#1546

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 07.01.2018 15:57
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Edward
Hatte ich gesagt, Henry sei naiv? Ich hatte untertrieben. Es war absolut blind vor Liebe – egal, wie es nun wirklich um Miss Allens Gefühle bestellt war. Er dachte nicht nur eine Sekunde daran, dass sie es nicht ernst meinen könnte. Ich wollte ihm widersprechen, dass ich sie ja eigentlich wenigstens etwas kannte, aber da meine eigene Einschätzung ihres Charakters eher bestätigen würde, dass sie es ernst meinte, tat das nichts zur Sache. "Na gut", sagte ich schließlich etwas zögerlich und versuchte, ihn anzulächeln. "Ich bin mir sicher, du kannst sie besser einschätzen als ich, und wenn es so ist, wie du sagst, dann freue ich mich von Herzen für euch. Ich wollte nur, dass du dir über die... Gesamtsituation im Klaren bist." Ich stand wieder auf. "Lass es mich wissen, wenn ihr Hilfe bei den Hochzeitsvorbereitungen braucht." Oder einen Anwalt. Ich sah mich nach Mary um und da sie noch keinen neuen Gesprächspartner gefunden hatte, beschloss ich, dass ich ihr auch gleich berichten konnte, was Henry über Miss Allen dachte. "Ich gehe besser zu Mary zurück, bis später", lächelte ich und nahm wieder meinen Platz neben ihr ein. "Er ist sich absolut sicher, dass sie ihn liebt", seufzte ich. "Ein Musterbeispiel wenn es um die berühmte rosarote Brille geht." Dankbar ließ ich mir noch etwas Wein einschenken. "Aber ich habe ihn gewarnt, mehr werde ich nicht tun. Das wäre nicht fair gegenüber Miss Allen, genau kennen wir ihre Absichten ja nicht." Auch, wenn es ein recht großer Zufall zu sein schien, dass sie sich nach der Pleite ihres Vaters plötzlich für Henry interessierte. Ich hoffe wirklich, dass sie ihm nicht das Herz brechen würde.

Lizzy
Ich stand sofort auf und ging zu Henry zurück, als Mr. Armstrong endlich wieder zu Mary zurück gegangen war. Es wunderte mich genauso wie alle anderen, dass die beiden sich plötzlich wieder so gut verstanden, aber ich hatte andere Dinge im Kopf. "Ich habe mir überlegt", sagte ich lächelnd, als ich meinen Platz neben Henry wieder einnahm, "dass wir für den Tischschmuck nicht nur weiße Blumen nehmen sollten. Es könnte etwas trist aussehen. Wie wäre es mit etwas Lila oder Blau?" Auf keinen Fall sollte er mir anmerken, dass ich mich gerade wieder recht heftig mit Sybil gestritten hatte. Was war aber auch in sie gefahren? Ich war doch unglücklich, nicht sie. Anscheinend hatte ich mich komplett in ihr getäuscht, als ich dachte, sie sei eine gute Freundin.

Tom
Lady Sybil schien absolut nicht über ihr Problem reden zu wollen, und ich versuchte, es nicht persönlich zu nehmen. Da es generell mehr als ungewöhnlich war für Mitglieder der Familie, mit den Angestellten über ihre privaten Probleme zu reden – wenn man von wenigen Ausnahmen absah, wie zum Beispiel Lady Mary und Carson. Jimmy hatte mir berichtet, dass die beiden sich sehr gut verstanden und ich hatte es sofort geglaubt, so versnobt, wie Carson war. Wenigstens hatte ich sie mit der Zeitung anscheinend wirklich aufgeheitert. "Sehr gerne, mylady", lächelte ich und widmete mich wieder dem Rest meiner Zeitung. Die meisten Frauen ihrer Herkunft hätten sich vermutlich eher mit Schmuck trösten lassen oder mindestens einem Blumenstrauß. Aber Lady Sybil fand ihr Lächeln über einem politischen Zeitungsartikel wieder.

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#1547

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 07.01.2018 17:17
von Rikki • 1.675 Beiträge

Lady Mary
Edwards Gesichtsausdruck sagte schon alles. "Ich hatte nichts anderes erwartet", stimmte ich ihm bei der Einschätzung zu, dass Henry eine rosarote Brille trug. Unauffällig sah ich zu ihm herüber, wie er wieder mit Elizabeth redete und dabei strahlte, als wäre sie der großartigste Mensch auf der Welt - was sie in seinen Augen sicher war. "Jedenfalls kannst du ihm jetzt sagen, dass du ihn gewarnt hast, sollte sie morgen die Verlobung lösen" Ich lächelte ihn an, bestand dafür eine große Wahrscheinlichkeit. Aber mir sollte es egal sein. "Es ist zu schade, dass wir ihre Absichten nicht genau kennen, aber ich kann es erahnen. Sie redet seit einer Woche kein Wort mehr mit meiner Schwester, wobei sie die ganze Zeit davor beste Freundinnen gewesen waren. Ich bin mir sicher, dass sie nur das Geld will und den Titel" Ich trank einen Schluck Wein und sah Edward dann an. "Fährst du heute Abend wieder nach London zurück oder bleibst du noch etwas in Yorkshire?", änderte ich dann das Thema, mehr war zu Henry und Elizabeth ja nicht zu sagen.

Henry
Ich war mir über die Gesamtsituation vollkommen klar. Elizabeth hatte kein Geld und ihre Eltern auch keinen besonderen gesellschaftlichen Status, aber das zählte doch alles nichts. Wir liebten uns. Und dass sie meine Liebe erwiderte, war das größte Geschenk auf Erden. Dementsprechend strahlend lächelte ich sie an, als sie sich wieder neben mich setzte. "Du hast Recht, es soll ja nicht trist aussehen - schließlich ist es eine Hochzeit und keine Trauerfeier. Am besten sprichst du mit Mama darüber, welche Blumen in Blüte stehen, wenn wir heiraten. Dann können wir unsere eigenen nehmen, was noch viel schöner ist", antwortete ich ihr. Obwohl es noch etwas hin war bis zur Hochzeit musste bereits jetzt jedes kleinste Detail besprochen werden. Ich wusste, dass Elizabeth sich schon um ihr Kleid kümmerte. In der nächsten Woche würde ich nach London fahren, um meinen Anzug schneidern zu lassen. "Dein Brautstrauß kann auch aus Blumen von Campbelton bestehen, unser Gärtner wird dir etwas wunderschönes zusammenstellen", fügte ich dann noch hinzu.

