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Oscar
Ich hatte gerade zu einer Entschuldigung über mein Gerede von Fohlen ansetzen wollen, als Charlotte zum wiederholten Male heute völlig anders reagierte, als ich erwartet hatte. Aber natürlich, ihre Eltern waren Bauern, fiel mir aus unseren früheren Gesprächen wieder ein. Da hatte sie natürlich schon das ein oder andere Tierbaby gesehen. "Ja, es ist ziemlich beeindruckend, so etwas zu erleben", stimmte ich ihr lächelnd zu und sah sie ungewollt überrascht an, als sie das Fohlen sehen wollte. Hausmädchen hielten sich in der Regel vom Stall fern. "Natürlich", antwortete ich sofort. Eigentlich war es ja nicht an mir, diese Entscheidung zu treffen, aber Lynch würde sicher nichts dagegen haben, wenn Charlotte außerhalb ihrer Arbeitszeiten in den Stall kam.
Tom
"Das ist sehr aufmerksam von Euch, mylady", sagte ich, als sie erzählte, dass Dragon ein Hufeisen verloren hatte. "Die meisten wären in der Situation vermutlich trotzdem weitergeritten." Erst jetzt wurde mir bewusst, dass wir uns selten so nahe gestanden hatten wie jetzt, nur mit dem Pferd zwischen uns. Ich sah Lady Sybil kurz in die blauen Auge, ehe sie den Kopf wegdrehte und ein neues Gesprächsthema anschnitt und mir somit erklärte, wohin unsere Fahrt am Dienstag gehen würde. "Es dürfte sehr interessant werden", sagte ich und schluckte das Wort gefährlich herunter. Ich wollte kein Spielverderber sein und Anweisungen durfte ich Lady Sybil schon gar nicht geben. "Vielleicht werde ich auch zuhören." Und ein Auge auf Euch anstatt auf das Auto haben.

Charlotte
"Heute Abend. Wenn ich fertig bin", schlug ich ihm dann gleich eine Uhrzeit für unser Treffen vor, bevor er es sich doch noch anders überlegte, indem er an meine mehr als unhöfliche Reaktion eben dachte. Aber ich wollte das kleine Fohlen wirklich sehen, es würde endlich ein anderer Abend werden als die, die ich sonst hatte und die meistens daraus bestanden, dass ich vollkommen müde und mit schmerzenden Muskeln in mein Bett fiel. Nur, um dann am nächsten Morgen wieder viel zu früh geweckt zu werden. Und natürlich würde ich Mr Carson nichts davon erzählen - was ich in meiner Freizeit tat, ging ihn schließlich nichts an. Außerdem würde mich niemand von der Familie sehen, wenn ich abends in den Stall ging. Wenn überhaupt, waren die jungen Ladies eher an einem schönen Morgen wie diesem mit ihrem Pferden unterwegs. Was hieß, dass ich morgen wieder allerhand dreckige Reitstiefel putzen musste. Ich lächelte Oscar breit an, dessen Teetasse schon lange leer war. "Wie lange kannst du noch bleiben?", fragte ich - nicht, um ihn wegzuschicken, sondern damit er sich keinen Ärger einheimste, wenn er zu lange Pause machte. Lynch würde da sicher ähnlich wie er Butler oder Mrs Hughes reagieren.
Sybil
"Sentimental würden andere sagen, aber ich will wirklich kein Risiko eingehen. Das ist es mir nicht wert, er soll schließlich keine Schmerzen haben. Und wozu habe ich schließlich zwei Beine?", redete ich weiter und lachte kurz, denn Mary hatte es natürlich nicht verstehen können, dass ich umgedreht war. "Ihr werdet es bestimmt sehr interessant finden. Auch, wenn ich nicht glaube, dass viel über den Sozialismus geredet wird und wenn, dann in einem nicht gerade guten Bild", meinte ich dann und freute mich, dass er mich begleiten würde. Auch, wenn ich keinen Aufpasser brauchte. Aber da Branson ein genauso großes, wenn nicht sogar größeres Interesse an Politik hatte, konnte ich ihm kaum eine solche Chance verwehren. Außerdem war ich neugierig auf seine Meinung über die Reden.

Oscar
Ich konnte mein Glück kaum fassen, als Charlotte tatsächlich gleich ein Treffen vorschlug. "In Ordnung", bestätigte ich breit grinsend. "Ich warte vor dem Stall auf dich." Wer hätte das gedacht? Ich hatte noch nie etwas nach Feierabend unternommen und mit Charlotte erst recht nicht. Es war also doch keine so schlechte Idee gewesen, Jimmys Tipps zu befolgen. Sie hatten zwar nicht wie geplant funktioniert, aber dennoch waren wir ins Gespräch gekommen. Ich warf einen Blick auf die Uhr, als sie fragte, wie lange ich noch bleiben konnte. Die Stunde, die mir zugesprochen worden war, war schon fast vorbei, ich hatte komplett die Zeit vergessen über meinem Gespräch mit Charlotte. "Ich fürchte, in ein paar Minuten muss ich wieder los", seufzte ich. "An diese Pausen könnte ich mich wirklich gewöhnen." Träge stand ich auf. "Wir sehen uns später", sagte ich noch lächelnd zu Charlotte und machte mich dann wieder auf den Weg in den Stall. Kaum zu glauben, dass ich jetzt sogar noch bessere Laune hatte, als vorhin. Und es war allein Charlottes Schuld.
Tom
Mir gefiel, wie Lady Sybil an Dragons Gefühle dachte und dass sie sich nicht über ihr Tier stellte. Beim Rest der Familie konnte ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen. "Ich gebe mir immer Mühe, auch die Gegenseite zu kennen", sagte ich – wenn auch nicht, um ihr Verständnis entgegen zu bringen. Aber seinen Feind sollte man bekanntlich ja kennen und abgesehen davon, wollte ich natürlich so viel Zeit mit Lady Sybil verbringen wie möglich.

