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Sybil
Ohne Erfolg kämmte ich durch meine leicht verknoteten Haare und gab dann auf, bevor ich mich neben Edith setzte. "Mary mag es nur nicht, wenn Mama ihr so eine Aufgabe gibt. Du weißt doch wie stur sie ist", versuchte ich weiterhin - anscheinend genauso erfolglos wie mit meiner Frisur - dass meine beiden Schwestern sich bis morgen vertragen würden.
"Allein schon für dich selber lohnt es sich doch, dass du dir ein schönes Kleid aussuchst", sagte ich dann breit lächelnd. Ich konnte ihre Verbitterung verstehen - trotzdem sollte sie nicht so hart mit sich selbst sein. "Du hast wunderschöne Kleider und wenn du willst, dann helfe ich dir beim Aussuchen. Vielleicht hat Mama auch noch etwas Schmuck für dich" Enthusiastisch stand ich auf und sah Edith an. "Na los. Sir Richard wird es sicher gefallen, wenn du dein schönstes Kleid trägst. Schließlich hat er bestimmt schon lange kein Dinner mehr an der Seite von mehreren Frauen gehabt" Mary würde sicherlich trotzdem einen ihrer nicht gerade netten Kommentare für Edith bereit haben, trotzdem sollte sich Edith meiner Meinung nach nicht verstecken. Und wenn Sir Richard sich über ihr schönes Kleid auch freuen würde, dann umso besser. Die Hauptsache war doch, dass Edith sich wohlfühlte.

Edith
"Das war doch nicht mal eine Aufgabe. Sie soll Sir Richard ja nicht füttern, sie soll sich nur einen Abend lang etwas um ihn kümmern", seufzte ich. Sybils Tatkraft wegen meines Kleids war allerdings ansteckend, auch, wenn ich es nicht gerne zugab. "Na gut", ich stand ebenfalls auf, "aber nur weil du es bist." Und nicht wegen Mary oder Sir Richard. Wenn der einen Abend unter schönen Frauen verbringen wollte, war er bei mir an der falschen Adresse. Nicht, dass mir der Gedanke nicht gefiel, ein Mann könnte sich über mein Kleid freuen, aber es war einfach zu abwegig. Das war Marys Welt, nicht meine. "Und Sir Richard spielt absolut keine Rolle bei der Kleiderauswahl", erinnerte ich Sybil noch, während wir in mein Zimmer gingen. Ich meinte, einen gewissen Unterton in ihrer Stimme herausgehört zu haben. Eigentlich fand ich die Idee aufregend, mir mit dem Hintergedanken an einen Mann ein Kleid auszusuchen, aber ich wollte mir keine Hoffnungen machen und spielte die Situation deswegen herunter. Es war ja auch absurd, wir kannten uns überhaupt nicht.

Sybil
Ich grinste Edith kurz an. Gut, vielleicht hatte ich kurz daran gedacht, dass Sir Richard sich vielleicht besser mit Edith als mit Mary verstehen würde. Schließlich entsprach er in keinster Weise Marys 'Beuteschema' - er war alt, durch seine Verletzung eingeschränkt und vermutlich in ihren Augen mehr als langweilig. Es tat mir leid, es so zu betrachten, aber so war meine Schwester nun einmal. Vielleicht hatte Mama ja auch an Edith gedacht, als sie uns auftrug, sich um Sir Richard zu kümmern. "Wie oft setzt du mich noch neben einen unverheirateten Mann beim Dinner?", hatte Mary sie einmal wütend gefragt. "So oft, wie es eben nötig ist", hatte Mama nur geantwortet und sicherlich ging es ihr auch in dieser Sache darum, ihre Töchter endlich zu verheiraten. Zum Glück war ich bis jetzt nicht wirklich in ihre Schusslinie gekommen. Ich hoffte, dass das auch so blieb.
Also erwähnte ich Sir Richard mit keinem Wort mehr, während wir in Ediths Zimmer ihren Schrank durchgingen und ich sie auf ein rosefarbenes Kleid hinwies. "Das würde doch gut passen", meinte ich lächelnd, schließlich war es schlicht, aber trotzdem hübsch. Ich jedenfalls mochte es. "Wenn du dazu eine von Mamas Ketten trägst, wird es sogar noch etwas aufregender" Fragend sah ich sie an - im Endeffekt war es natürlich ihre Entscheidung und nicht meine.

