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Edith
Meine Beruhigung dauerte nicht lange. Noch während Mary sprach, spürte ich, wie alle Farbe aus meinem Gesicht wich – und aus dem meiner Eltern. "Na schön, es ist wahr", sagte ich und konnte meine Wut über Mary kaum verbergen; darüber, dass sie mir die Chance genommen hatte, es Mama und Papa selbst zu erzählen. "Seit wir uns auf Lady Cadwallers Gartenparty wiedergesehen haben, stehen wir in Kontakt." Ich hielt Mamas erschrockenem Blick stur stand. "Aber warum hast du uns nichts erzählt?" Papa fiel ihr ins Wort. "Edith, ich dachte, mit diesem Thema wären wir durch", sagte er genervt. "Wir wollen nicht, dass du als Krankenschwester und Gespött des Dorfes endest, das willst du doch auch nicht, oder?" Er war kurz davor, seine Zeitung wieder aufzunehmen, mit meiner Antwort hatte er anscheinend nicht gerechnet. "Ihr versteht nicht, oder? Ich meine es ernst." Um meine Worte zu unterstreichen, zog ich die Augenbrauen hoch. "Wir beide meinen es ernst." Ich hätte gerne noch erwähnt, dass wir uns bald verloben würden – denn nun war das Geheimnis ja ohnehin schon erzählt – ließ es aber sein. Noch war ja nichts sicher. Und auch, wenn ich es mir nicht wünschte, konnte ich mir ja doch nicht sicher sein, dass Richard seine Meinung nicht wieder änderte. Vor allem, wenn meine Eltern sich wieder einmischen würden. Ich würde es ihnen nie verzeihen, sollten sie mir diese Chance auf eine Ehe zerstören.
Lady Anstruther
Wieder einmal tat Jimmy unbeeindruckt, aber seine Nervosität war ihm deutlich anzusehen. Ich stellte mich vor ihn, als er, durch einige Strandhäuser vor den Blicken seiner Arbeitskollegen geschützt, stehenblieb. "Aber wie du selbst schon gesagt hast, musst du im Endeffekt in London auch nur arbeiten", erinnerte ich ihn an etwas, dass er vor Jahren einmal zu mir gesagt hatte. Es hatte wirklich durchaus Vorteile, dass man als Frau so ein gutes Gedächtnis für ein Mal gesagte Dinge hatte. Man konnte sie immer für seinen Willen benutzen. "Also wenn es dir doch zu langweilig werden sollte, bist du jederzeit bei mir willkommen", bot ich ihm lächelnd an. "Und damit meine ich nicht meinen Salon." Zufrieden nahm ich zur Kenntnis, dass er bei meinen Worten tatsächlich rot wurde. Ich war mir sicher, dass er mich besuchen kommen würde – Männer konnten einfach so schrecklich vorhersehbar sein. Ich nannte ihm meine Adresse, für den Fall, dass er sie nicht mehr wusste und ging dann Richtung Wasser davon, sodass Jimmy noch genügend Ausblick auf meine Rückansicht hatte.

Mary
Ich sah Edith mit einem überlegenen Lächeln an, als sie nicht anders konnte, als ihre Lügen endlich aufzugeben. Papa sah aus, als ob er gleich aus seinem Sessel aufspringen würde. Fast schon schmiss er die Zeitung auf den Beistelltisch und sah Edith wütend an, als diese ihm ins Gesicht sagte, dass es ihr ernst mit Sir Richard war. "Das ist doch Unsinn - du kannst es kaum ernst meinen. Edith, bitte", sagte Papa und versuchte es mit seinem ernsten Blick. "Warum sollte sie es nicht ernst meinen, Papa?", mischte sich dann auch Sybil ein und Papa seufzte. "Es geht hier um Ediths Leben und da sollte sie selbst entscheiden können" Mama und Papa sahen das allerdings ein wenig anders, denn Mama sah immer noch sehr erschrocken aus. Wahrscheinlich dachte sie gerade daran, dass sie auf Lady Cadwallers Gartenparty besser auf Edith hätte aufpassen müssen, damit sich Sir Richard Blackwell nicht wieder in ihr Leben einmischen konnte. Lady Cadwaller erinnerte mich unwillkürlich an den geschichtsträchtigen Lunch am gleichen Tag mit Edward und Mr. Howard... Schnell schob ich die Gedanken daran beiseite und lächelte Edith noch kurz an. "Was heißt 'ernst'?", fragte Mama dann vorsichtig - wahrscheinlich rechnete sie schon mit einem feststehenden Hochzeitsdatum. Trotzdem glaubte ich neben dem ersten Schock auch einige andere Gefühle auf ihrem Gesicht ablesen zu können - war sie etwa doch glücklich, wo es endlich so aussah, als würde eine von uns heiraten?
Jimmy
Dass sich Lady Anstruther beherrschen konnte, mich nicht gleich zu küssen, erstaunte mich schon. Irgendwie schaffte sie es, dass ich wahrscheinlich sogar erwidert hätte. Aber wir standen so eng beieinander von den Blicken der anderen abgeschirmt und ihr Outfit war noch immer mehr als aufregend... Und so konnte ich nicht verhindern, dass ich doch tatsächlich rot wurde, als sie mich wieder für eine Nacht einlud - zu sich nach Hause. Die Adresse würde ich wahrscheinlich nie vergessen, nicht bei einer solchen ehemaligen Arbeitgeberin. Und dann ging sie einfach. Ich hatte mich auf eine Diskussion eingestellt, in der sie mich wieder überzeugen wollte, dass ich doch wieder für sie arbeiten sollte. Das Angebot von ein wenig nächtlichem Spaß war da ja doch ganz anders - und sehr verlockend. Ich sah ihr nach, vergaß kurz die Zeit und merkte dann, wie dumm ich gerade wieder gewesen war. Sie wusste nur zu genau, dass ich nur schwer widerstehen konnte... Und die Abende waren wirklich langweilig. Das hatte sich nicht geändert, nur weil wir in London waren. Ob ich hier servierte oder in Yorkshire machte keinen Unterschied. Ich konnte gar nicht anders als ernsthaft über Lady As Angebot nachzudenken. Gedankenverloren kaufte ich das Eis für mich und Thomas und setzte mich dann wieder bei den anderen Dienstboten zu ihm. Aus Angst, dass Carson sie erkennen könnte, sah ich mich nicht mehr nach Lady Anstruther um.