Charlotte
Ich erwiderte sein Lächeln und sah ihm nach, wie er wieder aus der Hintertür verschwand und dabei fast mit Jimmy zusammenstieß, der mit einem geputzten Paar Schuhe aus dem kleinen Raum für die Schuhe kam. Ich nähte weiter und nach ein paar Minuten wusste ich, an wen Oscar mich mit seinen Haaren erinnerte hatte - Jimmy. Ohne Frage, er hatte versucht genauso auszusehen. Nur, dass Jimmys Haarlocke, die Madge und die anderen so unwiderstehlich fand, in Oscars Gesicht ziemlich fehl am Platz wirkte. Kein Wunder, dass er so rot geworden war. Blieb nur noch die Frage, warum er das getan hatte, wenn es ihm doch überhaupt nicht stand. Ich war schnell mit Lady Ediths Rock fertig und brachte ihn danach gleich zurück in ihr Zimmer - auf dem Weg dahin war ich mehr als aufmerksam, dass mich niemand sah, aber auf der Galerie war es verdächtig ruhig. Den Rest des Tages schaffte ich das gleiche, Mr Carson sah nur kurz missbilligend auf meine kurzen Ärmel und die ausgewaschene Farbe, während wir beim Tee saßen, aber nicht mehr. Und ich war überhaupt nicht mehr schlecht gelaunt, ganz im Gegenteil - die Aussicht, heute Abend von Oscar das Fohlen gezeigt zu bekommen, war wirklich motivierend. Ungeduldig wartete ich darauf, dass wir endlich fertig waren und nachdem der Speisesaal wieder sauber war, riss ich mir die weiße Schürze förmlich vom Leib, holte mir meine Strickjacke und machte mich auf in den Stall.
Sybil
"Dann hoffe ich, dass Sie dazu ausreichend Gelegenheit finden werden. Und, dass die Ansichten des Abgeordneten Sie nicht allzu wütend machen", meinte ich dann noch breit lächelnd, denn Bransons aufbrausendes Temperament bei politischen Themen kannte ich ja. "Und genießen Sie heute noch die Sonne", meinte ich dann zum Abschied, denn ich hatte gerade Oscar vor den Ställen gesehen und wollte Dragons Hufeisen so schnell wie möglich wieder an seinem Huf wissen. Ich lächelte Branson an und führte Dragon dann an dem polierten Auto vorbei zum Stallburschen.

Oscar
Der Rest des Tages verging quälend langsam. Obwohl das Fohlen – ein Stutfohlen – wirklich süß war, verursachte es auch einiges an Extraarbeit, aber mit dem Gedanken, Charlotte heute Abend zu sehen, ging mir alles leichter von der Hand. Als es gegen Abend endlich ruhiger im Stall wurde, wusch ich mir schnell Hände und Gesicht und versuchte, meine Haare zu richten, indem ich eine Dose mit Trensenpolitur mehr schlecht als recht als Spiegel benutze. Warum nur blieben meine Haare nie so ordentlich wie die von Jimmy? Dann ging ich eilig vor die Stalltür und sah Charlotte schon von Weitem auf den Stall zugehen. "Es kann schon stehen", informierte ich Charlotte zur Begrüßung strahlend über die Fortschritte des Fohlens. "Oder besser gesagt: sie!" Die ersten wackeligen Stehversuche hatte die Kleine gemacht, als ich gerade mit Charlotte im Dienstbotenzimmer gesessen hatte, aber es war noch immer süß anzusehen, wie sie versuchte, sich auf ihren langen Beinen zu halten. Ich führte Charlotte zu Mistys Box, wo Misty im Stroh lag, das Fohlen eng neben sich.

Charlotte
Begeistert folgte ich Oscar und konnte mich ab dann für einige Minuten nur auf das wirklich süße Fohlen konzentrieren, das sich tatsächlich nicht lang bitten ließ und schließlich aufstand. Erst dann sah ich zu Oscar, der neben mir stand und mindestens genauso fasziniert auf das neue Leben im Pferdestall von Downton sah. "Ich glaube, ich habe noch nie etwas so niedliches gesehen", meinte ich dann und grinste, schließlich hörte es sich ziemlich naiv an. "Hat es schon einen Namen?", fragte ich dann, aber Oscar verneinte. Naja, es war ja auch nicht an mir, einen zu finden - es war Lord Granthams Pferd und somit hatte er auch das Recht, einen Namen auszusuchen. Auch wenn ich stark daran glaubte, dass er seine Töchter dabei um Unterstützung bitten würde. Vorsichtig streckte ich dem Fohlen meine Hand entgegen und lächelte breit, als es tatsächlich dagegen stupste.