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#1548

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 07.01.2018 17:57
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Edward
Ich fragte mich, ob Marys Einschätzung von Miss Allen objektiv genug war, um das beurteilen zu können, beließ es aber dabei. Tatsache war, dass niemand außer Miss Allen selbst ihre Absichten kennen konnte. Wir konnten nur das Beste für Henry hoffen. Ich war froh, als Mary das Thema zu etwas Erfreulicherem wechselte. "Ich fürchte, ich muss heute schon zurück, ja", antwortete ich und leerte mein Glas. "Die Arbeit ruft. Aber wenn es eine Hochzeit zwischen Miss Allen und Henry geben wird, dürften wir uns recht bald wiedersehen."

Lizzy
Ich bereute sofort, von der Hochzeit angefangen zu haben, denn Henry war gleich nicht mehr zu stoppen. Ich hatte plötzlich das dringende Gefühl, flüchten zu müssen. "Ja, das werden wir dann alles sehen", wich ich aus. "Entschuldige mich, ich glaube, ich habe gerade eine alte Freundin gesehen", log ich und verschwand in der Menge. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ich keine Energie mehr hatte, Henry die glückliche Verlobte vorzuspielen. Irgendwann würde ich ihm noch aus meiner Impulsivität heraus ins Gesicht sagen, wie wenig Lust ich hatte, ihn zu heiraten. Aber dann würde ich mehr oder weniger auf der Straße sitzen, also musste ich mich zusammenreißen. Wenn ich erstmal Abstand zu Sybil und Jimmy bekommen hatte, wü- "Verzeihung, Miss!" Ich hielt gerade noch meinen Hut fest, bevor er mir vom Kopf rutschen konnte und rieb mir die Stirn. "Können Sie nicht aufpassen?", fuhr ich den jungen Mann an, in den ich soeben hinein gerannt war. "Ich sagte doch, es tut mir leid", wiederholte er zerknirscht, während er ein paar Flyer vom Boden aufhob. Ich musterte ihn – er war etwas seltsam gekleidet mit seinem roten Frack, schien aber deutlich jünger zu sein als ich und sah eigentlich ganz nett aus mit seinen rotbraunen Haaren, die unordentlich unter seiner Mütze hervorschauten und den Sommersprossen. Da doch eine ziemliche Menge an Flyern von dem Stapel in seiner Hand geflattert war, half ich ihm schnell, sie aufzusammeln. "Hamlet", las ich vor. "Zum ersten Mal im Shaftesbury Theatre. Sie sind vom Theater?" Wir hatten mittlerweile alle Flyer aufgesammelt und er nickte eifrig. "Darf ich Ihnen einen geben? Oder mehrere?" Er hielt mir ein paar Flyer hin und ich nahm sie geistesgegenwärtig, in Gedanken bei meinem letzten Theaterbesuch mit den Crawleys, der mir so gut gefallen hatte. Wie anders damals noch alles gewesen war... "Ja, ja das dürfen sie", murmelte ich und lächelte bei der Erinnerung. "Wenn ich das sagen darf, Miss, Sie sehen aus, als gebe es nicht Traurigeres als Theater für Sie. Dann ist Hamlet vielleicht wirklich nicht das Richtige. Aber als nächstes soll eine Komödie aufgeführt werden, hab' ich gehört, und..." Er wirkte so beflissen, ich musste einfach lächeln. "Das ist sehr umsichtig von Ihnen, aber ich fürchte, kein Theaterstück der Welt wird mir dabei helfen, meinen Verlobten loszuwerden." Der Theatermann lächelte ebenfalls. "Nein Miss, das wird es wohl nicht. Aber etwas Ablenkung tut manchmal ganz gut. Eine unserer Schauspielerinnen, sie spielt jetzt Königin Gertrude, kam nach einer gescheiterten Ehe zum Theater und jetzt sehen Sie, wie weit sie es geschafft hat. Sie ist übrigens mehr als über den Mann hinweggekommen." Anscheinend nahm er seine Aufgabe, die Besucher des Pferderennens zum Theater zu konvertieren, sehr ernst. Ich musste einfach lachen, wenn auch nur kurz. "Da beneide ich sie. Aber ich fürchte, ich habe kein Schauspieltalent und ich möchte das Theater nicht in den Ruin treiben." Der Mann grinste wieder. "Oh, Sie könnten auch in der Garderobe helfen, Kostüme nähen oder Tee ausschenken. Es gibt immer etwas zu tun. Aber ich hoffe, Ihr Zukünftiger wird Sie nicht derart in Verzweiflung stürzen. Ich bin übrigens Charlie Fawcett, Junge für alles am Shaftesbury Theatre." Er machte eine angedeutete Verbeugung und diesmal war es an seiner Mütze, gefährlich zu rutschen. "Freut mich sehr, Charlie. Ich bin Lizzy Allen. Also – noch bin ich das", korrigierte ich mich. "Ich fürchte, ich muss zurück zu meiner Familie, bevor sie denken, ich habe mir ein Pferd geschnappt und bin abgehauen. Aber ich werde sehen, ob ich nicht doch zur Vorstellung kommen kann. Eigentlich sollte eine Tragödie gerade genau das Richtige für mich sein", sagte ich und hielt die Flyer in meiner Hand hoch. "Es würde mich sehr freuen, Miss. Auf Wiedersehen!" Ich nickte Charlie nochmal lächelnd zu und ging dann, etwas besser gelaunt, zu den anderen zurück. "Lizzy, da bist du ja!", empfing mich Edith. "Wir fahren wieder zurück."

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#1549

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 08.01.2018 17:55
von Rikki • 1.675 Beiträge

[...]