Edith
Mit verkniffenem Gesicht starrte ich Mary an. Ich hatte sie selten so sehr gehasst wie jetzt, als sie mich triumphierend anlächelte. Was hatte ich ihr bloß getan – abgesehen davon, dass ich gerade mehr Glück in der Liebe hatte als sie. Papa sah mittlerweile aus, als würde er am liebsten zu Sir Richard fahren und diesen für den Rest seines Lebens in der Vorratskammer einsperren, damit er nicht auf die Idee kommen konnte, mich zu heiraten. "Papa, bitte!", wiederholte ich seine Worte. "Ich meine es ernst, sehr sogar." Endlich mischte sich auch Sybil ein, die einzige in dieser Familie, die zu mir hielt. Dankbar lächelte ich sie an, aber ihre Worte schienen bei Mama und Papa nicht viel zu bewirken. "Ich denke, dass er mir bald einen Antrag machen wird", antwortete ich wahrheitsgemäß auf Mamas Frage und schaute gespannt in die Runde. Ich wollte Marys Gesicht sehen, wenn sie hörte, dass ich mit höchster Wahrscheinlichkeit vor ihr heiraten würde. Denn so schnell würde nicht einmal sie es schaffen, einen Ehemann zu finden.
Thomas
Ungeduldig reckte ich den Kopf in Richtung des Eisstandes, aber dort war keine lange Schlange. Was dauerte denn da so lange? Und vor allem: Wo steckte Jimmy überhaupt? Ich konnte ihn nirgends sehen. Nicht auszuschließen, dass er wieder mal am Flirten war – seit unserer Ankunft am Strand hatten ihn mindestens fünf Frauen schüchtern lächelnd oder kichernd angeschaut. Bei diesem Gedanken fiel mir mein Termin bei Dr. Wesby in drei Tagen wieder ein und ich schaute nachdenklich aufs Meer hinaus. Mit etwas Glück war ich bald genauso wie Jimmy. Eigentlich war ich niemand, der sich oft oder gerne Hoffnungen machte, aber mittlerweile konnte ich kaum noch verhindern, dass sie in mir aufkeimte. Es klang alles so vielversprechend. Ein paar Spritzen, leichte Schmerzen... Und bald schon würde ich mich fragen, wie ich jemals Jimmy hatte küssen können. Dieser war mittlerweile mit dem versprochenen Eis wieder bei mir angekommen und setzte sich neben mich. Dankend nahm ich mein Eis und schaute ihn forschend an. Er sah nicht aus, als hätte er gerade eine attraktive Frau getroffen. Eher einen Geist. "Wir sind am Strand, Mr Carson ist nicht zu sehen und wir essen Eis. Was genau konnte dir jetzt innerhalb von zehn Minuten so sehr aufs Gemüt schlagen? Und wo warst du die ganze Zeit?", fragte ich stirnrunzelnd. Bei einer Frohnatur wie Jimmy merkte man einfach sofort, wenn etwas nicht stimmte.

Mary
Beim Wort Antrag zog Mama scharf Luft ein und Papa stand jetzt endlich auf, um unruhig durch den Raum zu laufen. Und ich starrte Edith einfach an. Einen Antrag? War es etwa so ernst? Gut, er hatte sie auf die Wange zum Abschied geküsst. Aber daraus gleich einen Heiratsantrag zu machen, ging dann doch zu weit. Dennoch hatte Edith im Moment etwas in ihrem Leben, das ich schon seit Monaten nicht mehr hatte - einen Mann. Im Rückblick kam mir die Sache mit Henry Redvers vor wie ein kindliches Spiel und mit Edward war es auch nie wirklich ernst geworden... Und seitdem war es ruhig geblieben bezüglich Männern. Konnte ich wirklich auf Edith eifersüchtig sein? Als ich ein Lächeln auf ihrem Gesicht bemerkte, wandte ich schnell den Blick ab und folgte Papa. "Wirklich, Papa - es ist doch nichts schlimmes, dass Edith einen Mann gefunden hat, den sie heiraten möchte", fing Sybil wieder an und lächelte Edith aufmunternd an. "Es ist doch genau das, was ihr immer wollt für uns-" "Sybil, genug!", unterbrach Papa sie und sah Edith an. "Sir Richard kann es nicht ernst meinen. Er hat dich schon einmal verlassen, Edith. Warum sollte er es nicht noch einmal tun?" Da hatte er einen Punkt.
Jimmy
Ich starrte angestrengt auf die Picknickdecke und aß still mein Eis. "Sie ist hier", antwortete ich Thomas nur leise. "Lady Anstruther", fügte ich dann bei seinem verwirrten Gesichtsausdruck hinzu. Ich vergaß kurz mein Eis, als Thomas sich nach ihr umsah und ich tatsächlich ein Stück entfernt eine Frau mit viel freier Haut erkannte. "Schau sie nicht an! Sonst merkt Carson noch etwas... Sie hat mir angeboten, dass ich sie besuchen kommen könnte - über Nacht", erzählte ich ihm dann. Zum Glück war gerade niemand in der Nähe und der allgemeine Lärm am Strand übertönte unser beinah geflüstertes Gespräch. Mein Eis bemerkte ich erst wieder, als es mir auf die Hand tropfte. Schnell leckte ich alles ab und seufzte ab. "Du hättest sie sehen müssen - in einem Badeanzug. Carson fällt in Ohnmacht, sollte Lady Mary jemals so etwas tragen" Nicht, dass es mir etwas ausmache, viel nackte Haut zu sehen. Nur an diesem öffentlichen Ort ging es mir doch ein wenig zu weit.