Oscar
Grinsend beobachtete ich, wie hin und weg Charlotte von dem Fohlen war. Und wie konnte man es ihr schon verdenken? Mir ging es ganz genau so. "Noch nicht", beantwortete ich ihre Frage bezüglich des Namens der Kleinen und kraulte ihren Kopf, während Charlotte die Nase des Fohlens streichelte. "Lord Grantham hat vermutlich Besseres zu tun. Das letzte Fohlen, das hier geboren wurde, wurde soweit ich informiert bin von Lady Mary getauft", erzählte ich und machte eine Kopfbewegung hinüber zur Box von Callisto, der mittlerweile schon ausgewachsen war. Eine Weile standen wir so an die Box gelehnt da und streichelten das Fohlen sowie Misty, die mittlerweile aufgestanden war, um nachzusehen, wer sich da an ihrem Nachwuchs vergriff. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es genau war, als Lynch mit schnellen, lauten Schritten unüberhörbar den Gang entlang kam. "Oscar?", rief er schon von Weitem und zog kurz die Augenbrauen noch, als er Charlotte neben mir erblickte. "Carson hat mir gerade berichtet, dass Lord Grantham es dem Stallpersonal überlassen möchte, einen Namen für die Kleine zu finden." Er streichelte sie ebenfalls kurz und sah mich leicht lächelnd an. "Ich denke, das solltest du machen, Oscar. Du hast dich heute Mittag wirklich gut geschlagen." Lynch war zwar nie unfreundlich zu mir gewesen, aber ein Lob oder einen so stolzen Blick wie jetzt hatte ich noch nie von ihm bekommen. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. "Natürlich, das mache ich gerne", strahlte ich und ging im Kopf schon einige Namen durch. "In Ordnung, dann erwarte ich deine Wahl morgen früh." Lynch nickte mir noch einmal knapp zu und wandte sich zum Gehen, hielt aber inne. "Charlotte, sollten Sie wirklich hier draußen sein?" Grinsend schüttelte ich den Kopf und sah ihm hinterher, als er kurz in der Sattelkammer verschwand und dann in eine der hinteren Boxen ging. Ich wollte Charlotte gerade fragen, was sie von Doughty halten würde, als mir eine Idee kam. Ich würde sicherlich im Laufe meines Lebens als Stallbursche noch die ein oder andere Fohlengeburt miterleben und mir Namen ausdenken dürfen. Bei Charlotte war das weniger wahrscheinlich. "Möchtest du den Namen aussuchen?", fragte ich sie und verstand selbst nicht, warum meine Wangen dabei anfingen zu glühen. Es war schließlich eine ganz normale Frage, kein Heiratsantrag gewesen. Trotzdem lenkte ich mich schnell ab, indem ich etwas Heu aus Mistys Box aufhob und es ihr vors Maul hielt.

Charlotte
Ich war wirklich verzaubert von diesem kleinen Fohlen. Es war der erste wirklich schöne Moment am heutigen Tag und allgemein in dem sonst stressigen Alltag, der mich eigentlich nie auch nur einen Schritt nach draußen brachte. Mein Leben war auf Downton Abbey zusammengeschrumpft, dabei war ich eigentlich jemand, der gern draußen war. "Natürlich hat Lord Grantham besseres zu tun", meinte ich lächelnd zu Oscar. Wahrscheinlich würde er sich überhaupt keine Gedanken um den Namen für dieses wunderschöne Fohlen machen, wie es es verdient hatte. Erst als Lynch, der Stallmeister, auftauchte und Oscar ansprach, richtete ich mich auf und kam in die Wirklichkeit zurück. Oscar sah wirklich stolz aus, als Lynch ihm mitteilte, dass sie sich den Namen aussuchen konnten - und das zurecht. Er ging wundervoll mit den Tieren um. Ich hielt meinen Blick gesenkt, da das Hauspersonal normalerweise nichts in den Ställen zu suchen hatte. Und so kam ich auch nicht darum herum, dass Lynch meine Anwesenheit ansprach. Ich antwortete nicht, denn auf die Frage gab es nur eine Antwort und die war eigentlich 'Nein'. Oscar grinste trotzdem und ich widmete mich wieder dem Fohlen, bevor ich gleich schleunigst ins Bett gehen müsste, um morgen einigermaßen ausgeschlafen zu sein. Mit Oscars Frage rechnete ich daher nicht und ich sah ihn ungläubig an. "Wirklich? Du hast es dir mehr verdient als ich", meinte ich, aber er bestand darauf. Von dieser Ehre gerührt, dachte ich eine kurze Zeit nach. "Was hälst du von Liza?", fragte ich ihn dann und wartete neugierig meine Reaktion ab. Ich wollte mich auf keinen Fall durch meine Namenswahl vor Oscar blamieren.