Edith
"Ja, ich denke, das ist gut", sagte ich etwas abwesend zu Sybils Vorschlag, ein schlichtes rosafarbenes Kleid anzuziehen. Ich hatte nicht viel Ahnung davon, welche Kleider Männer mochten, Sybil ebenso wenig, also beließ ich es einfach bei ihrer Auswahl. Ob Sir Richard sich wohl genauso viele Gedanken über seinen Besuch bei drei unverheirateten jungen Frauen machte wie die jungen Frauen sich über seinen? "Jetzt wählen wir aber noch ein Kleid für dich aus", verkündete ich dann und hängte meines wieder in den Schrank, wo es bis morgen Abend warten musste. "Dass du die Jüngste von uns bist, heißt schließlich nicht, dass du nicht auch umwerfend aussehen wirst." Manchmal hatte ich das Gefühl, dass es Sybil genauso viel zu schaffen machte, dass sie das Nesthäkchen war wie mir, immer in Marys Schatten zu stehen. Ich wollte sie ebenso aufmuntern wie sie mich und war deshalb bei ihrer Kleiderwahl deutlich begeisterter als bei meiner.

Sybil
Im Ende hatte sich Edith - ich hatte ihr die Entscheidung überlassen, da es mir vollkommen egal war - für ein dunkelgrünes Samtkleid entschieden, dass ich jetzt trug. Ich steckte noch eine Brosche an, damit es wenigstens so aussah, als hätte ich mir Gedanken um mein Kleid gemacht. Henry und seine Eltern waren bereits eingetroffen - und natürlich redete er mit Mary allein in einer Ecke des Salons. Anscheinend war ich die letzte und hatte es nicht bemerkt. "Sir Richard wird jede Minute kommen - wie ich gehört habe, fährt er immer selber, trotz seiner Hand", sagte Mama zu Edith und mir und ich lächelte freundlich. Tatsächlich kam wenige Minuten später ein älterer Mann mit schütterem Haar und einer verbundenen Hand in den Salon, der von Thomas als 'Sir Richard Blackwell' angekündigt wurde. Er schien kurz überrascht zu sein, so viele Personen in diesem Raum vorzufinden, sammelte sich aber schnell wieder. Papa begrüßte ihn zuerst, gefolgt von Mama, die uns dann vorstellte. Mary hielt sich geschickt aus der ganzen Sache heraus, indem sie weiterhin in das Gespräch mit Henry vertieft zu sein schien. Sir Richard und Papa fingen derweil ein Gespräch an, während ich neben Edith blieb und ihrem Blick zu ihm folgte.
Sir Richard
Ich wusste nicht, warum ich die Einladung von Lady Grantham angenommen hatte. Es war die erste seit längerer Zeit und ich dachte kurz darüber nach, im letzten Moment abzusagen. Da das aber sehr unhöflich wirken würde, fuhr ich dann dennoch mit meinem neuen Rolls Royce nach Downton Abbey. Ich hatte mich auf ein privates Dinner im kleinen Kreis vorgestellt und war leicht überrascht, als ich im Salon nicht nur Lord Grantham und seine engste Familie, sondern noch weitere Gäste vorfand. Ein wenig verunsicherte mich auch der hohe Anteil an Frauen - wie so oft auf dem Land waren Männer in der Unterzahl. Obwohl meine Frau schon seit mehr als zwei Jahren tot war, wusste ich nicht recht, ob ich bereit war, noch einmal zu heiraten. Ich hatte mich auf ein Leben als alleinstehenden, alten Mann eingerichtet und war recht zufrieden damit. Es war nicht aufregend, aber genug zum Leben. Während ich mit Lord Grantham über allgemeine Ereignisse in Yorkshire redete, hoffte ich, dass ich Lady Grantham nicht enttäuschen würde, wenn ich mich um keine ihrer Töchter bemühte.
Der Butler kam und zusammen gingen wir zum Dinner, bei dem ich neben Lady Mary und Lady Grantham gesetzt wurde. Erste begrüßte mich eher steif und formell, bevor sie sich wieder ihrem anderen Sitzpartner zuwandte, der Lord Redvers Sohn war, wie mir Lord Grantham mitgeteilt hatte. Nur zu dumm, dass es Regeln am Dinnertisch gab und ich wohl oder übel eine Weile mit ihr reden musste. Erfolglos versuchte ich es zuerst mit meinem neuen Auto, dann mit den Herausforderungen der modernen Landwirtschaft und schließlich mit meiner recht großen Bibliothek. Sicher war sie genauso erleichtert wie ich, als wir uns endlich unserem anderen Sitzpartner zuwenden durften.

