich und sah sie an, obwohl sie meinem Blick auswich. So wütend ich vorhin noch gewesen war – wenn eine Chance bestand, dass wir diese Angelegenheit klären konnten, wollte ich sie nutzen.

Lady Mary
Ich hob meinen Kopf wieder und sah ihn an. Es dauerte einen Moment, bis ich mir die Worte im Kopf zurecht gelegt hatte. "Ich weiß, dass ich alles ruiniert habe. Aber... ich bin unsicher, was dich betrifft", fing ich an - erst zögernd, aber dann mit fester Stimme. "Ich weiß nicht wirklich, was ich zu dir sagen soll - und dabei kommen mir dann so dumme Worte in den Mund, wie eben. Ich hoffe du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich keine bösen Absichten damit habe. Nicht mehr. An diesem Nachmittag im Oktober hatte ich einfach Angst vor dem, was du sagen könntest. Deswegen habe ich so reagiert. Nicht, weil es mir Spaß macht, dich zu verletzen. Du hast einfach die Gabe, mich immer wieder zu überrumpeln und das ist es, was mich verunsichert" Jetzt hatte ich alles gesagt. Es lag allein an Edward, wie unsere Beziehung jetzt weitergehen würde. Ob es überhaupt weiterhin eine geben würde. Ich sah ihn einfach weiterhin an. In seinen Augen spiegelte sich etwas, das ich als Überraschung oder Verwirrung deutete. Ich war jedenfalls mehr als verwirrt - bezüglich meiner Gefühle zu ihm und der Situation, in der wir gerade steckten.

Edward
Also hatte ich sie überrumpelt. Vielleicht war ich im September wirklich etwas zu direkt gewesen, ohne, dass es mir bewusst war? Immerhin waren wir ziemlich unterschiedliche Umgangsformen gewöhnt. "Ich verstehe", nickte ich langsam und fuhr mir schon wieder durch die Haare. Ich hatte keinen Grund, ihr nicht zu glauben – so ehrlich hatte sie noch nie mit mir geredet, und wenn unsere Situation ihr völlig egal wäre, hätte sie das ja auch nicht tun müssen. Aber sie hatte mir genau gesagt, was sie empfand – wenn ich es auch nicht ganz nachvollziehen konnte. "In einer Sache muss ich dir aber widersprechen", sagte ich und grinste leicht, "du hast noch nicht alles ruiniert." Das klang nämlich viel zu sehr nach Abschied und jetzt, wo ich ein Stück näher daran war, eine Frau wie Mary zu verstehen, konnte ich sie nicht gleich wieder gehen lassen. Ich konnte nur hoffen, dass Henry und sein Erbe nur ein Lückenfüller gewesen waren. Denn auf einen Wettstreit mit meinem ehemals besten Freund hatte ich nur wenig Lust.

Lady Mary
Ich war auf alles gefasst - vor allem aber darauf, dass er einfach gehen würde. Verdient hätte ich es ja. Aber wieder einmal überraschte Edward mich, denn ein Grinsen bereitete sich auf seinem Gesicht aus. Noch hatte ich also nicht alles ruiniert. Er gab mir noch eine Chance. "Dann sollte ich wohl besser lernen, zu schweigen", gab ich mit einem kurzen Lächeln zurück. Oder einfach wie jetzt die Wahrheit zu sagen. Miss Sophie wollte Edward gerade auf die Schulter tippen, um ihn ihren kichernden Freundinnen vorzustellen, aber ich brachte sie mit einem eisigen Blick davon ab. Sie würde mir das hier jetzt nicht verderben. "Ich hoffe, du bist nicht wirklich an ihr interessiert", versuchte ich dann, wieder wie früher mit ihm zu reden, als wir uns so gut verstanden hatten. "Beim Tanzen sahst du nämlich alles andere als glücklich aus" Ich grinste ihn kurz an.

Edward
Amüsiert beobachtete ich, wie Mary Sophie mit ihrem typischen Mary-Blick verkraulte und war ihr dafür eigentlich auch recht dankbar. "Ich drücke es mal so aus", fing ich an, als Sophie offensichtlich sehr enttäuscht wieder davongezogen war, "noch ein Tanz mehr und ich müsste mir jetzt neue Schuhe kaufen." Ich grinste ebenfalls – genau solche Gespräche hatte ich vermisst. "Und du, warst du glücklich beim Tanzen?", forschte ich nach. Ich wollte zwar nicht, dass sie sich wieder überrumpelt fühlte, aber vermutlich verstand sie, dass ich wissen wollte, was zwischen ihr und Henry war. Ein normaler Konkurrent war er nämlich nicht gerade.

Lady Mary
Die Stimmung zwischen uns wurde wieder besser. Schlechter hätte sie ja auch dank mir nicht mehr sein können. Ich lächelte ihn weiter an und fühlte mich dabei so gut wie heute Abend noch nie. Natürlich hatte ich mich gut mit Henry unterhalten, aber seitdem ich Edward gesehen hatte war ich abgelenkt gewesen. "Henry ist mir jedenfalls nicht ständig auf die Füße getreten", antwortete ich ihm, auch wenn er nicht danach gefragt hatte. Er wollte wissen, wie ernst es zwischen Henry und mir war - aber da ich das ja selber nicht wusste, was sollte ich ihm da sagen? Wo wir uns doch eben erst wieder vertragen hatten. "Aber sagen wir es so: Ich hätte glücklicher sein können", fügte ich deshalb noch vage hinzu und lächelte ihn an, während ich mit meiner Halskette spielte. Ich wollte Edward auf keinen Fall eine komplette Abfuhr erteilen. Aber andererseits mochte ich auch Henry. Und da die beiden ihre Rolle als Kontrahenten ja nur allzu ernst nahmen, konnte ich doch einem von ihnen nicht so direkt antworten. Ich lächelte Edward an. Wenn er mir wirklich verziehen hatte und es ernst meinte, konnte er sich ruhig mit Henry messen.

Edward
Diese Antwort genügte mir – dass sie mir nun ihre komplette Gefühlslage zwischen einerseits Henry und ihr und andererseits mir und ihr offenlegte, hatte ich auch nicht erwartet. Ihre Ansprache vorhin war schon untypisch für sie gewesen. Ein paar Meter hinter Mary sah ich, wie Henry durch die Menge auf uns zukam. "Henry sucht dich anscheinend", sagte ich. "Ich gehe dann wohl besser, bevor wir uns deinetwegen noch die Köpfe einschlagen." Ich lächelte, wollte aber wirklich dringend weg – der Abend war gerade so gerettet worden, jetzt musste ich nicht alles wieder schlimmer machen. "Wann sehen wir uns wieder?" Ich hatte sie erst fragen wollen, ob wir uns wiedersehen, mich dann aber doch für diese Variante entschieden. Mein Selbstbewusstsein und meine Direktheit waren immerhin zwei der wenigen Eigenschaften, die ich Henry voraus hatte – wenn schon nicht das Geld.

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