[...] LONDON
Mary
Kritisch rückte ich meinen Hut zurecht und drehte meinen Kopf in Richtung der Eingangstür. Wenn wir noch länger brauchen würden, würden wir den Zug verpassen. Endlich war es Juni und wir waren bereit, nach London abzureisen. Anna hatte unzählige Koffer packen müssen und bestimmt würden wir in einigen Monaten mit noch mehr zurückkommen. Schließlich war es London und ich wollte das Angebot an Schneiderinnen, Hutmachern und Schmuckhändlern schonungslos ausnutzen. Endlich kamen Sybil und Edith aus dem Haus, setzten sich neben mich und der Wagen setzte sich in Bewegung. Ich freute mich wirklich auf London. Nicht nur wegen der vergrößerten Einkaufsmöglichkeiten - zu dieser Zeit hielt sich jeder von Rang und Namen in London auf und jeden Tag gab es etwas neues zu sehen, ob Kunstausstellungen, Modenschauen, Pferderennen oder Theater. Langweilig würde uns nicht werden. Daneben hatte ich aber auch private Termine. Bereits vor einigen Wochen hatte ich mit Edward Armstrong verabredet, der auch in London war. Unsere Freundschaft oder wie auch immer man unsere Beziehung bezeichnen konnte, hatte überdauert und anscheinend war unser alter Zwietracht vergessen. Aber wie bei jeder Fahrt nach London schwang auch in diesem Jahr die Hoffnung mit, einen Ehemann zu finden - wenn nicht in London, wo sonst? Mama dachte bestimmt auch so, denn unser Terminkalender war voll. Am Bahnhof luden bereits die Dienstboten unsere Koffer in den Zug, während ich mich direkt in den Wagen der ersten Klasse setzte und es dabei schaffte, nicht direkt neben Edith sitzen zu müssen. Ihr Flirt mit Sir Richard Blackwell war anscheinend Geschichte, denn eine Verabredung mit ihm hatte sie anscheinend nicht. Was sie an ihm fand, war für mich noch immer schleierhaft. Thomas schloss die Tür unseres Abteils und kurze Zeit später fuhr der Zug an. Ich sah lächelnd aus dem Fenster und holte die Vogue aus meiner Handtasche, um mich schon einmal zu informieren, was ich in London alles kaufen könnte.
Sybil
Ich genoss die Aufregung im ganzen Haus in vollen Zügen. In der Bibliothek wurden schon die schweren Fensterläden geschlossen, denn es würde etwas dauern, bis wir wieder zurückkommen würden. Überall liefen Dienstboten mit Koffern und Hutschachteln herum und ich musste mich beeilen, um noch schnell mein Buch aus meinem Zimmer zu holen, bevor ich mich zu Mary ins Auto setzte. Ich freute mich auf London, auch wenn es hieß, dass es vorerst keine geheimen Ausflüge zu politischen Veranstaltungen geben würde. Mittlerweile fuhr ich beinahe wöchentlich mit Branson, der es sich zur Angewohnheit gemacht hatte, anstatt beim Auto zu warten einfach mitzukommen. In London war dank Mama unser Terminkalender so voll mit Dinners, Bällen und anderen gesellschaftlichen Ereignissen, dass ich Glück haben würde, mal eine ruhige Minute für mich allein finden zu können. Umso mehr genoss ich die Zugfahrt, bevor wir uns in das Stadtleben stürzen würden. Auch Mama und Papa waren gut gelaunt, nach London zu kommen - Mama bestimmt in der Erwartung, mit einem künftigen Schwiegersohn nach Yorkshire zurückzukommen. Nach einigen Stunden fuhr der Zug endlich in King's Cross ein und ich stieg als erste aus. Die Autofahrt nach Grantham House dauerte nicht lange und ich folgte Mary und Edith lächelnd die Stufen zur Eingangstür hinauf.
Jimmy
London hieß vor allem eines - viel Arbeit. Ich hatte aufgehört, die Koffer zu zählen, die ich aus dem Haus auf die Autos und Pferdewagen schleppen musste. Über die viele Arbeit half nur hinweg, dass wir nach London fuhren! Endlich wieder Menschenmengen, Chaos, volle Straßen und die Aussicht auf ein wenig Spaß. Wie immer mussten einige Dienstboten bereits früher in Richtung Grantham House abfahren, damit alles einladend aussah, wenn die Crawleys ankamen. Ich war einer der Auserwählten. Nachdem ich die unzähligen, bereist fertig gepackten Koffer bereits verladen hatte, nahm ich mit den einigen anderen - Hausmädchen und auch Mrs Hughes, die dieses Jahr Haushälterin von Grantham House sein würde, solange die eigentliche Haushälterin krank war - den Zug am Vorabend und stand jetzt erwartungsvoll vor dem Haus. Die nächsten Stunden würde ich damit verbringen, all die Koffer die Treppen hochzuschleppen, auszupacken und dann zwischenzeitlich immer wieder das Essen servieren zu müssen. Aber ich war in London, es schien sogar die Sonne und anders als in Yorkshire herrschte eine nervöse Aufregung aller Dienstboten, die ansteckend war. Ich rückte noch einmal die Livree zurecht, als ich die Autos kommen sah - Mr Carson natürlich direkt im ersten Auto neben Mr Branson, der auch in London der Chauffeur sein würde. Ich öffnete Lord und Lady Grantham die Tür und beeilte mich dann, um auch den jungen Ladies herauszuhelfen. Thomas fuhr bei ihnen vorne mit und ich lächelte ihn kurz an, bevor ich mich auch schon daran machte, die ersten Koffer auszuladen.