Sybil
Es war ein netter Besuch bei Granny gewesen und doch ließ mich das Gefühl nicht los, dass sie mir etwas verschwieg. Oder auf etwas hinauswollte, was ich nicht ganz verstand. Wir hatten über Marys Beziehung zu Edward Armstrong gesprochen und über Ediths zu Sir Richard Blackwell. Dann hatte sie mich nach meinen Ausflügen nach Ripon gefragt und mir dabei einen so komischen Blick zugeworfen, dass ich noch immer darüber nachdenken wollte. Wahrscheinlich sah ich mehr als eigentlich da war, aber Granny konnte manchmal wirklich mysteriös sein.
Die Hochzeit von Lizzy hatten wir gepflegt außen vor gelassen. Was wahrscheinlich besser war, denn noch immer wurde ich immer sofort wütend und traurig, wenn darüber geredet wurde - was relativ häufig vorkam, jetzt wo der Termin immer näher rückte. Nach dem Pferderennen, indem wir uns wieder gestritten hatten, hatte ich fast die ganze Nacht wachgelegen und hatte nachgedacht. Ich verstand ihre Position, konnte meine eigene aber nicht aufgeben. Lizzy handelte nicht wie sie selbst, indem sie Henry die verliebte Verlobte vorgaukelte. Ich wollte doch nur ihr bestes. Und hatte sie nicht oft genug gesagt, dass sie ein einfacheres Leben wollte? Dass ihr gesellschaftlicher Status nicht viel bedeutete? Mir gegenüber hatte sie Mary jedenfalls mehr als einmal einen Snob genannt - und das, wo sie doch jetzt selbst genau wie einer handelte. Ich war zu dem Ergebnis gekommen, dass ich recht hatte. An ihrer Stelle würde ich trotz meiner Armut und allem anderen den Mann heiraten, den ich liebte. Und so war es nie zur Aussprache zwischen uns gekommen.
Es war einer der ersten warmen Tage und ich genoss die Sonne auf meiner Haut, während Branson mich nach Hause fuhr. Ich war recht früh dafür, denn irgendwie hatte ich es nicht lange bei Granny ausgehalten, wenn sie in einer so sonderbaren Stimmung war. Vielleicht hätte ich doch länger bleiben sollen, denn die Stimmung auf Downton war auch nicht gerade angenehm. Lizzy spielte allen vor, dass sie so glücklich über die baldige Hochzeit war, während Mary bissige Kommentare darüber von sich gab und Edith sich von allen zurückzog. Kein Wunder, dass ich beinahe jeden Tag wegfuhr - nach Ripon, Thirsk oder York. Hauptsächlich zu Wohltätigkeitsveranstaltungen, gelegentlich aber auch zu politischen Versammlungen. Erst letztens hatte ich mich einer Gruppe angeschlossen, die von Tür zu Tür ging und über Politik, vor allem das Frauenwahlrecht informierte. Es machte mir Spaß und gab mir außerdem den Eindruck, wenigstens etwas zu bewegen, wenn wir eine neue Person für uns gewinnen konnten.
Kurz nachdem wir das Dorf hinter uns gelassen hatten, hörte ich das komische Geräusch zum ersten Mal. Ich dachte mir nichts dabei, bis schließlich auch das gesamte Auto anfing zu wackeln und die Geräusche einfach nicht aufhörten. "Ist etwas passiert, Branson?", fragte ich ihn dann, während er langsamer wurde. Es hörte sich ganz und gar nicht gut an, aber ich hatte keine Ahnung, woran es lag. War das Auto kaputt? Branson würde schon wissen, was zu tun war. Ich vertraute ihm in der Hinsicht ganz.

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#1550

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 12.01.2018 16:18
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Tom
Mittlerweile hatte sich in meiner Arbeit als Chauffeur von Downton Abbey Routine eingeschlichen. Ich kannte die regelmäßigen Termine der Familienmitglieder, wusste, bei wem ich etwas schneller fahren durfte als bei anderen, welche Mitglieder der Dienerschaft gerne Intrigen spannen und wie ich Lady Sybil unbemerkt mit Zeitungen und Flyern versorgen konnte. Überhaupt wäre mir ohne sie sicherlich schon etwas langweilig geworden. Nur langsam fragte ich mich, ob es nicht gerade zu spannend für mich wurde, denn ich konnte meine Gefühle für sie kaum mehr abstreiten – natürlich nur mir selbst gegenüber, denn sonst konnte ich ja mit niemandem darüber reden. Das Problem dabei war weniger, dass ich denken würde, nicht gut genug für sie zu sein. Die Zeiten änderten sich gerade gewaltig und kaum eine Frau wusste das besser als Lady Sybil. Außerdem war ich mir sicher, dass sie mich mochte. Aber selbst, wenn sie meine Gefühle erwidern sollte, würde sie sich im Zweifelsfall wahrscheinlich eher für ihre Familie entscheiden, als für mich. Denn beides war kaum möglich. Völlig in Gedanken stieg ich wieder ins Auto, um nach meinen Erledigungen noch ein paar Minuten auf Lady Sybil, die gerade die alte Lady Grantham besuchte, zu warten. Es war seltsam, sie nicht zu einer politischen Veranstaltung zu fahren, denn die machten mittlerweile die meisten unserer Fahrten aus. Überraschend früh kam sie wieder aus dem Haus und ich stand schnell auf, um ihr die Autotür aufzuhalten. Sie war ungewöhnlich schweigsam auf der Rückfahrt, aber das war sie oft in letzter Zeit – immerzu wirkte sie in Gedanken versunken und auf meine vorsichtigen Versuche, wenigstens ansatzweise den Grund dafür herauszufinden, reagierte sie kaum. Deshalb schwiegen wir auch heute wieder und die Fahrt verlief recht langweilig, bis ich eine leichte Vibration im Auto spürte. Besorgt runzelte ich die Stirn, und noch ehe ich anhalten konnte, um nachzuschauen, was der Grund dafür war, setzten auch noch ungewöhnliche Geräusche ein. Völlig zu Recht fragte Lady Sybil, ob alles in Ordnung sei. "Ich fürchte nicht, mylady", sagte ich und hielt das Auto schließlich an. "Ihr steigt besser aus, während ich mir das ansehe", erklärte ich, half ihr aus dem Auto und untersuchte selbiges dann einige Minuten gründlich. Mein Verdacht bestätigte sich schnell. "Ich fürchte, die Antriebswelle ist gebrochen", verkündete ich resigniert. "Die überträgt die Antriebskraft des Motors auf die Räder", fügte ich schnell erklärend hinzu, als ich Lady Sybils ratloses Gesicht sah. "Das kann ich so schnell nicht reparieren, ohne Werkzeug, dass auf Downton in der Werkstatt ist", gab ich zu. Ich fühlte mich schrecklich – obwohl der Weg nicht weit war, wollte ich Lady Sybil nach Hause fahren, wie es sich für einen Chauffeur gehörte und ihr nicht verkünden müssen, dass sie laufen musste. "Ich fürchte, mylady, dass wir zu Fuß gehen müssen."