Edith
Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass Papas Worte mich trafen, denn genau das war ja auch meine Befürchtung: Dass Sir Richard mich wieder sitzenlassen würde. Aber was konnte ich im Moment schon anderes tun, als ihm zu vertrauen? Wenn ich in Zukunft jedem Mann, der sich für mich interessierte, schlechte Absichten unterstellen würde, würde ich nie heiraten. "Warum sollte er es nicht ernst meinen? Menschen ändern ihre Meinung, dass solltest du auch wissen, Papa", sagte ich stur. "Und im übrigen weiß ich nicht, was du gegen ihn hast. Er kann mich glücklich machen, und wenn du gegen eine Heirat mit ihm bist, dann bist du offensichtlich auch dagegen, dass ich glücklich werde!" Langsam wurde ich wütend – und zwar mindestens genauso sehr auf Papa wie auf Mary. In unseren Kreisen drehte sich alles ums Heiraten, aber war man verliebt, dann nicht in den Richtigen. Wie konnten Gefühle nur eine so unbedeutsame Rolle spielen? "Edith, das hat er doch gar nicht gemeint", fiel Mama diplomatisch ein. Herausfordernd sah ich sie an. "So? Was denn dann? Er wird mich nicht wieder verlassen und wenn das das einzige Argument ist, das ihr gegen unsere Hochzeit habt, dann verstehe ich nicht, warum sie nicht stattfinden sollte!" Mittlerweile hoffte ich wirklich, dass Richard mir tatsächlich einen Antrag machen würde, sonst hätte ich mich mit meinem Gerede vom Heiraten ziemlich blamiert. Vor allem vor Mary.
Thomas
Erst verstand ich nicht, was Jimmy meinte, als er nur kryptisch Sie ist hier sagte. Es klang so unheilvoll, als werde er von einer Untoten verfolgt. Erst, als Lady Anstruthers Name fiel, wurde mir alles klar. Unauffällig schaute ich mich um, konnte sie aber nicht erkennen und Jimmy wies mich sofort panisch an, mich nicht so auffällig umzuschauen. Natürlich, Carson war immer eine Gefahr für Jimmy bei seinen Frauengeschichten. "Ist schon gut", grinste ich beschwichtigend. Diese Frau hatte Jimmy so sehr unter Kontrolle, dass es mir fast leid tat. Auch, dass sie Jimmy in einem Badeanzug überfallen hatte, würde ihn vermutlich noch wochenlang verfolgen. Ihr Angebot überraschte mich daher wenig. "Und?", fragte ich Jimmy. "Wirst du hingehen?"

Mary
"Das werden wir noch sehen...", murmelte ich leise. Die wenigen Male, die ich Sir Richard Blackwell getroffen hatte, kam er mir nicht vor wie das Selbstbewusstsein in Person. Schon einmal hatte er sich Papas und bestimmt auch Grannys Meinung gefügt und Edith allein gelassen. Wohl kaum hatte sich in einigen Monaten seine ganze Persönlichkeit geändert. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er jetzt allen Widerständen zum Trotz um Ediths Hand anhalten würde. Aber auf der anderen Seite kannte ich ihn auch nicht - er war mir immer so langweilig und alt vorgekommen, dass ich mich nie für ihn interessiert hatte. "Am besten beruhigen wir uns alle erst einmal und reden später darüber", meinte Mama vor allem mit einem kritischen Blick zu Papa, der immer noch nicht aussah, als ob er sich gleich wieder beruhigen würde. Wären die Dienstboten nicht auf einem Ausflug gewesen, hätte jetzt sicher jemand nach Tee geklingelt. Denn Tee half ja in allen Lebenslagen. "Wir müssen uns umziehen, sonst kommen wir zu spät zu Rosamund", sprach Mama ein letztes Wort und ging aus dem Salon. Zögernd stand Edith auf und Sybil folgte ihr gleich. "Gehst du morgen Abend wirklich mit ihm ins Theater?", fragte Sybil gut gelaunt, als wäre der ganze Streit nicht gewesen, während ich Papa noch einen Blick zuwarf und dann den beiden folgte.
Jimmy
Thomas fand die Sache anscheinend amüsant, während ich immer noch angespannt war. Würde sie wohl im gleichen Zug reisen? Wenn, wohl kaum in der dritten Klasse. Eine Weile ließ ich Thomas Frage unbeantwortet, aß mein Eis und spielte dann mit dem Sand. "Wie ich mich kenne, ja", antwortete ich dann und konnte nicht anders, als Thomas auch anzugrinsen. Er kannte mich ja auch. Und diese Gelegenheit, die mir auf dem Silbertablett serviert worden war, konnte ich unmöglich ungenutzt lassen. "Wenn ich es unbemerkt zu ihrem Haus schaffe...", fügte ich dann noch hinzu. Denn das war die Schwachstelle - ich musste abends von Grantham House zu Lady Anstruther kommen. Bei ihr angekommen wäre ich dann sicher - schließlich schlich Carson nicht auch bei ihr über die Gänge. Nur konnte ich keine Möglichkeit sehen, einen Abend frei zu bekommen. Außer, ich schlich mich weg. Durch London.