Edith
Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, dass mir das Dinner vollkommen egal war, war ich am nächsten Tag doch etwas nervös, ohne wirklich zu wissen, warum. Ich zupfte mein Kleid und meine Haare gefühlt stundenlang vor dem Spiegel zurecht. Sybil hatte Recht behalten, Mamas Perlenkette und die dazugehörenden Ohrringe ließen mein Kleid gleich viel besser aussehen. Kurz darauf saß ich schließlich im Salon bei Sybil und Lizzy und begrüßte die meisten Gäste nur halbherzig, weil ich auf Sir Richard wartete. Nach all den Gedanken, die ich mir gestern um ihn gemacht hatte, war meine Neugier mittlerweile riesig. Als Thomas ihn schließlich ankündigte, schnellte mein Kopf sofort zur Tür. Seltsamerweise sah er so ähnlich aus, wie er es in meinem Kopf getan hatte. Er wat tatsächlich nicht mehr der jüngste, sah aber dennoch nicht schlecht aus. Nur seine Nase war etwas größer, als ich sie mir vorgestellt hatte. Ich lächelte sittsam, als er uns vorgestellt wurde – im Gegensatz zu Mary. Bevor ich irgendeine Chance hätte ergreifen können, hatte Papa Sir Richard auch schon in ein Gespräch verwickelt und ich war wieder mit Sybil und Lizzy allein. Dennoch konnte ich meinen Blick kaum von den beiden lassen. Aber auch Lizzy wirkte nicht ganz bei der Sache – ich war also nicht die einzige, die ein Salon voll Männer respekteinflößend fand. Kurz darauf kündete Carson das Dinner an und zu meinem großen Ärger saß natürlich Mary neben Sir Richard. Fast hätte ich die Augen verdreht. Da sie zu ihrer anderen Seite Henry hatte, würde sie ihn, soweit es möglich war, ignorieren.

Sir Richard
Lady Grantham schien das lausige Gespräch mit ihrer ältesten Tochter wieder gutmachen zu wollen. Dabei konnte ich Lady Mary durchaus verstehen. Was war ich schon im Vergleich zu einem Mann in ihrem Alter, der das Leben noch vor sich hatte? Ich hätte die Einladung wirklich nicht annehmen sollen. Zum Glück waren wir mittlerweile schon beim Pudding und danach würde ich mich sicher schnell wieder verabschieden können, ohne zu unhöflich und undankbar zu wirken. Nur das Essen war hier wirklich besser als bei mir zuhause, wo ich doch meistens nur einfache Gerichte bestellte, die ich dann auf einem Tablett in der Bibliothek aß. Lächelnd tat ich mir ordentlich viel von dem wirklich gut aussehenden Pudding auf und fing auch gleich an zu essen. "Großer Gott!", sagte ich dann laut, als der Pudding vor allem nach einem schmeckte - Salz. "Es tut mir furchtbar leid, Lady Grantham. Aber der Pudding ist salzig" Lady Grantham probierte vorsichtig ein bißchen und wandte sich dann an die gesamte Gesellschaft. "Legen Sie bitte alle die Löffel weg, der Pudding ist versalzen. Carson, bringe Sie Früchte, Käse - irgendwas, um den Geschmack zu überdecken. Sir Richard, es tut mir wirklich leid", sagte sie und ich nickte, während ich mir den Mund abwischte und schnell einen Schluck Wein trank. "Es ist alles in Ordnung, Lady Grantham", versuchte ich noch irgendwie, die Stimmung am Tisch wieder zu heben.