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#1551

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 13.01.2018 13:39
von Rikki • 1.675 Beiträge

Sybil
Neugierig und gleichzeitig ein wenig besorgt sah ich Branson zu, wie er sich das Auto ansah. Meiner Meinung hatten sich die Geräusche alles andere als gut angehört - was Branson mit der Begründung bestätigte, dass die Antriebswelle gebrochen war. Wir mussten also zu Fuß gehen. Während Branson darüber nicht wirklich erfreut zu sein schien, lächelte ich seine Zweifel einfach weg. "Es gibt schlimmeres. Außerdem ist das Wetter doch perfekt für einen längeren Spaziergang", antwortete ich ihm daher. Dass das Auto kaputt gegangen war, war ja nicht seine Schuld. Auf Downton würde er es schon wieder reparieren können. Lächelnd ging ich also los. Der Spaziergang würde wenigstens dafür sorgen, dass ich noch ein wenig länger vor der komischen Stimmung zuhause flüchten konnte. Sicherlich wäre entweder Henry da oder seine Mutter, um mit den Allens über die Hochzeit zu reden.
"Ich hoffe, dass dieses kleine Missgeschick Ihren Zeitplan nicht durcheinander bringt? Sie haben doch immer etwas zu tun, nicht wahr? Nicht, dass sie heute Abend noch Überstunden machen müssen", fing ich dann ein Gespräch mit ihm an, während wir losgingen. Die ganze Zeit nur zu schweigen, kam für mich nicht in Frage. Ich würde es nur als unangenehm empfinden, außerdem störte uns jetzt nicht der laute Motor wie bei der Fahrt. Und es würde wirklich noch etwas dauern, bis wir ankommen würden - ein Gespräch war da genau die richtige Unterhaltung. Und mit Branson unterhielt ich mich sowieso gern. "Ich beneide Sie oft. Jeden Tag gibt es etwas, für das sich das Aufstehen lohnt. Eine Aufgabe, einenSinn", redete ich dann weiter und sah ihn von der Seite an. Wahrscheinlich kam mein Drang zum Reden daher, weil ich es satt hatte, ständig nachzudenken - über Granny und ihre versteckten Botschaften oder Lizzys Verhalten. Manchmal schien es das einzige zu sein, was ich den ganzen Tag lang machte. Ob ich wirklich Lizzys Freundschaft zu mir zerstört hatte, weil ich meine Meinung nicht ändern wollte. Andererseits beneidete ich Branson wirklich. Mein eigenes Leben kam mir oft so unnütz vor, das ewige Umziehen, die strikten Regeln. Das einzige, worauf ich mich freute, waren die Fahrten zu den politischen Treffen und Wohltätigkeitsveranstaltungen.

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#1552

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 13.01.2018 14:00
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Tom
Lady Sybil schien der unerwartete Spaziergang nicht halb so viel auszumachen wie mir, und da meine einzige Befürchtung gewesen war, ihr könne die Zeitverzögerung ungelegen kommen, hatte ich nun auch nichts mehr dagegen, zu Fuß zu gehen. Immerhin konnte ich so mehr Zeit mit ihr verbringen – und als würde Lady Sybil dasselbe denken, fing sie zu meiner großen Freude auch gleich ein Gespräch an. "Ich muss nur Miss Allen in zwei Stunden aus Ripon wieder abholen", erklärte ich lächelnd, "und bis dahin haben wir es sicher zurück geschafft, wenn nicht ein wirklich großes Unglück geschieht." Außerdem, fügte ich in Gedanken hinzu, würde ich jederzeit Überstunden machen, wenn das bedeutet, dass ich mehr Zeit mit Euch verbringen kann. Überrascht sah ich sie von der Seite an, als sie mir erzählte, dass sie mich darum beneidete, dass ich arbeiten durfte. Im Nachhinein kam mir das aber gar nicht mehr so überraschend vor. Es passte zu ihr – und außerdem hatte sie sicherlich Recht damit. "Stimmt, man braucht eine Aufgabe, um abends zufrieden und müde ins Bett gehen zu können", stimmte ich ihr zu. "Aber ich nehme an, Eure Eltern würden Euch nicht gerne arbeiten sehen." Den Weg vor uns versperrte plötzlich eine große Pfütze, die sich in einem ebenso großen Schlagloch gebildet hatte. Weil neben uns ebenfalls nur matschiger Acker war, machte ich einen großen Schritt, denn man beinahe als Hüpfen hätte bezeichnen können über die Pfütze und bot dort aus Lady Sybil meine Hand an, um ihr hinüber zu helfen. Ein Kleid war wirklich das denkbar unpraktischste, was man in so einer Situation tragen konnte.