Edith
Hätte Mama nicht eingegriffen, hätten wir wahrscheinlich einen Kleinkrieg angezettelt. Das Thema war definitiv noch nicht vom Tisch, aber jetzt mussten wir uns erstmal umziehen. "Ja, wirklich", antwortete ich Sybil lächelnd, als sie mich im Vorbeigehen fragte, ob ich morgen wirklich mit Richard ins Theater ging. Sie war die einzige, die sein Alter nicht interessierte, und wieder einmal war ich gerührt davon, was für ein großes Herz sie hatte. Als Mary jedoch an mir vorbei ging, griff ich instinktiv nach ihrem Arm. Und da wir die letzten im Salon waren, brauchte ich mir auch keine Mühe zu geben, meine Stimme zu senken. "Was sollte das? Warum nur muss es dir immer so viel Spaß machen, dich in die Angelegenheiten anderer Menschen einzumischen? Erträgt dein großes Ego es nicht, dass ich vor dir heiraten werde?" Ich wusste, dass ich mit dem letzten Satz ihren wunden Punkt getroffen hatte, was wahrscheinlich keine gute Idee gewesen war.
Thomas
Eine Weile aßen wir nur schweigend unser Eis, aber dann beantwortete Jimmy meine Frage doch noch: Er hatte also vor, seine ehemalige Arbeitgeberin zu besuchen. Was schwierig werden würde. "Es muss doch einen Weg geben", murmelte ich und dachte laut nach. "Im Notfall hilft meistens eine ausgedachte Krankheit. Wenn Carson genug um die Ohren hat, wird er nicht weiter nachforschen. Meine Rückendeckung hast du auf jeden Fall", versprach ich ihm, auch, wenn ich kein gutes Gefühl dabei hatte, dass er schon wieder seine Arbeit riskierte. Ich wollte meinen einzigen Freund hier nicht verlieren. Grinsend schüttelte ich den Kopf, während ich den Rest von meinem Eis aß. "Diese Frau ist komplett verrückt. Immerhin brauchst du dir keine Gedanken zu machen, wo du hingehen kannst, falls man dich auf Downton rauswirft", sagte ich noch immer grinsend. Fast schon hatte ich Jimmy darum beneidet, dass die Frauen ihm regelrecht nachliefen, aber dann fiel mir wieder ein, dass ich ja nicht war wie er. Noch nicht, zumindest.

Mary
Auf ein Einzelgespräch mit Edith hatte ich nun wirklich keine Lust. Sie schaffte es jedoch, genau den richtigen Moment abzuwarten und mich im Salon abzufangen - ohne Sybil, die schon nach oben gegangen war und ansonsten immer der Streitschlichter zwischen uns beiden war. "Mama und Papa hatten ein Recht zu wissen, was du mit Sir Richard treibst", antwortete ich ihr, was natürlich ein schwaches Argument war. Aber gab es sonst wirklich einen Grund, warum ich Edith hatte auffliegen lassen? Unsere Beziehung war einfach so. Schließlich hatte auch Edith Henry schlechtes über mich erzählt - unter anderem auch die Sache mit Edward. Ich allein war also nicht die Böse. Aber da sachliche Argumente zwischen Edith und mir nicht ausreichten, machte ich mir auch gar nicht erst die Mühe, mich herauszureden. Denn irgendwie stimmte es, was sie sagte: In meinem Kopf war immer ich diejenige gewesen, die als erste von Papa zum Altar geführt wurde. Und jetzt, wo ich wirklich keinen Mann hatte, der auch nur annähernd als mein Bräutigam in Frage kam, präsentierte Edith Sir Richard Blackwell - inklusive Titel, wenn auch unbedeutend, aber mit einem Haus und einer Position in Yorkshire. "Wer sagt denn, dass du vor mir heiraten wirst? Papa wird sicher morgen zu deinem Verehrer fahren und dann wird er wieder einen Rückzieher machen, wie damals", redete ich weiter. Das war keinesfalls unmöglich. Ein Antrag allein hieß noch nicht, dass es auch eine Hochzeit gab.
Jimmy
Ich grinste Thomas weiter an - wieder bewies er sich als ein mehr als guter Freund. Wer würde schon seinen eigenen Arbeitsplatz mit riskieren, nur damit ich eine Nacht bei einer Frau verbringen konnte? Und der dabei nicht einmal selbst an Frauen interessiert war? "Eine vorgetäuschte Krankheit - nicht schlecht, Thomas. Selbst Carson kann nichts dagegen tun, dass wir einmal krank werden" Ich wurde aber wieder ernster, als Thomas von einem Rauswurf aus Downton sprach. "Das wird eine einmalige Sache sein. Ich habe nicht vor, meine Arbeit hier aufzugeben" Bestimmt würde sie wieder damit anfangen, dass ich bei ihr bleiben sollte - aber ich hatte es schon einmal geschafft, sie dahingehend abzuwimmeln und würde es auch beim nächsten Mal schaffen. Vorausgesetzt, mein Fluchtplan würde klappen.