Edith
Während des Dinners sank meine Laune wieder. Mary antwortete Sir Richard nur sehr knapp, wenn überhaupt, während ich ihr gegenüber saß und mich liebend gern mit ihm unterhalten hätte. Etwas missmutig starrte ich in meinen Teller, ermahnte mich aber selbst, mich nicht so hängen zu lassen – denn genau das würde Mary wollen und mich in Sir Richards Augen auch nicht attraktiver machen. Attraktiv? Hast du gerade daran gedacht, attraktiv zu sein? Plötzlich ertönte ein seltsames, würgendes Geräusch und ein lautes Husten. Überrascht blickte ich auf, nur um sehen, dass Sir Richard eine etwas dunklere Gesichtsfarbe bekommen hatte und das Gesicht verzerrte, als habe er in eine Zitrone gebissen. Wie sich herausstellte, war dieser Gedanke gar nicht so falsch: Aus irgendeinem Grund war der Pudding versalzen. Mama bat sofort Carson, uns etwas anderes zu bringen, damit nicht auch noch die restlichen Dinnergäste in den Genuss dieses Desserts kamen und entschuldigte sich, aber Mary kicherte bereits wie ein dummes Schulmädchen. Sir Richard, dem die Angelegenheit sichtlich unangenehm war und der natürlich nichts dafür konnte, dass der Pudding misslungen war, tat mir plötzlich furchtbar leid. "Sie müssen uns für sehr unorganisiert halten", sagte ich zu ihm, um klar zu machen, dass der Fehler bei uns lag – auch, wenn es natürlich nicht ganz ernst gemeint war. Erst nachdem ich den Satz zuende gesprochen hatte, wurde mir klar, dass ich ihn zum ersten Mal an diesem Abend direkt angesprochen hatte und plötzlich fing mein Herz an, etwas schneller zu klopfen als gewöhnlich.

Sir Richard
Nach ein paar Schlücken Wein ging es wieder einigermaßen, auch wenn ich jetzt natürlich am liebsten sofort wieder abgereist wäre. Überrascht sah ich auf, als ich eine weibliche Stimme hörte, die ich nicht zuordnen konnte. Lord Granthams mittlere Tochter - Edith, wenn ich mich recht erinnerte - wollte sich allem Anschein nach noch einmal entschuldigen, was wirklich freundlich war. "Aber nicht doch. Solche Dinge passieren eben", antwortete ich ihr mit etwas heiserer Stimme und wagte auch ein Lächeln, bevor ich mein Glas leerte. Eines war sicher, dieser Abend würde auf Downton sicher nicht so schnell vergessen werden. Nur wie immer war ich der Dumme bei der ganzen Geschichte. Der Butler und seine Diener brachten dann recht schnell ein wenig Früchte, sodass ich den unangenehmen Geschmack bald ganz los war und die anderen die Gespräche am Tisch wieder aufgenommen hatten.
Lady Mary
Bei Sir Richards Ausruf war ich tatsächlich zusammengeschreckt, denn mit so etwas hatte ich natürlich nicht gerechnet. Auch wenn er direkt neben mir saß, konnte ich nicht anders als zu lachen. Schnell nahm ich die Serviette, um es irgendwie zu verstecken. Aber sein Gesichtsausdruck war wirklich zu komisch. Es dauerte lange, bis ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte. Henry neben mir grinste auch noch etwas, versteckte es aber hinter seinem Weinglas. "Ich möchte jetzt nicht in der Haut von Mrs. Patmores Küchenmädchen stecken", sagte Papa noch. "Arme Daisy. Vielleicht sollten wir eine Rettungsmannschaft in die Küche schicken", antwortete Sybil und lockerte damit etwas die Stimmung. Ich kicherte noch immer leise mit von Sir Richard weggedrehtem Kopf, als Edith ihn ansprach und er sie lächelnd ansah. Es war typisch, dass sich Edith in so einer Situation wieder aufspielen musste.

Edith
Ich erwiderte Sir Richards Lächeln kurz, bis ich spürte, dass meine Wangen vermutlich ziemlich rot geworden waren. Schnell nahm ich einen Schluck Wein, um mich hinter meinem Glas verstecken zu können und hielt mich für den Rest des Dinners im Hintergrund, aber trotzdem verspürte ich einen gewissen Triumph. Mary hatte sich kindisch und lächerlich verhalten, ich hingegen hatte richtig reagiert. Das ließ sich nicht abstreiten. Vielleicht lag es an diesem Hochgefühl, dass ich, als wir nach dem Dinner im Salon waren, auf Sir Richard zuging. "Ich hoffe, Sie werden nun nicht für den Rest Ihres Leben keinen Pudding mehr essen wollen", sagte ich und lächelte wieder, was mir in seiner Gegenwart komischerweise nicht schwer fiel – bei Mary beispielsweise war das hin und wieder etwas schwierig.
Lizzy
Es war zu erwarten gewesen, dass Mary Henry heute Abend ganz für sich einnehmen würde. Aber nun schien sich Edith auch noch überraschend gut mit einem gewissen Sir Richard Blackwell, der ihr Vater sein könnte, zu verstehen. Ich fühlte mich seltsam alt und – naja, unverheiratet. Ich schaute kein einziges Mal zu Jimmy, sondern hielt mich an Sybil. Aber immer, wenn ich mir sagte, dass sie genauso unverheiratet war wie ich und ich deshalb in ihr eine Verbündete hatte, fiel mir wieder ein, dass sie viel jünger war als ich und nicht seit Monaten einen Affäre mit dem Mann hatte, der ihr gerade Drinks – bei denen ich mich nicht gerade zurückhielt – servierte. "Hört dieser Abend denn nie auf?", murmelte ich irgendwann in ihre Richtung und nahm einen weiteren Schluck. Warum waren nur alle so gut gelaunt heute?