Edith
Mary wartete schon ungeduldig, als Sybil und ich aus dem Haus kamen und uns zu ihr ins Auto setzten. Es war Juni und somit Sommer und wieder einmal Zeit für London. Normalerweise genoss ich es, aus Yorkshire herauszukommen, denn wer mochte London denn auch nicht? Aber dieses Jahr war meine Stimmung nach wie vor getrübt von den Ereignissen der letzten Monate. So sehr ich mich auch dagegen wehrte, Sir Richard ging mir nicht aus dem Kopf. Zwar war die Erinnerung an ihn schon deutlich verblasst – ich konnte mich nicht mehr so genau an seine sturmgrauen Augen erinnern wie noch vor zwei Monaten, was wirklich schade war –, aber manchmal, wenn mich im Unterbewusstsein etwas an ihn erinnerte, überkam mich doch wieder eine Welle von Traurigkeit. Natürlich war London theoretisch der perfekte Ort, um sich abzulenken oder sogar andere Männer kennen zu lernen, aber erstens war ich nicht in Stimmung dafür und zweitens war das mit Mary als Begleitung quasi unmöglich, denn sie zog Männer an wie das Licht Motten und machte sämtliche andere Frauen quasi unsichtbar. Nachdem ihr in den letzten Monaten beinahe jeder männliche Besucher von Downton Abbey zu Füßen gelegen hatte, war ihr Selbstbewusstsein noch mehr gewachsen als sonst und mit Neid beobachtete ich, wie sehr sie sich auf London freute. Schon jetzt unglücklich über die Aussicht, die meiste Zeit als Mamas Anhängsel Tee zu trinken, während Mary sich beim Einkaufen und flirten amüsierte, starrte ich aus dem Autofenster, während meine Schwestern sich schon begeistert darüber unterhielten, was sie in London als erstes machen wollten. Auch auf der Zugfahrt hatte ich meine Ruhe – Mary blätterte in einem ihrer Modeblättchen, während Sybil anscheinend nicht nach Reden zumute war. Dennoch – als ich in London in das Auto stieg, das mich zum Grantham House bringen würde, konnte ich nicht anders, als mich ein klein wenig von der Stimmung, die ich durch die Scheiben beobachtete, anstecken zu lassen. Ich musste einfach das Beste aus diesen Wochen machen – schlimmer als zuhause in Downton konnte es ja auch hier nicht werden.
Thomas
Es war wieder einmal Zeit für die London Season. Nach vielen Jahren im Dienst teilte ich Jimmys Begeisterung allerdings nicht mehr. Ich kannte London und die Arbeit dort unterschied sich nicht wirklich von der in Yorkshire. Doch dieses Jahr hatte ich zum ersten Mal etwas in London zu tun, bei dem es nicht um die Familie ging und ich dachte an nichts anderes, während ich Koffer in Autos verstaute und auf den unbequemen Holzbänken im Zug saß. Noch immer hatte ich den Wortlaut der Anzeige ganz genau im Kopf und das Magazin natürlich mitgekommen. Choose your own path. Es klang perfekt. Teuer vielleicht, aber perfekt, wenn ich nicht mein weiteres Leben in Einsamkeit verbringen, sondern endlich auch lieben und wie andere Männer leben können wollte. Und die Behandlung, die mir dieses normale Leben ermöglichen würde, fand nur etwas außerhalb von London statt. Ich hatte mir alles genau überlegt: Carson würde ich erzählen, dass mein Vater schwer erkrankt war, sodass er mir einen Tag frei gab. Nicht einmal Carson hatte so wenig Herz, dass er es mir verwehren würde, meinen im sterben liegenden Vater noch ein letztes Mal sehen zu können. Dieser eine Tag würde reichen, um mir alles erklären zu lassen und die nötigen Medikamente und Instrumente kaufen zu können; den Rest der Behandlung würde ich auf Downton Abbey weiterführen können. Ohne Nebenwirkungen, wie die Anzeige versprochen hatte. Während unserer Fahrt zu Grantham House sah ich mich schon mit Jimmy gemeinsam in einem Pub sitzen, Bier trinken und mit Frauen reden. Fast schon gut gelaunt grinste ich ihn kurz an, als wir am Haus ankamen. Wer auch immer sich diese Therapie ausgedacht hatte – ich war ihm von Herzen dankbar.