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#1553

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 13.01.2018 14:24
von Rikki • 1.675 Beiträge

Sybil
In zwei Stunden sollten wir es wirklich schaffen. Zum Glück war der Himmel wolkenfrei, im Regen wäre es nicht gerade nett gewesen, den Weg über die doch nicht gerade befestigte Straße zu nehmen. Aber wir hatten Glück. Bis zu der riesigen Pfütze, die die ganze Straße versperrte und sicher vom Regen gestern entstanden war. Branson wagte einen Sprung und schaffte es. Dankbar streckte ich mich nach seiner Hand aus und raffte mit der anderen mein Kleid. Eine andere Wahl hatte ich ja nicht, also machte ich einen großen Schritt wie er eben. Nur, dass meine Beine nicht so lang waren. Und meine Schuhe nicht gerade für eine solche Wanderung geeignet waren. Es war eines meiner besten Paare, die Grannys Anforderungen entsprachen und daher in einen Salon gehörten und nicht auf die Straße. Dementsprechend geriet ich ins Straucheln und sah mich schon im Wasser und Matsch liegen, bis ich Bransons Arm unter meinem Rücken spürte. Lachend richtete ich mich auf und rückte meinen Hut zurecht. "Danke. Ich hatte schon gedacht, triefend und verdreckt nach Hause zu kommen", sagte ich ihm. Erst jetzt merkte ich, dass wir uns noch immer festhielten - zwar hatte er seine eine Hand von meinem Rücken genommen, aber unsere anderen Hände lagen noch ineinander. Schnell ließ ich ihn los und ging weiter. "Papa ist strikt dagegen und ich glaube, Mama wäre auch nicht begeistert", setzte ich dann unser Gespräch von eben vor, als wäre nichts gewesen. "Es war schwer genug, sie damals davon zu überzeugen, dass ich Krankenschwester werden wollte. Aber das war im Krieg und viele andere adlige Frauen haben gearbeitet. Nur leider macht das jetzt niemand mehr" Lächelnd dachte ich daran zurück, wie gut ich mich trotz der anspruchsvollen und harten Arbeit gefühlt hatte.

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#1554

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 13.01.2018 14:33
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Tom
Lady Sybil drohte trotz meiner Hand mitten in die Pfütze zu fallen. Geistesgegenwärtig und ohne wirklich darüber nachzudenken, hielt ich sie fest und merkte erst, als sie lachte und sich aufrichtete, was ich getan hatte – der Moment war viel zu schnell wieder vorbei. Schnell nahm ich meine Hand wieder von ihrem Rücken, jetzt, wo sie wieder alleine stehen konnte. "Das hätte in der Tat Fragen aufgeworfen", grinste ich und sah überrascht auf unsere Hände, als Lady Sybil meine losließ. Es war mir gar nicht bewusst gewesen, dass ich meine Hand zwar von ihrem Rücken, nicht aber aus ihrer Hand genommen hatte. Dementsprechend war ich froh, als sie das Thema wechselte und wir wieder normal nebeneinander hergingen, auch, wenn ich den Stoff ihres Mantels noch immer unter meiner rechten Hand fühlen konnte. Wie so oft musste ich lächeln, als sie erzählte, dass sie im Krieg als Krankenschwester gearbeitet hatte. Natürlich hatte sie das – das einzig Gute am Krieg war wohl gewesen, dass nur wenige etwas dagegen hatten, wenn adlige Frauen arbeiteten, es wurde einfach jeder gebraucht. Es wunderte mich nicht, dass Lady Sybil diese Gelegenheit genutzt hatte. Sie ist sicher eine tolle Krankenschwester gewesen. "Aber die Welt verändert sich gerade, auch für Frauen. Selbst Eure Eltern werden das irgendwann merken. Sie können Euch ja schlecht an Euer Bett binden, damit Ihr auf keinen Fall etwas Sinnvolles tut." Mittlerweile wusste ich, dass sie nichts dagegen hatte, wenn ich so von ihren Eltern sprach und das machte es noch viel einfacher und angenehmer, mit ihr zu reden.

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#1555

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 13.01.2018 14:49
von Rikki • 1.675 Beiträge

Sybil
Wenn Branson nur wüsste, dass Papa manchmal gern genau das tun würde - mich festbinden, damit ich auch ja nichts tat, was ich nicht sollte. Mir politische Reden anhören, zum Beispiel. Nicht ohne Grund erzählte ich deshalb nichts davon, dass ich wieder dorthin ging. Er würde mich nur anschreien, wie beim ersten Mal. "Mein Vater ist nicht gerade glücklich darüber, wie sich die Welt nach dem Krieg verändert. Seiner Meinung nach ist es für jemanden wie mich eine sinnvolle Aufgabe, Preise zu vergeben, andere zu besuchen und das nächste Dinner zu planen", antwortete ich ihm. "Deswegen muss es ein Geheimnis bleiben, wohin Sie mich immer fahren, Branson" Ich lächelte ihn an. Manchmal kam es mir so vor, als wäre er mein einziger Verbündeter - vor allem jetzt, wo ich Lizzy nicht mehr hatte. "Ist es schwer, das Auto wieder zu reparieren?", fragte ich ihn dann nach kurzem Schweigen. Mittlerweile konnte man Downton schon von weitem zwischen den Bäumen und Hügeln erkennen, aber ich hatte keinerlei Absicht, besonders schnell dorthin zu kommen. Auch, weil wir bis jetzt vor allem über mich geredet hatten und ich jetzt mehr von Branson erfahren wollte. "Es hörte sich eben jedenfalls nicht besonders gut an"

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#1556

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 13.01.2018 14:59
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Tom
Lady Sybil tat mir wirklich leid, weil sie von ihren Eltern, vor allem von Lord Grantham, so eingeengt wurde. Allerdings wollte ich das nicht aussprechen, denn meistens half es den Betroffenen nicht, ihnen Mitleid auszusprechen und sie sollte sich nicht noch schlechter fühlen. "Natürlich bleibt das ein Geheimnis, mylady", versprach ich. "Ich bin froh, wenn ich wenigstens eine Kleinigkeit dazu beitragen kann, dass Ihr Euren Interessen nachgehen könnt." Lächelnd sah ich sie an, denn mir wurde erst jetzt bewusst, wie viel ihr diese politischen Treffen wirklich bedeuteten. Eine Weile gingen wir schweigend weiter, aber es war kein unangenehmes Schweigen. "Das ist kein Problem, ich brauche nur die richtigen Werkzeuge", versicherte ich Lady Sybil, als Downton aus der Ferne schon wieder zu sehen war. Dabei kam es mir vor, als wären wir nur fünf Minuten spazieren gewesen.