[...]
Edith
Auch, wenn der gestrige Abend nicht im geringsten so verlaufen war, wie ich es mir gewünscht hätte, war ich fest entschlossen, den heutigen zu genießen. Ich freute mich schon seit Tagen so sehr auf meinen Theaterbesuch mit Richard, dass ich Schwierigkeiten gehabt hatte, einzuschlafen. Und wenn mir das gelang, war er ständig in meinen Träumen. Natürlich war ich auch die Frage nach dem richtigen Kleid tausend Mal im Kopf durchgegangen, war aber sehr zufrieden mit meiner Wahl: Ein schlichtes, aber edles roséfarbenes Chiffonkleid, dazu dezenter Silberschmuck. Da mein Geheimnis über Richard und mich mittlerweile keines mehr war, musste ich mir wenigstens keine Ausrede einfallen lassen, sondern konnte mich ohne jegliche Geheimniskrämerei von Branson zum Theater fahren lassen. Nervös umklammerte ich auf der Fahrt meine Handtasche mit den Theaterkarten darin und zwang mich, ruhig zu atmen. Sollte ich ihm erzählen, dass meine Familie über uns Bescheid wusste? Vermutlich war es besser so, für den Fall, dass meine Eltern oder sogar Mary sich wieder ins unsere Beziehung einmischen würden. Als wir am Theater ankamen, wartete Richard bereits und sah ebenso nervös aus, wie ich mich fühlte – was wiederum meine Aufregung etwas linderte. Lächelnd und gespannt, was der Abend bringen würde, ging ich auf ihn zu.
Lady Anstruther
Ich hatte gewusst, dass Jimmy früher oder später zu mir kommen würde. Daran hatte ich nie gezweifelt. Dass er es bereits am nächsten Abend tat – hatte mich zugegebenermaßen überrascht. Und deshalb lag ich, müde nach einer ausgedehnten Shopping-Tour, auch bereits im Bett, als Mrs. Baker an meiner Tür klopfte. "MyLady, bitte verzeiht die späte Störung. Unten an der Tür ist ein junger Mann, der darauf besteht, hereingelassen zu werden. Er behauptet, er sei auf Ihren Wunsch hier." Ihrem Gesichtsausdruck war deutlich anzusehen, dass sie den jungen Mann an der Tür für völlig wahnsinnig hielt, um diese Uhrzeit eine Lady aufzusuchen. Man sollte ja meinen, meine Angestellten würden sich irgendwann an die Männer, die seit dem frühen Tod meines Ehemanns bei mir ein- und ausgingen, gewöhnen, aber anscheinend war dem nicht so. "Oh nein nein, das hat alles seine Richtigkeit", sagte ich lächelnd, während meine Gedanken rasten. Ich hatte nicht das richtige an, um Jimmy zu empfangen. "Bitte lassen Sie ihn in der Bibliothek warten und schicken Sie Rachel hoch." Mrs. Baker nickte und verschwand. Ich hatte nur kurz Zeit, mir zu überlegen, welches Nachthemd ich anziehen wollte, bis Rachel in meinem Zimmer stand. Es musste eines sein, das Jimmy noch nicht kannte... Andererseits, würde ich es vermutlich ohnehin nicht lange anhaben. "Rachel, ich brauche das schwarze Nachthemd, einen passenden Morgenmantel und eine ordentliche, aber nicht zu schicke Frisur", erklärte ich ihr schnell. Zum Glück war Rachel an Überfälle dieser Art gewöhnt und schaute mich deshalb nicht mehr schräg an. "Natürlich, mylady", nickte sie und kurz darauf ging ich umgezogen, mit locker hochgesteckten Haaren und frisch aufgetragenem Lippenstift in die Bibliothek. Zuvor hatte ich Rachel noch angewiesen, uns Drinks zu bringen – die auch in meiner Bibliothek keine Seltenheit waren. Das fast ausgebrannte Feuer machte ein perfektes, schummriges Licht und ließ Jimmys Haare goldener denn je glänzen, als ich den Raum betrat. "Jimmy", lächelte ich und setzte mich neben ihn auf mein kleines Sofa. "Ich gebe zu, du hast keine Minute zu viel verstreichen lassen."

Richard
Natürlich war ich zu früh am Theater und ging nun unruhig vor dem Eingang auf und ab. Aber ich hätte es mir nie verziehen, sollte ich heute Abend zu spät kommen und Edith warten lassen. Sie war mittlerweile ein so fester Bestandteil in meinem Leben geworden, dass ich sie nur ungern wieder gehen ließ. Es ging sogar so weit, dass ich mir ernsthafte Gedanken machte, ihr einen Antrag zu machen. Denn dann würden wir zusammengehören... Vielleicht würde ich sie heute darauf ansprechen - gleich einen Antrag zu machen, nach der Vorstellung, war mir dann doch etwas zu schnell. Sie sollte in Ruhe darüber nachdenken können. Auch wenn ich natürlich mehr als alles andere hoffte, dass sie nicht ablehnen würde.
Ich trug meinen besten Anzug und hielt nach dem Auto der Granthams Ausschau. Noch immer war ich mir nicht sicher, ob Edith und mir das Theaterstück gefallen würde, aber es war mir von allen Seiten empfohlen worden. Ich würde mich zur Not ablenken, sollte das Stück nicht meinen Ansprüchen genügen, indem ich Edith ansah. Ich hatte nur Angst, dass es ihr nicht gefallen würde und sie dadurch keinen schönen Abend hatte. Ihr Chauffeur half ihr aus dem Auto und ich konnte nicht anders, als breit zu lächeln. Die Farbe ihres Kleides stand ihr ausgesprochen gut - es sah so aus, als hätte sie genauso lange darüber nachgedacht, was man heute Abend anziehen sollte. Meine Nervosität legte sich etwas, als sie auf mich zukam und wir uns ganz natürlich auf die Wange küssten. "Guten Abend, Edie - du siehst wunderschön aus", sagte ich lächelnd und bot ihr dann meinen Arm an. Schließlich gingen die anderen Gäste auch schon rein. "Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dass wir uns heute Abend sehen"
Jimmy
Der Plan, Carson mit einer vorgetäuschten Krankheit abzulenken, war wirklich gut. Thomas und ich hatten nach dem Ausflug ans Meer auf der Rückfahrt noch länger darüber geredet. Dass es gleich der nächste Tag nach Lady Anstruthers Angebot sein würde, hatte mehrere Gründe. Zum einen hatten die Granthams keine Gäste und Lady Edith ging aus - das Servieren von vier Personen könnten Thomas und Carson selbst übernehmen. Bei einer großen Gesellschaft hätte ich wohl kaum krank im Bett liegen dürfen. Zum anderen wollte ich nun einmal Lady Anstruher überraschen - und nicht wie sonst anders herum. Sicherlich rechnete sie damit dass ich kam - sie kannte mich und warum hätte sie mir sonst so ein Angebot machen sollen? Aber gleich am nächsten Tag wäre dann auch für sie unvorhergesehen. Außerdem wusste ich ja nicht, was in den nächsten Wochen sein würde. Die Granthams konnten beschließen, schon früher abzureisen oder irgendetwas anderes würde einen freien Abend für mich unmöglich machen. Also täuschte ich ab dem Morgen Husten vor, tat so, als wäre ich müde und ohne Kraft und nieste ein paar Mal vor Mr. Carson. Beim Tischdecken für das Dinner, lehnte ich mich scheinbar furchtbar erschöpft an den Esstisch und rieb mir müde die Augen. Als Carson dazu kam, hustete ich schnell wieder und richtete mich auf. "James, geht es Ihnen nicht gut?", konnte er nicht anders fragen. "Natürlich, Mr-", mein Satzende ging in einem erneuten Hustenanfall unter. "Sie sind schon den ganzen Tag nicht auf der Höhe! Ich muss mich darauf verlassen können, dass beim Dinner keine Fehler passieren" Der Blick des Butlers war hart. "Natürlich, mir geht es doch gut", spielte ich weiter mit, alles andere würde es nur noch schwerer machen, ins Bett zu kommen. Ich griff nach dem Tablett mit den Weingläsern und stellte es aber gleich wieder ab, als wäre es viel zu schwer. "Das reicht, James - Sie gehen ins Bett und morgen früh sind Sie wieder fit!", sagte Carson dann, als wäre es das Unmöglichste auf der Welt, einmal krank zu sein. "Ich will nicht, dass Sie noch jemanden anstecken" Wie ein geprügelter Hund ging ich aus dem Zimmer, grinste Thomas beim Herausgehen aber noch kurz an. Ich schleppte mich gespielt mühsam die Treppen hoch, zog mich um und konnte dann tatsächlich einige Stunden im Bett genießen. Da der Weg zu Lady Anstruther aber weit war und ich kein Geld für ein Taxi hatte, machte ich mich zur Dinnerzeit der Granthams auf den Weg. Alle würden beschäftigt sein und in meinem Zimmer sah sowieso niemand nach. Unauffällig ging ich aus dem Haus zu Lady Anstruther. Als ich vor deren Haustür stand, war ich mir nicht sicher, wie ich mich ankündigen sollte - einfach klingeln und nach ihr fragen? Durch den Dienstboteneingang? Ich setzte alles auf eine Karte und klingelte. Eine ältere Frau öffnete mir die Tür und ich war erleichtert, dass ich sie nicht von früher kannte. Ich fragte nach Lady Anstruther und nachdem sie mich - mit einem Blick auf meine Kleidung - nicht hereinlassen wollte, blieb ich standhaft, sodass sie schließlich ging, um Lady Anstruther selbst zu fragen. Nach einigen Minuten bat sie mich tatsächlich hinein, lotste mich in die Bibliothek und kam tatsächlich kurze Zeit später mit Drinks zurück. Ich sah mich in dem Zimmer um und setzte mich dann entspannt auf eines der Sofas. Heute Abend würde ich einmal die Oberhand haben. Es dauerte einige Zeit, bis sich die Tür wieder öffnete und sie hereinkam - ein schwarzes, tief blickendes Nachthemd und ein Morgenmantel aus Seide. Sicherlich hatte sie sich umgezogen, nur wegen mir. Ich grinste sie an. Sie brauchte nicht lange, bis sie direkt neben mir saß. "Und ich dachte, ich würde heute Abend nicht erwartet werden", gab ich zurück und griff nach ihrer Hand. "Warst du etwa schon im Bett?" Wenn ich schon die Oberhand hatte, konnte ich sie gern auch etwas ärgern.