Sybil
In der Eingangshalle stapelten sich bereits die ersten Koffer, während Mrs Hughes versuchte, irgendwie Ordnung zu schaffen. Lächelnd sah ich die vertrauten Gemälde und Tapeten an, bevor ich Mama die Treppe nach oben folgte. Wir würden uns alle kurz frisch machen, bevor es dann einen späten Tee im Salon geben würde. Mary hinter mir machte schon jetzt Pläne, morgen früh zu einem Schneider zu gehen. Ich war im Moment nur froh, hier in London zu sein - alles weitere würde sich zeigen. In meinem Zimmer, das deutlich kleiner war als auf Downton Abbey, legte ich meinen Hut ab und sah aus dem Fenster auf die Straße vor dem Haus. Jimmy und Thomas mühten sich mit den schweren Koffern ab, während Carson sie dabei wachsam beobachtete und delegierte, wo welches Stück hin musste. Branson unterhielt sich mit einem der anderen Chauffeure. Unsere gemeinsamen Ausflüge würden jetzt wohl oder übel eine kurze Pause einlegen, was mich traurig machte. Durch ihn hatte ich viel gelernt und es war schön, mit jedem alles diskutieren zu können, was mir durch den Kopf ging. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Thomas einen meiner Koffer nach oben brachte und Anna gleich hinterherkam, um ihn auszuräumen.
Mary
Ein wenig erfrischt nach der langen Fahrt ging ich mit dem Schlagen der Standuhr in der Eingangshalle wieder die Treppen nach unten zum Tee in den Salon. Carson wartete bereits am Fuß der Treppe und reichte mir einen Brief, der anscheinend mit der zweiten Post gekommen war. Ich bedankte mich, öffnete ihn und ging lesend in den Salon, wo bereits alle anderen schon versammelt waren. "Edward Armstrong hat mich noch einmal an unsere Verabredung zum Lunch übermorgen erinnert", antwortete ich auf Mamas fragenden Blick und steckte den Brief zurück in den Umschlag. Mir entging der Blick nicht, den Mama Papa zuwarf und ich verdrehte die Augen. Sie verstanden noch immer nicht, dass Edward und mich nicht mehr als eine Freundschaft verband. Und auch die stand noch auf wackligen Beinen, denn seit dem Cricket hatten wir uns wenn überhaupt nur kurz gesehen - das Treffen übermorgen würde also mehr als spannend werden, ob wir wirklich so gut miteinander klar kamen wie beim erfolgreichen Cricketspiel. "Also, begleitet mich morgen jemand zum Schneider?", fragte ich deshalb schnell, um das Thema zu wechseln. Sybil und Mama stimmten mir sofort zu und auch Edith konnte nach einem eindeutigen Blick von Mama nicht mehr ablehnen.
Jimmy
Meine Muskeln schmerzten und als wir den Tee servieren mussten, war noch immer nicht alles eingeräumt. Thomas hatte noch nicht einmal eine richtige Pause nach der langen Anreise gehabt, nur eine Tasse Tee im Stehen in der Küche, während Mrs. Patmore und Daisy um ihn herumliefen. "Thomas, Sie teilen sich das Zimmer mit James", hatte Mr Carson uns noch erklärt, als wir draußen die nächsten Koffer schleppten. Grantham House war für uns Dienstboten im einiges enger als Downton Abbey, deswegen mussten wir fast alle wie Sardinen eingezwengt zu zweit in einem Zimmer schlafen. Ich hatte schon gestern damit gerechnet, als ich zwei Betten in meinem Zimmer vorgefunden hatte. Viel Zeit würden wir sowieso nicht dort verbringen. Ich rannte förmlich die Treppen nach unten, um pünktlich den Tee zu servieren und genoss es, einfach nur hinter dem Tisch stehen und ab und zu eine Tasse Tee einschenken zu müssen, anstatt tonnenschwere Koffer zu tragen.

Edith
Erleichtert setzte ich mich auf mein Bett, als wir endlich alle auf unsere Zimmer gehen und uns etwas ausruhen konnten. Es war angenehm still, nur von der Straße draußen kamen gedämpft Stimmen und ab und zu Motorengeräusche zu mir herein. Ich nahm meinen Hut ab, streckte mich und ging kurz darauf wieder nach unten in den Salon, wo wir noch Tee trinken würden. Mary kam als letzte herein, in einen Brief versunken – was Mama natürlich zu einem vielsagenden Blick veranlasste. Doch Mary beharrte ständig darauf, dass Mr. Armstrong und sie nichts weiter als Bekannte waren, was mich regelmäßig innerlich kochen ließ. Mr. Armstrong war für Marys Geschmack zwar zu arm, aber ich war mir sicher, dass sie im Zweifelsfall nichts davon abhielt, einem Mann schöne Augen zu machen, wenn ihr Ego es gerade brauchen konnte. Schnell wechselte sie das Thema und fragte uns, wer sie morgen zum Schneider begleiten würde. "Ich kann ni-", fing ich gerade an, da war mir schon klar, dass es nutzlos war, denn Mamas Blick ließ keine Widerrede zu.
Thomas
Man gönnte mir keine Pause, aber zum Glück hatte ich vorsorglich die Zugfahrt zum Ausruhen genutzt. Ich trug Koffer und räumte ein und aus bis ich meine Arme kaum noch spürte und schüttete dann im Stehen schnell einen Tee hinunter, während mir Anweisungen von Mrs. Patmore und Carson um die Ohren flogen. Lediglich der Gedanke an meinen bevorstehenden Ausflug ließ mich die Fassung bewahren. Noch war ich mir nicht ganz sicher, was den Zeitpunkt anging. Carson sollte ja keinen Verdacht schöpfen, aber zu lange warten wollte ich auch nicht mehr. Carson hatte vorhin schon verkündet, dass ich mir ein Zimmer mit Jimmy teilen würde – eine Nachricht, die mich vor nicht allzu langer Zeit noch völlig aus der Fassung gebracht hätte, aber jetzt war ich einfach nur froh, jemanden, der mich leiden konnte als Zimmernachbar zu haben. Und in ein paar Monaten würde ich hoffentlich in der Lage sein, mir auch ohne jegliche Hintergedanken Zimmer mit sämtlichen Männern der Welt teilen zu können. Ich hatte meinen Tee noch nicht ganz leergetrunken, als es schon Zeit für den Tee der Familie war. Schnell stürzte ich den Rest hinunter – wahrscheinlich würden meine Hände beim Tee ausschenken zittern, so sehr hatte ich meine Armmuskeln vorhin beansprucht.