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#1557

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 13.01.2018 15:17
von Rikki • 1.675 Beiträge

Sybil
Nach Bransons Können zu urteilen, würde das Auto wahrscheinlich schon heute Abend wieder voll funktionstüchtig sein. "Kommen Sie mit uns nach London?", fragte ich ihn dann weiter, denn das Thema der Londoner Saison war das zweite große, das zurzeit im Haus besprochen wurde - nach der Hochzeit natürlich. Mary hatte durchblicken lassen, sich mit Edward Armstrong dort zu treffen und auch ich freute mich auf London. Schließlich war dort einiges mehr los als hier im verschlafenen Yorkshire. Es würde eine gute Ablenkung sein, wenn Lizzy zu Mrs Redvers werden würde. In der Vergangenheit hatte Papa neben den anderen Bediensteten auch immer den Chauffeur mitgenommen, weil wir natürlich auch in London viel unterwegs zu sein würden. Ich hoffte sehr, dass dieses Jahr auch Branson mitreisen würde. "Waren Sie schon einmal in London?"

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#1558

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 13.01.2018 15:28
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Tom
"Ja, ich komme mit und ja, ich war schon mal dort", beantwortete ich ihre Fragen nach London. "Direkt nach meiner Ankunft aus Irland habe ich eine Zeit lang da gearbeitet. Also kenne ich die Straßen wenigstens etwas", lächelte ich. Ansonsten machte es für mich keinen großen Unterschied, ob ich in London oder Yorkshire Auto fuhr – wenn man davon absah, dass es in London viel mehr Straßenverkehr gab. Mittlerweile liefen wir die Auffahrt zum Haus hoch. Vielleicht sollte ich das Auto ab und zu absichtlich kaputt machen. Vor der Tür blieb ich stehen, denn ich musste gleich in die Werkstatt und Lady Sybil ins Haus. "Ich hoffe, unser kleiner Spaziergang war kein allzu großes Problem, mylady", sagte ich, lächelte aber leicht. Denn sie hatte jedenfalls nicht den Eindruck gemacht, als sei er das gewesen. Ich nickte ihr noch einmal zu und ging dann in Richtung Werkstatt davon.

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#1559

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 13.01.2018 15:49
von Rikki • 1.675 Beiträge

Sybil
Ich freute mich wirklich, dass Branson mitkam. Vielleicht ein wenig zu sehr. Jedenfalls lächelte ich breit, als wir vor dem Haus ankamen. Der Weg war wirklich nicht weit gewesen, auch wenn meine Schuhe jetzt staubig und der Saum meines Kleides dreckig war. "Keineswegs, Branson", antwortete ich ihm ehrlich. Es war das genaue Gegenteil eines Problems gewesen - ich hatte mich wirklich amüsiert. "Und noch einmal danke, dass sie mich vor der Pfütze gerettet haben" Ich sah ihm noch kurz nach, wie er in Richtung seiner Werkstatt verschwand. Hoffentlich würde er wirklich keinen Stress damit haben, das Auto zu reparieren und Lizzy dann noch aus Ripon abzuholen. Ohne anzuklopfen und mir von einem Bediensteten die Tür aufhalten zu lassen, ging ich ins Haus und sofort hoch in mein Zimmer. Ich hatte keine Lust, mein Kleid zu wechseln, wo ich mich doch gleich sowieso wieder für das Dinner umziehen würde. Also las ich stattdessen eine von Bransons Zeitungen in meinem Zimmer - es war mittlerweile fast schon ein Ritual geworden, dass er mir entweder eine Zeitung oder einen Flyer mitgab- bis ich den Gong hörte und Anna kam.

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#1560

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 14.01.2018 13:19
von Mü~ • 1.639 Beiträge

[...]