Sir Richard
Nach diesem Zwischenfall mit dem Pudding blieb ich vorsichtiger und aß nicht viel von den Früchten. Zum Glück ging es danach auch schnell in den Salon. Ich hatte mir gerade einen Drink geben lassen und dachte darüber nach, dass ich danach doch wohl fahren könnte, als Lady Edith auf mich zukam. Ich erwiderte ihr Lächeln und war erstaunt, dass sie auf mich zukam. Schließlich war ich mindestens 25 Jahre älter als sie und in ihren Augen wahrscheinlich so spannend wie ein Putzeimer. Aber sie überraschte mich. "Ich habe schon schlimmeres erlebt", antwortete ich ihr. "Außerdem war der Rest des Dinners so gut, dass ich über den Pudding gerne hinwegsehen kann" Ich wagte ein kurzes Lachen, in das sie zu meiner großen Verblüffung sofort einstieg. So etwas hatte ich schon lange nicht mehr erlebt und ich konnte nicht bestreiten, dass es mich wieder ein wenig lebendiger fühlen ließ. Ich hatte wirklich Spaß mit Lady Edith. "Das Kleid steht Ihnen übrigens ausgesprochen gut", fügte ich deswegen gleich hinzu und hoffte, dass ich die Situation nicht völlig falsch interpretiert hatte und sie gleich wieder weggehen würde.
Sybil
Mama hatte zwar gesagt, dass wir erst morgen früh nach Mrs. Patmore und Daisy sehen sollten, aber ich dachte ernsthaft darüber nach, nicht doch gleich noch in die Küche zu gehen. Bestimmt herrschte dort das Chaos. Ein solcher Fauxpas war bei Mrs. Patmores Essen noch nie passiert und ich hatte wirklich das ungute Gefühl, dass Daisy die ganze Schuld zugeschoben bekommen würde. Irgendwann sagte ich mir, dass es vielleicht wirklich besser war, wenn wir alle eine Nacht darüber geschlafen hätten. Ich konnte ein Grinsen nur schwer unterdrücken, als ich Edith direkt neben Sir Richard sah - und die beiden sich dem Anschein nach mehr als gut unterhielten. Nachher würde sie mir noch danken, dass ich ihr zu einem etwas anderen Kleid geraten hatte, das ihr gut stand. Im Gegensatz zu Edith schien Lizzy dagegen mehr als schlecht gelaunt zu sein. Jimmy kam erschreckend oft mit einem starken Getränk zu ihr, während ich nur langsam meinen Kaffee trank. Mitleidig sah ich sie an. "Du weißt doch - zur Not klappt immer die Ausrede mit den Kopfschmerzen, wenn du es nicht mehr aushältst", antwortete ich ihr leise und grinste dann.