Lady Mary
Nach einem kurzen Dinner gingen alle früh ins Bett nach dem langen Tag, um sich am nächsten Morgen direkt in das Stadtleben stürzen zu können. Papa hatte auch einiges zu erledigen und war bereits früh aus dem Haus. Auch wir brachen direkt nach dem Frühstück auf und ließen uns von Branson in die Einkaufsstraße fahren. Ich wollte zu einem bestimmten Schneider, um an ein neues Kleid zu bekommen, das dem in der Vogue ähnlich sah. In London musste man schließlich Eindruck hinterlassen und so hatte ich nur meine besten und modernsten Kleiderstücke mitgenommen. Man wusste schließlich nie, wen man treffen konnte. Trotz der frühen Uhrzeit war es bereits voll auf den Londoner Straßen, aber wenigsten war in besagtem Laden nicht allzu viel los. Während ich dem Schneider genau beschrieb, was ich mir vorstellte, sahen sich Sybil und Mama Stoffe an. Nur Edith schien nicht richtig in Stimmung, aber wann war sie das schon einmal? "Lady Grantham? Wie schön, Sie hier zu sehen!", klang da eine Stimme durch den Verkaufsraum und wir alle drehten uns um, als eine ältere, mit einem großen Hut bekleidete Dame auf Mama zuging und dabei breit lächelte. "Ich habe nicht gewusst, dass Sie schon in London sind! Was für ein Zufall!" Mama erwiderte die Begrüßung mit einem Lächeln. "Guten Tag, Lady Cadwaller", antwortete Mama. "Wir sind erst gestern angekommen, es ist unser erster Morgen in London" Ich hatte Lady Cadwaller vorher noch nie gesehen und wandte mich nach einer Weile wieder den Schnittmustern zu, die mir der Schneider zeigte. Mama und Lady Cadwaller tauschten die üblichen Themen aus - das Wetter, die Familie, Yorkshire und die kommenden Ereignisse der Saison. Erst, als ich Stoff und Schnitt bereits ausgewählt hatte und bereit war zu gehen, kamen auch die beiden zu einem Ende ihres Gesprächs. "Wir geben am Samstag eine große Gartenparty in unserem Haus - es wäre mir eine Freude, Sie dort alle begrüßen zu dürfen. Es werden einige Gäste erwartet, also nichts allzu intimes. Aber sicher wird es ein großer Spaß!", schlug Lady Cadwaller dann vor und Mama stimmte zu, bevor wir uns alle verabschiedeten. "Wirklich, Mama - wer ist diese Lady Cadwaller? Bestimmt ist auf ihrer Gartenparty niemand unter 80 Jahren alt", fragte ich draußen und richtete meinen Hut.