Lizzy

Viel zu schnell war der Tag der Hochzeit gekommen. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, meine letzten Monate als mehr oder wenige freie Frau noch zu genießen, aber das konnte ich ohne Jimmy und Sybil nicht und wie immer, wenn man sich wünschte, die Zeit würde langsamer vergehen, verging sie nur schneller. Ich hatte mich in der Hoffnung, so alles etwas leichter für mich machen zu können, in die Hochzeitsvorbereitungen gestürzt und war mit dem Ergebnis auch recht zufrieden – wenn man davon absah, dass ich den falschen Mann heiratete. Mittlerweile hatte ich mich wenigstens an den Gedanken, den Rest meines Lebens mit Henry zu verbringen, gewöhnt und war zu dem Schluss gekommen, dass es mich wirklich schlimmer hätte treffen können. Campbelton Place war wunderschön und wenigstens konnte ich mit Henry durchaus gute Gespräche führen, auch, wenn der Spaß etwas zu kurz kommen würde. Außerdem freute ich mich auf unsere Hochzeitsreise, wenn man davon absah, dass ich regelrechte Panik vor der Hochzeitsnacht hatte. Ich hatte schon immer mehr reisen wollen und auch, wenn Henry mir nicht verraten wollte, wohin es ging – ich hatte stark Italien oder Frankreich im Verdacht, was mir nur recht war – war ich froh über alles, was nicht England war.
Trotz dieser Umstände fühlte ich mich elend, als ich zum allerletzten Mal in mein Bett auf Downton Abbey, in dem ich so viele Nächte mit Jimmy verbracht hatte, stieg und dort auch viel zu schnell wieder aufwachte. Nach der Hochzeitsreise musste ich natürlich gleich bei Henry einziehen, meine Eltern würden sich, während wir weg waren, darum kümmern, dass meine Sachen nach Campbelton gebracht wurden und nur mein Koffer für die Hochzeitsreise stand schon fertig gepackt in der Ecke. Auch meine Eltern wollten nun, da sie mich in sicheren und wohlhabenden Händen wussten, nicht länger ihren alten Freunden zur Last fallen und sobald ich von der Hochzeitsreise zurück war und mich bei Henry etwas eingelebt hatte, zurück nach Amerika ziehen und es dort noch einmal mit ihrem Unternehmen versuchen.
Nachdem ich mir sicher war, mir ganz genau eingeprägt zu haben, wie mein Zimmer roch, wie die Aussicht aus dem Fenster aussah und wie sich meine Bettdecke anfühlte, läutete ich schließlich nach Charlotte. Ich zog vorerst nur ein einfaches Kleid an, um zum Frühstück zu gehen, musste danach aber sofort mein Brautkleid anziehen. Es war seltsam zu wissen, dass ich alles, was ich nun tat, zum letzten Mal tat – mir von Charlotte in ein normales Kleid helfen und eine einfache Frisur machen lassen, die Treppe ohne Brautkleid hinuntergehen, mich an den Frühstückstisch setzen. Papa strahlte mich an und auch Edith war nicht wie üblich in den letzten Monaten in Trauerstimmung, sondern fing sofort an, fröhlich mit mir über Hochzeiten zu reden. Mir war es nur recht, mich von ihrer Vorfreude wenigstens teilweise anstecken zu lassen, denn die mitleidigen Blicke von Sybil halfen mir nicht weiter.
Auch mein letztes Frühstück auf Downton war viel zu schnell rum und zu meiner Schande hatte ich nicht einmal viel essen können. Charlotte wartete schon in meinem Zimmer auf mich und hatte mein Kleid und die dazu gehörende Ausstattung dabei. Eigentlich hatte Mama für meine Haare jemanden von außerhalb kommen lassen wollen, aber ich hatte darauf bestanden, dass Charlotte diese Aufgabe übernahm. Im vergangenen Jahr hatte sie immerhin bewiesen, dass sie ein Händchen für meine ehemals unzähmbaren Haare hatte. Auch heute glättete sie sie wieder hingebungsvoll, benutzte gefühlt die halbe Flasche von Sybils Haaröl und steckte sie schließlich mit einem silbernen Haarreifen mit kleinen, glitzernden Blüten daran, an dem der Schleier hinten befestigt wurde, fest. Als ich mich im Spiegel betrachtete, schossen mir Tränen in die Augen. Mein Kleid, mein Schmuck, alles glitzerte und funkelte, nur mein Gesichtsausdruck wirkte eher, als hätte ich soeben in eine Zitrone gebissen. Ich konnte kaum glauben, dass ich das wirklich für einen Mann tat, den ich nicht einmal liebte. Charlotte stellte zum Glück keine Fragen – mehr als alle anderen bekam sie mein für die Außenwelt recht seltsam erscheinendes Verhalten mit und stellte keine Fragen mehr, wofür ich ihr sehr dankbar war. Wortlos reichte sie mir ein Taschentuch und ich tupfte mir vorsichtig über die Augen. Gerade heute durfte ich auf keinen Fall verweint aussehen, auch wenn jeder außer Sybil es vermutlich als Freudentränen abtun würde. Charlotte reichte mir schließlich noch meinen blau-lila Blumenstrauß, natürlich passend zur späteren Tischdeko, und das war es. Ich verließ zum letzten Mal in meinem Leben mein Gästezimmer und ging vorsichtig die Treppe hinunter, während Charlotte die Schleppe und den Schleier von meinem Kleid hielt. Unten standen meine Eltern und strahlten und sahen stolz aus wie nie zuvor, also versuchte ich, mir auch ein Lächeln abzuringen. Etwas zittrig auf den Beinen stieg ich in das Auto, das uns nach Durham bringen würde und ignorierte den Stich, den die Tatsache, dass Jimmy mir die Autotür aufmachte, mir versetzte.
Die Fahrt war nicht gerade kurz, aber natürlich endete sie auch irgendwann und wir hielten vor einer Kirche, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Die Crawleys stiegen ebenfalls aus ihren Autos und die allgemeinen Beglückwünschungen gingen los. Das breite Dauerlächeln klebte spätestens jetzt fest in meinem Gesicht und ich war mir sicher, dass das Glück, das alle Henry und mir für unsere gemeinsame Zukunft wünschten, genau das war, was ich brauchen würde, um nicht vor meinem natürlichen Tod an Langeweile oder meinem gebrochenen Herzen zu sterben. Papa und ich blieben kurz zurück, während die anderen schon in die Kirche gingen und schließlich musste auch ich mich aufraffen. Mit rasendem Herzen betrat ich an Papas Arm die Kirche, wo ich die Blicke von allen Seiten regelrecht spüren konnte und mein Magen drehte sich schon fast um, als ich Henry nur von hinten vorne am Altar stehen sah. Ich atmete tief durch, als ich mich schließlich neben ihn stellte und meinen Blumenstrauß umklammerte, als wollte ich mich daran festhalten, denn mittlerweile fühlte ich mich tatsächlich, als würden meine Beine gleich nachgeben oder ich mich übergeben. Oder beides. Henry sah mich lächelnd von der Seite an und ich