Edith
Spätestens, als Richard und ich uns zur Begrüßung auf die Wange küssten, fiel meine Aufregung von mir ab. Ich hatte mich mittlerweile genug an ihn gewöhnt, um mich bei ihm eher wohl als nervös zu fühlen. "Guten Abend", strahlte ich und mein Herz klopfte schneller, als er mich bei meinem neuen Spitznamen nannte. "Und ich mich erst", ich hakte mich bei ihm unter, "ich war seit Ewigkeiten nicht mehr im Theater. Eigentlich war ich allgemein schon sehr lange nicht mehr ohne meine Familie aus", fügte ich nach kurzem Nachdenken hinzu, als ich die Karten aus meiner Tasche holte und wir hineingingen. Von unseren Plätzen aus hatten wir eine perfekte Sicht auf die Bühne und ich war schnell in dem Stück versunken. Es schien wirklich so gut zu sein, wie die Medien angepriesen hatten. Nur ab und zu, wenn ich Richards Blick auf meinem Gesicht spürte, drehte ich mich kurz zu ihm und lächelte ihn an. Noch immer war es schwer zu realisieren, dass ich wirklich hier saß, mit ihm. Die Meinung von meinen Eltern und Mary und ihre Bedenken hatte ich längst ausgeblendet. Es fühlte sich einfach so richtig an, wie konnte es schon falsch sein?
Lady Anstruther
Jimmy schien heute etwas selbstbewusster zu sein als sonst in meiner Gegenwart. Lag es an der Dunkelheit oder daran, dass wir hier oben mittlerweile ganz alleine waren und nur noch wenige Dienstboten unten auf den Beinen? "Natürlich habe ich dich erwartet. So geheimnisvoll bist du nun wirklich nicht", gab ich zurück, rückte etwas näher an ihn und legte die freie Hand an seine Wange, während er nach meiner anderen griff. Dass ich gerade erst wieder aufgestanden war, schien leider trotz meiner Bemühungen noch recht offensichtlich. "Dafür bin ich jetzt mehr als ausgeruht", sagte ich leise und sah ihm in die Augen. Das dürfte ihm schließlich noch zugute kommen heute Nacht. Ich löste meine Hand aus seiner und legte sie stattdessen auf seinen Oberschenkel. "Wie hat dir mein Badeanzug gefallen?", fragte ich schelmisch grinsend. Natürlich hatte ich nicht vergessen, wie verwirrt er gestern am Strand gewesen war. "Es ist sehr warm hier drin, meinst du nicht auch", sagte ich nach einer Weile und zog meinen Morgenmantel aus. Es gab nun wirklich keinen Grund mehr, Jimmy nicht sofort mein neues Nachthemd zu präsentieren. Inzwischen besaß ich eine beachtliche Menge – aber ich hatte ja auch eine Menge Männer.