Edith
Der Anreisetag dauerte nicht mehr allzu lange, denn niemand war noch munter genug für ein langes Dinner. Aber am nächsten Morgen schleppten Mama, Sybil und Mary mich schonungslos direkt nach dem Frühstück zu dem Schneider, zu dem Mary unbedingt wollte. Eine Weile schaute ich ihr lustlos dabei zu, wie sie verschiedene Stoffe ansah und doch wieder verwarf, während Mama überlegte, ob der auberginenfarbene Stoff, den man gerade an allen wichtigen Persönlichkeiten Englands sah und den sie sich nun von allen Seiten ansah, mir stehen würde. Aber da ich nicht Marys Alabasterteint und ihr gleichmäßiges, dunkles Haar hatte, erwies es sich bei mir als weniger einfach, etwas zu finden, das zur mir passte. Deshalb war ich auch fast schon erleichtert, als eine mir unbekannte, steinalte Frau auf uns zukam und Mama begrüßte wie eine alte Freundin – was sie anscheinend auch war. Mama kannte sie anscheinend tatsächlich, aber auch Mary und Sybil war Lady Cadwaller, wie Mama sie ansprach, ihren verdutzten Gesichtern nach zu urteilen völlig unbekannt. Als besagte Lady uns dann auch noch auf eine Gartenparty einlud, war ich endgültig genervt. Das Letzte, was ich im Moment tun wollte, war zwischen fröhlichen Menschen zu stehen, Cocktails zu trinken und Mary dabei zuzusehen, wie sie von Männern umschwärmt wurde. Wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob diese alte Fledermaus schon im Zeitalter von Cocktails angekommen war. Ausnahmsweise musste ich Mary Recht geben, die beim Verlassen der Schneiderei ähnliche Bedenken äußerte: Es war mehr als unwahrscheinlich, dass wir dort jemanden in unserem Alter treffen würden. "Mary, ich bin mir sicher, es werden mehr als genug Gäste anwesend sein, die jünger sind als 80 Jahre", sagte Mama mit tadelndem Unterton, lächelte aber amüsiert. "Lady Cadwaller ist eine alte Bekannte von mir und es war sehr nett, uns einzuladen. Ehrlich gesagt war ich selbst überrascht, dass sie mich noch kennt, es muss Jahrzehnte her sein, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben", überlegte sie dann laut. Aber so war Mama – immer froh darüber, zu einem Fest eingeladen zu sein.

Lady Mary
"Bestimmt, schließlich ist man mit 70 Jahren ja auch viel jünger als 80", murmelte ich nur leise und Sybil neben mir lachte. "Wie auch immer, ich bin am Samstag mit Edward Armstrong verabredet - die Gartenparty muss wohl leider ohne mich stattfinden", sagte ich dann wieder lauter zu Mama, die das natürlich schade fand, ganz im Gegenteil zu mir.
Ich konnte mir hundert andere Anlässe vorstellen, zu denen ich lieber gehen würde als Lady Cadwallers Gartenparty. Edith schien zwar auch nicht gerade begeistert, aber im Gegensatz zu mir hatte sie keinen anderen Termin und musste wohl oder übel mit. Trotzdem war Mama nicht ganz am Boden zerstört, schließlich hatte ich eine Verabredung mit einem Mann und das kam einem Heiratsantrag im Moment so nah wie nichts anderes. Edith und Sybil waren schließlich auch noch mehr als ungebunden und Mama bekam anscheinend wieder einmal Angst, dass wir alle als alte Jungfern sterben würden. Am Samstag wäre ich allerdings aus dem Spiel, wenn sie wieder einmal alle jungen, unverheirateten Männer auf uns aufmerksam machen würde.
In London schien die Zeit schneller zu vergehen als in Yorkshire, denn im Nu war es Samstag und ich zog mich zum Lunch mit Edward Armstrong um. Dabei wählte ich ein cremefarbenes Kleid mit grauem Kragen und dazu passendem Mantel und Hut, außerdem eine lange Perlenkette. Zwar nicht ganz die neueste Londoner Mode, aber definitiv chic genug. Außerdem strahlten meine Augen dadurch und das konnte ja nie schaden, auch wenn ich nicht mit solchen Absichten aufbrach. Die Zeiten lagen hinter uns und mir reichte es vollkommen, nur mit Edward befreundet zu sein. Schließlich war er nahezu der einzige, der über meine Kommentare lachen konnte. Branson hatte den Rest bereits zu Lady Cadwaller gebracht und ich war noch immer froh, nicht mitkommen zu müssen. Edward hatte ein angesagtes Restaurant in der Stadt gewählt und wartete bereits vor der Tür, als Branson mir die Tür aufhielt. "Edward, wie schön dich zu sehen", sagte ich lächelnd, als ich auf ihn zuging. "Ich muss dir schon jetzt danken, du hast mich vor der Gartenparty einer Mumie gerettet"
Sir Richard
Pünktlich zur Saison in London hatte ich meine Reise beendet, wenn auch nicht ganz freiwillig. Noch immer arbeitete ich ab und an für die Regierung, die mich natürlich jetzt brauchte, wo alle ranghohen Männer in der Stadt war. Im Geiste plante ich schon, im August direkt wieder abzureisen, denn das Reisen hatte mir viel Spaß gemacht. Und mich auf andere Gedanken gebracht, die mich nur zu sehr verfolgten. Die Chancen standen zwar hoch, dass auch die Crawleys in London waren - aber zum einen ging ich wenig aus und zum anderen wählte ich, sollte es doch so sein, nur die Anlässe aus, bei denen Lady Edith sicherlich nicht auftauchen würde. Lady Cadwallers alljährliche Gartenparty zum Beispiel. Cocktails waren hier so fremd wie regelmäßiger Sonnenschein in England und man begnügte sich damit, über den weiten Rasen zu schlendern, sich zu unterhalten und nachher Tee zu trinken. Also definitiv keine Angelegenheit für eine junge Frau mitten im Leben. Ich war mit meinem Auto gekommen und unterhielt mich jetzt mit einem alten Bekannten. Es war mehr als voll, aber so würde es wenigstens niemand merken, wenn ich keine Lust mehr hatte und einfach gehen würde. Ich musste mein Leben als Einsiedler ja nicht noch mehr herausfordern.

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