erwiderte sein Lächeln schwach. Dass er mich ansah, als könnte ihm nichts Besseres passieren, als genau neben mir vor dem Altar zu stehen, ließ mich mich nur noch schlechter fühlen. Denn ich würde vermutlich nicht in der Lage sein, ihn wirklich glücklich zu machen, solange ich ihn nicht bedingungslos liebte. Und das tat ich nicht. Ich machte uns also beide nur unglücklich. "Dearly beloved, we are gathered here today to join this man and this woman in holy matrimony." Mein Herz schlug mittlerweile so laut und schnell, dass ich dachte, die ganze Kirche müsste es hören. Aber es war einen Moment lang so leise, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Oh Gott, was mache ich hier eigentlich? "...take this woman to be your wife, to live together in holy matrimony, to love her, to honor her, to comfort her, and to keep her in sickness and in health, forsaking all others, for as long as you both shall live?" Als Henry schließlich regelrecht inbrünstig mit I do antwortete, klang es nicht wie ein Versprechen. Sondern wie eine Drohung. I didn't want him to love me, to honor me or to comfort me. Und auch, wenn ich in den letzten Monaten Dank Jimmy fast täglich gelogen und es irgendwann mit der Wahrheit nicht mehr wirklich genaugenommen hatte, wusste ich plötzlich, dass ich dieses eine Mal in meinem Leben die Wahrheit sagen musste. Mir und meiner Zukunft, meinem Herzen und meinem Gewissen zuliebe, aber auch Henry zuliebe, der es nicht verdient hatte, dass ich ihn so hinterging. "Elizabeth Marileigh Allen, do you take this man to be your husband, to live together in holy matrimony, to love him..." Erst jetzt merkte ich, dass ich die Luft angehalten hatte. Und erst wieder ausatmete, als ich laut "Nein!" sagte.
Ein Raunen ging durch die Kirche und wenn das nicht vorher schon der Fall gewesen war, so starrten mich spätestens jetzt alle an."Es tut mir leid, das war alles ein schrecklicher Fehler", sagte ich und sah Henry an. "Elizabeth, dafür ist es jetzt zu spät", sagte Mama, die hinter mir in der ersten Reihe saß, streng. Ich drehte mich zu ihr um. "Nein, ist es nicht. Ich würde sogar sagen, es ist gerade noch rechtzeitig. Ich kann das nicht", sagte ich mit fester Stimme, zögerte kurz und ging dann aber, so schnell ich konnte, ohne zu rennen, den Gang der Kirche wieder hinunter Richtung Ausgang. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so befreit gefühlt und gleichzeitig so voller Angst, was die Zukunft bringen würde. Dennoch war ich mir sicher, das Richtige zu tun. Branson saß nach wie vor in dem Auto, in dem er mich schon hierher gefahren hatte und sah verwundert von seiner Zeitung auf, als er mich aus der Kirche stürmen sah. Ich warf meinen Blumenstrauß schnell ins Gebüsch, um beide Hände frei zu haben und mein Kleid hochheben zu können. "Zum Haus zurück!", rief ich und riss, ehe er reagieren konnte, die Autotür selbst auf. "Schnell, bitte!" Zum Glück stellte Branson keine weiteren Fragen, sondern fuhr sofort los. "Kein Problem, Miss", sagte er und während wir – zum Glück wirklich schnell – zurück nach Downton fuhren, riss ich mir den Schleier samt Haarreif vom Kopf und legte ihn neben mich auf den Rücksitz. Als wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich das Haus erreichten, riss ich, noch ehe Branson überhaupt angehalten hatte, wieder die Autotür auf und mit einem "Vielen Dank, Branson, warten Sie bitte kurz!" rannte ich ins Haus, wo die letzten Dienstboten noch Dekorationen vornahmen, und lief so schnell ich konnte die Treppe nach oben. Fast hätte ich jemanden umgerannt, aber ich lief ohne mich zu entschuldigen weiter nach oben in mein ehemaliges Zimmer. Für Höflichkeiten hatte ich jetzt keine Zeit, ich musste hier weg, bevor meine Eltern oder sogar Henry ebenfalls hierher kommen konnten. Ich nahm den Koffer für die Hochzeitsreise, der noch immer unangerührt neben dem Schrank stand, riss ihn auf und warf den Inhalt, bis auf zwei Abendkleider, hinaus. Für mein Vorhaben brauchte ich vor allem einfache Kleider und das Geld, das meine Tante mir geschickt hatte. Ich schmiss beides in den Koffer, warf ein paar Bücher sowie Kleinkram wie meine Haarbürste hinein und riss mir schließlich das Hochzeitskleid vom Körper, als würde es meine Haus verbrennen. Schneller, als ich es mit Charlottes Hilfe gewesen war, schlüpfte ich in ein einfacheres Kleid und einen Mantel, hängte mir meine Handtasche über den Arm und schleppte den Koffer die Treppe hinunter. Es musste der Adrenalinschub gewesen sein, anders konnte ich mir nicht erklären, wie ich es allein schaffte. Als ich mich, ohne mich noch einmal umzusehen, mitsamt dem Koffer aus der Tür schleppte, sprang Branson sofort auf, um mir zu helfen. Er nahm mir den Koffer ab, verstaute ihn und wie schon vorhin stieg ich einfach ein. "Zum Bahnhof", wies ich ihn an, völlig außer Atem. Ich hatte kaum zehn Minuten für meine Aktion gebraucht. Branson fuhr wieder unaufgefordert schnell. Es dauerte nur wenige Minuten, bis wir am Bahnhof waren, der für mich plötzlich nur noch eines bedeutete: Freiheit. "Vielen Dank Branson", lächelte ich, als er mir schließlich wieder meinen Koffer in die Hand drückte. "Ich meine es ernst, Sie haben mir quasi das Leben gerettet." Branson grinste. "Also nur die übliche, tägliche gute Tat. Werden Sie jetzt zurecht kommen?", fügte er dann ernst hinzu. Würde ich zurecht kommen? Ja, vermutlich. Weil mir keine andere Möglichkeit blieb, als zurecht zu kommen, aber ich war mir sicher, dass, was auch immer mich jetzt erwartete, leichter sein würde, als ein Leben mit Henry. "Ja, das werde ich", nickte ich, noch immer lächelnd. "Leben Sie wohl, Branson." Ich hob meinen Koffer, der mir plötzlich viel schwerer vorkam, hoch und wollte schon in Richtung des Bahnhofsgebäudes gehen, als mir noch etwas einfiel. Ich blieb stehen und drehte mich um. "Und sagen Sie Lady Sybil einen Gruß von mir. Ich wünsche ihr alles Gute. Von Herzen." Sie würde mir fehlen. Genauso wie Jimmy, meine Eltern, Edith, sogar Cora, Robert und eventuell Mary. Mrs. Patmores Essen, die langen Spaziergänge, Charlottes Haarkünste, die Ausritte, die große Bibliothek. Aber das Theater, Charlie Fawcett und eine völlig neue Zukunft erwarteten mich und ich war bereit, diesen Preis dafür zu zahlen.

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