Edith
Ich war wirklich nervös gewesen, denn ich sprach nicht oft Männer an – aber als Sir Richard lachte, fiel sämtliche Anspannung von mir ab und ich lachte mit ihm. Er hatte wirklich schöne, grau-blaue Augen, auch, wenn ich mich für den Gedanken selbst schalt. Aber wozu hatte Mama ihn schon eingeladen, wenn nicht, um ihn mit ihren Töchtern bekannt zu machen? Als er mir schließlich auch noch ein Kompliment zu meinem Kleid machte, wurde mein Lächeln nur noch breiter. Natürlich könnte er es aus reiner Höflichkeit gesagt haben – aber irgendetwas sagte mir, dass er es ernst meinte. "Oh – vielen Dank!", antwortete ich ehrlich überrascht. Also hatte sich das Suchen doch gelohnt! Ich würde nie mehr die Macht eines sorgfältig ausgewählten Kleides unterschätzen. Oder die eines versalzenen Puddings.
Lizzy
Ich folgte Sybils Blick zu Edith und Sir Richard. Ich wollte mich ja für sie freuen, aber gleichzeitig wollte ich auch einfach nur in Selbstmitleid versinken wegen meiner eigenen, missliche Lage. "Wenn das so weiter geht", sagte ich und leerte das nächste Glas, "sind die Kopfschmerzen bald keine Ausrede mehr." Meine Zunge fühlte sich bereits etwas schwerer an als gewohnt und mein Kopf leichter. Ich taxierte das Tablett in Jimmys Händen, überlegte, ob ich mir noch ein Gläschen genehmigen sollte und lobte mich in Gedanken selbst dafür, dass ich den Alkohol mehr beachtete als Jimmy. "Sybil, findest du es sehr schlimm, mit 23 noch nicht verheiratet zu sein?", fragte ich und sah sie an. "Ich glaube, ich bekomme bald graue Haare und dann ist es endgültig zu spät." Wieder schaute ich sehnsüchtig abwechselnd zu den Gläsern mit den Drinks und zu Edith und Sir Richard.

Sir Richard
Mein Lächeln wurde noch ein wenig breiter und das hieß schon etwas. Wann hatte ich sonst die Gelegenheit in meinem Alltag über etwas zu lachen? "Natürlich wird Ihnen das jeder junge Mann sagen, der Augen im Kopf hat", redete ich weiter und stellte meinen Drink ab. Mein Wunsch zu gehen hatte sich mit einem Mal aufgelöst. "Interessieren Sie sich sehr für Mode und Kleider? Ich möchte Sie nicht mit meinem lächerlichen Gerede über Landwirtschaft, meine Autos oder Bücher langweilen - Ihre Schwester hat da schon genug abbekommen" Ich meinte es als Scherz, aber natürlich stimmte es. Lady Mary schien nur zu erleichtert zu sein, mich nicht mehr in ihrer Nähe zu haben. Weswegen es mich umso mehr überraschte, dass Lady Edith sich noch so angeregt mit mir unterhielt. Schließlich musste ich auf sie doch genauso langweilig und verschroben wirken wie auf ihre Schwester. Oder etwa nicht? Ich hatte dieses Gefühl schon lange nicht mehr gehabt - aber ich hoffte wirklich, dass sie mich mochte.
Sybil
Ich stellte meinen Kaffee ab, denn Lizzy brauchte anscheinend etwas mehr Zuspruch. Redete sie nur so wegen ihrer vielen Drinks oder dachte sie tatsächlich so? "Am besten trinkst du jetzt ein Wasser", sagte ich ernst zu ihr, denn ihr Blick zu den alkoholischen Getränken war mir nicht entgangen. Morgen würde sie wohlmöglich noch einen ordentlichen Kater bekommen. "Und natürlich ist es nicht schlimm, dass du nicht verheiratest bist!", sagte ich entrüstet, dass sie so dachte. "Du hast dein ganzes Leben doch noch vor dir. Und fang jetzt bloß nicht davon an, dass eine Frau einen Mann an ihrer Seite braucht. Du weißt, dass ich bei diesem Thema schnell wütend werden kann" Ich grinste kurz, um sie von ihrer doch düsteren Stimmung abzulenken. "Ich meine es ernst, Lizzy. Du musst dir keine Sorgen machen. Wie Mama jetzt sagen würde: Morgen früh sieht die Welt schon ganz anders aus" Ich glaubte wirklich, dass sie am besten gleich ins Bett ging und die Nacht durchschlief. Ansonsten würde Jimmy sie doch noch daran erinnern, dass sie im Moment ziemlich weit von einer wohlgesitteten Ehe entfernt war. Mitfühlend strich ich ihr über den Arm.