Richard
Ich hatte mich zehntausend Mal versichert, dass meine Theaterkarte auch wirklich in meiner Tasche war. Wie peinlich wäre es sonst gewesen, nicht ins Theater gelassen zu werden? Ich hatte mich nicht lumpen lassen und uns gute Plätze besorgt. Nicht, weil Edith mich ansonsten für geizig halten würde - ich wollte für sie einfach nur das Beste, koste es was es wolle. "Das letzte Mal, als ich ausgegangen bin, war mit dir in York im Konzert", antwortete ich ihr und setzte mich neben sie. Relativ schnell begann dann die Vorstellung. Und obwohl das Stück wirklich gut war, konnte ich nicht anders, als immer wieder zu ihr zu schauen. Einige Male bemerkte sie wohl meinen Blick und erwiderte mein Lächeln und bei jedem Mal schlug mein Herz ein wenig schneller. Ich kam mir wieder vor wie ein junger Mann. Nach etwa einer Stunde gab es eine Pause und ich holte Edith gleich ein Glas Champagner. Über den Antrag wollte ich sie erst später informieren - wenn ich sie nach Hause bringen würde und wir ungestört waren. Denn dass ich ihr einen Antrag machen wollte, war klar, als ich sie eben wiedergesehen hatte. Ich wollte es einfach probieren - denn eine so große Chance, den Rest meines Lebens nicht mehr allein verbringen zu müssen, wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.
Jimmy
Es brauchte nicht lange, bis wir uns wieder berührten. Oder bis sie ihren Morgenmantel ablegte und ich mir in meinem Jackett doch sehr angezogen vorkam. Warm wurde es wirklich hier drinnen. "Ich kenne keine Frau, die besser einen solchen Badeanzug tragen könnte als du", schmierte ich ihr ein wenig Honig ums Maul - schaden konnte es ja nicht. Auch wenn ein solcher Badeanzug wahrscheinlich eigentlich für jüngere Frauen und weniger öffentliche Plätze entworfen worden war. Auch ihr Nachthemd war mehr als aufregend. Tiefschwarz, sodass es in dem Dämmerlicht fast nicht zu erkennen war. Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, in ihrer Bibliothek empfangen zu werden, in der ich vor einigen Jahren noch Drinks serviert hatte. Keine Frage, es war aufregend, aber gleichzeitig auch komisch. Aber wenigstens würde uns niemand stören und mit zum ersten Mal müsste ich mir keine Gedanken machen, von jemandem entdeckt zu werden und meine Arbeit zu verlieren. Ich müsste nur morgen früh pünktlich im Bett liegen und mit den anderen aufstehen. Wenn ich die Uhr im Auge behielt, sollte das kein Problem sein. Also kamen wir besser schnell zur Sache, um die Nacht richtig auszunutzen. Und da ich ja beschlossen hatte, heute Abend die Oberhand zu haben, zog ich sie einfach an mich und küsste sie. Keine Spielchen wie beim letzten Mal. Sicher würde ihr auch das gefallen.

Edith
Viel zu schnell kam die Pause. Aber immerhin bedeutete das, dass ich wieder mit Richard reden und ihn ansehen konnte. Vor allem Ersteres war während der Aufführung ja eher schwierig. Ich nahm dankend das Champagnerglas entgegen, dass Richard mir brachte und sah ihn lächelnd an. "Wie gefällt dir das Stück? Ich finde, die Zeitungen haben nicht zu viel versprochen", sagte ich. Das stimmte tatsächlich – das Theaterstück war in erster Linie witzig, aber auch romantisch, dramatisch und ein wenig gesellschaftskritisch, wobei vor allem der Adel nicht allzu gut wegkam. Umso interessanter war es, dass das Theater zu einem beträchtlichen Teil mit Menschen dieser Schicht gefüllt war. Mary und Papa hätten es sicherlich nicht gutgeheißen. Ich drehte mich etwas zu Richard, sodass unsere Knie sich berührten. "Ich hatte schon lange keinen so schönen Abend mehr", lächelte ich und hatte das Gefühl, dass die Stimmung im Theater, der Champagner und meine Gefühle für Richard mir zunehmend zu Kopfe stiegen.
Lady Anstruther
Ich lächelte über sein Kompliment – typisch Jimmy. Aber nichts anderes hatte ich erwartet. Ich hob die Beine an, sodass sie hinter mir auf dem Sofa lagen und lehnte mich noch etwas näher zu Jimmy. Schließlich war es in diesem Licht schwer, etwas von meinem Nachthemd zu erkennen – woraufhin er mich einfach küsste. Eigentlich behielt ich lieber das Ruder in der Hand, andererseits war mir mein Stolz gerade weniger wichtig, als Jimmys Lippen auf meinen, also erwiderte ich seinen Kuss, zog ihm aber währenddessen sein Jackett aus. Es musste doch irgendeinen Weg geben, dass er wieder für mich arbeitete, dachte ich, während ich mit einer Hand über die weiche, glatte Haut an seiner Wange strich. Nach einer Weile, als ich mich soweit wieder gefangen hatte, um ihm zu zeigen, wer hier die Chefin war, löste ich mich von ihm, stand auf, holte die zwei Gläser mit unseren Drinks und gab ihm eines. "Auf eine schöne Nacht", sagte ich lächelnd, während ich mich wieder mit angezogenen Beinen neben ihn setzte, diesmal aber mit etwas mehr Abstand. Heute Abend war er mir definitiv zu fordernd.