Edith
Dann bin ich vermutlich noch nicht vielen Männern mit Augen im Kopf begegnet, dachte ich, sprach es aber natürlich nicht laut aus. Dennoch – es war wunderbar, so umworben zu werden. Jetzt konnte ich gut verstehen, weshalb Mary ständig Aufmerksamkeit von Männern brauchte. "Ich fürchte, ich habe nicht so viel Interesse an Mode und Kleidern wie ich es haben sollte. Zumindest nicht genug, um darüber ausführliche Gespräche zu führen", antwortete ich und lächelte entschuldigend. "Aber ich habe während des Krieges von unserem Chauffeur Auto fahren gelernt und einem unserer Bauern auf seinem Hof geholfen", redete ich begeistert weiter. Der Gedanke an John Drake war schon viel weniger schmerzhaft, als noch vor einigen Monaten. Ich konnte kaum glauben, dass Sir Richard und ich auch noch ähnliche Interessen hatten – es war fast zu schön um wahr zu sein. Am liebsten hätte ich auf der Stelle, mitten im Salon, ein Rad geschlagen.
Lizzy
Sybil war wieder so rührend nett zu mir, dass es mir fast schon leid tat, ihr mit meiner schlechten Laune den Abend zu verderben. "Wasser ist für Anfängerinnen", verkündete ich mit einem Blick zu Mary und hoffte, nicht zu laut gesprochen zu haben. Schnell rief ich mir ins Gedächtnis, dass ich mich nicht mit meinen Freunden in einem Pub befand, sondern im Salon von Downton Abbey. "Ich denke nicht, dass eine Frau einen Mann an ihrer Seite braucht", entrüstete ich mich, "aber die Gesellschaft. Wenn ich mit fast 30 noch unverheiratet bin, muss doch jeder Mann denken, ich hätte einen ansteckenden Hautausschlag oder etwas Derartiges." Dieser Gedanke war so schrecklich, dass ich mir noch einen Drink nahm. "Der letzte, versprochen", sagte ich mit Seitenblick zu Sybil. "Und Cora würde sagen, dass sie jetzt sofort sämtliche unverheiratete Männer des Countys einladen wird, um einen für mich zu finden." Immerhin fand sie, dass es für Mary Zeit wurde, zu heiraten – dabei war die noch jünger als ich. Und morgen früh wird entweder Jimmy in meinem Bett liegen, oder es wird es nicht tun, und ich weiß nicht, in welchem Fall ich mich schlechter fühlen würde.

Sir Richard
Ich hoffte, dass sie nicht sah, wie erstaunt ich wieder einmal an diesem Abend war. Wie oft traf man schließlich schon eine junge, gutaussehende Frau, die außerdem noch Auto fahren konnte? Ich musste mich bremsen, um sie nicht ohne Punkt und Komma über mein neues Auto zu unterrichten. Ich wollte Lady Edith schließlich nicht vergraulen. "Wirklich? Wie erstaunlich! Wissen Sie, ich fahre immer selbst - auch, naja" Ich hielt kurz meinen Arm hoch. "Seit kurzem habe ich ein neues Auto, einen Rolls Royce. Wenn Sie wollen, können Sie sich ihn gerne ansehen. Und wir könnten eine Fahrt damit machen - natürlich nur, wenn sie wollen" Ich setzte alles auf eine Karte und bereitete mich innerlich schon auf eine Absage vor. So viel Glück konnte ich nämlich gar nicht an einem Abend haben, dass ich eine Frau wie Lady Edith traf, die dann sogar noch eine Runde mit mir in meinem Auto drehen wollte. Auch wenn es natürlich mehr als schön sein würde. Wie es schien, hatte ich endlich jemanden gefunden, der mich nicht unendlich langweilig fand.
Sybil
Unschlüssig sah ich Lizzy zu, wie sie ihren letzten Drink des Abends trank. "Dann ist es wohl Zeit, dass sich die Gesellschaft gehörig ändert", meinte ich ernst und sah sie an. "Bring Mama bloß nicht auf eine solche Idee, sonst stehen morgen Abend mehrere Sir Richards und Henrys vor der Tür. Sie wird heute Nacht jedenfalls gut schlafen können, schließlich stehen Edith und Sir Richard schon den ganzen Abend nebeneinander" Ich würde morgen ausgiebig mit Edith sprechen, das war klar. Anscheinend mochte sie Sir Richard doch lieber, als sie es gestern für möglich gehalten hatte. Hoffentlich würde Mama ihre Energie jetzt nicht komplett auf mich verwenden, wo Mary doch so gut wie mit Henry verlobt war und Edith und Sir Richard nichts anderes als den anderen mehr wahrnahmen. Dann würde ich wohl die Drinks brauchen wie Lizzy heute Abend. "Und jetzt hörst du auf mit deinen negativen Gedanken. Geh ins Bett, Lizzy" Ich lächelte sie breit an.

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