Richard
"Ich muss dir zustimmen - das Stück ist ausgesprochen gut. Normalerweise vertraue ich den Zeitungen nicht besonders und wähle lieber selbst aus, aber in diesem Fall lagen sie wirklich goldrichtig. Man sollte wirklich öfter ins Theater gehen", sagte ich ihr. Man sollte vor allem öfter ins Theater gehen, wenn man dabei eine schöne Begleiterin hatte und ansonsten immer nur abends allein aß und dann mit einem Buch ins Bett ging. Fast kam es mir so vor, als hätte ich nicht richtig gelebt, bis ich Edith wiedergefunden hatte. "Ich auch nicht, Edie", stimmte ich ihr sofort zu und griff kurz mit meiner freien Hand nach ihrer, um sie zu drücken. "Wenn du möchtest, bringe ich dich nachher nach Hause. Außer natürlich, dir sagt ein nächtlicher Spaziergang durch London nicht zu" Es war nicht zu weit bis zum Haus der Granthams und zusammen gegangen waren wir ja auch schon öfter. Die Pause dauerte nicht lange und die zweite Hälfte des Theaterstücks begann - in meinen Augen war diese sogar noch besser als es die erste ohnehin schon gewesen war. Da Edith zu dem Spaziergang zugestimmt hatte, ließ ich schnell unsere Mäntel holen, um sie nach Hause zu begleiten. Jetzt wurde ich wirklich nervös - auch wenn es noch gar nicht der richtige Antrag sein würde. Aber auch schon von dieser Frage jetzt hing viel ab. "Wir sollten öfter abends ausgehen. In Yorkshire hat man leider nur nicht so viele Möglichkeiten...", fing ich ein unverfängliches Thema an und sah zu ihr. Sollte sie frieren, würde ich ihr selbstverständlich meinen Mantel geben. Als wir an der Themse entlanggingen, blieb ich stehen und nahm beide ihrer Hände in meine. "Edie - wie wäre es, wenn wir uns übermorgen im Park treffen? Das Wetter soll fabelhaft werden" Ich atmete tief ein und sagte mir, dass ich nicht so ein Feigling sein sollte. "Ich möchte dir nämlich eine Frage stellen. Und ich hoffe, du sagst Ja" Ich sah ihr tief in die Augen, damit sie die unterschwellige Botschaft meiner Worte auch genau verstand.
Jimmy
Ich hätte die Küsse den Drinks vorgezogen, aber nichtsdestotrotz nahm ich einen großen Schluck und sah sie grinsend an. "Auf eine schöne Nacht", wiederholte ich dann und sah sie an. Sicher würde früher oder später die Frage wieder aufkommen, dass ich für sie arbeiten sollte. Und sicherlich würde ihr meine Ablehnung genauso wenig gefallen wie beim ersten Mal. Aber bis dahin wollte ich die Nacht noch mehr als auskosten. Nur leider machte Lady Anstruther jetzt wieder eine kleine Show, indem sie sich so weit von mir wegsetzte, dass ich gerade noch nach ihrer Hand greifen konnte. "Was, gefällt es dir etwa nicht hier bei mir?", ärgerte ich sie wieder. Der Alkohol half definitiv dabei, heute Nacht nicht gleich klein beizugeben. Andererseits hatte ich hier, in ihrem Haus, nichts zu verlieren. Sie würde mich kaum an Carson verraten, also hatte ich so etwas wie Narrenfreiheit. Und die nutzte ich voll aus, indem ich einfach zu ihr rückte und zuerst mein Glas auf den Tisch abstellte und dann ihres. "Ich bin nicht hierher gekommen, um zu trinken", meinte ich nur charmant und fing dann an, ihren Arm herauf mit Küssen zu versehen.

Edith
"Wir sollten öfter ins Theater gehen", korrigierte ich ihn mutig und lächelte, als er meine Hand drückte. "Und ein nächtlicher Spaziergang sagt mir sogar sehr zu." Je mehr Zeit wir heute noch miteinander verbringen konnten, desto besser. Ich wollte den Abend schließlich ausnutzen. Man wusste ja nie... Die zweite Hälfte des Stücks ging noch schneller vorbei als die erste und nach einem minutenlangen, tosenden Applaus leerte sich der Saal schließlich. Sir Richard ließ unsere Mäntel holen, ich hakte mich wieder bei ihm unter und wir gingen durch die kühle Abendluft. Meinetwegen hätten wir noch stundenlang schweigend so weiter laufen können, aber irgendwann fing Richard wieder an zu sprechen. "Wir werden Möglichkeiten finden", versprach ich ihm und erwiderte seinen Blick. Erst als er stehen blieb und meine Hände in seine nahm, wurde ich stutzig. Würde er etwa... Sollte das der Moment sein, auf den ich schon so lange wartete? Während wir im Theater waren, hatte ich meine Sorge, er könnte mir entgegen meiner Versprechungen an meine Familie gar keinen Antrag machen, verdrängt. Aber als mich jetzt in den Park einlud, um mir eine Frage zu stellen, die ich mit Ja beantworten sollte, wusste ich, dass er nichts anderes meinen konnte als einen Heiratsantrag. Mit großen Augen sah ich ihn an. "Ja, natürlich treffen wir uns. Und...", ich konnte inzwischen nicht mehr verhindern, dass sich ein breites Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete, "ich werde ganz sicher Ja sagen."
Lady Anstruther
Jimmy war mir heute entschieden zu vorlaut. Was war nur los? "Es gefällt mir bestens bei dir, aber du machst es dir ein wenig zu leicht", sagte ich ehrlich und lächelte leicht. Ich hatte nur noch Gelegenheit, wenigstens ein paar Schlucke meines köstlichen Drinks zu nehmen, ehe er mir das Glas einfach abnahm, es wegstellte und meinen Arm küsste. "Wie oft hast du bei deinen Arbeitgebern die Gelegenheit, so etwas zu trinken?", fragte ich und zog die Augenbrauen hoch. Ich wollte ihn wenigstens etwas hochmütig anschauen, musste aber feststellen, dass seine Lippen auf meinem Arm zu meinem großen Ärger einfach eine Ablenkung waren. Schließlich beschloss ich, wenigstens vorerst nachzugeben und schloss meine Augen. Später würde ich ihn sicher wieder unter Kontrolle bekommen.

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