#1666

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 12.06.2018 19:11
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Edith
Wir würden also tatsächlich ins Theater gehen. Ich ging in Gedanken schon meine mitgebrachte Garderobe durch: ein roséfarbenes Chiffon- oder ein hellblaues Seidenkleid? Perlen- oder Silberkette? Schließlich sollte Sir Richard stolz auf seine Begleitung sein. Ich wusste nicht einmal, welche Stücke derzeit aufgeführt wurden, aber solange ich Sir Richard als Begleitung hatte, würde ich mir ohnehin alles ansehen, was er wollte. Dank seines Versprechens, mich, wenn wir zurück in Yorkshire waren, unterhalten zu wollen, fiel mir der Gedanke an unsere Abreise aus London diesmal gar nicht so schwer – auch, wenn sie noch weit in der Zukunft lag. Es war mir egal, ob ich in London war oder in Yorkshire oder auf dem Mond, solange ich wusste, dass Sir Richard ebenfalls dort war. Als unsere Hände sich schließlich berührten, wollte ich meine schon wegziehen, aber er hielt meine Hand fest. Noch immer starrte ich ihm in die Augen und löste mich erst aus meiner Erstarrung, als er meine Hand wieder losließ und wir uns schließlich beide den Keks nahmen, den wir ursprünglich wollten. Ich beschloss, dass es ein guter Zeitpunkt war, ihm endlich das Du anzubieten. Diesen Schritt waren wir bisher immerhin noch nicht gegangen. "Sir Richard... Nennen Sie mich doch Edith. Es kommt mir falsch vor, wenn wir uns so förmlich anreden." Vorsichtig lächelte ich ihn an.

Tom
Ich war froh, dass Lady Sybil ohne zu zögern mit mir kam, ohne sich von mir loszureißen. Denn wir waren nicht die einzigen, die davonrannten. Es gab ein fürchterliches Gedrängel und ich hielt ihre Hand so fest ich konnte. Erst, als wir den Rand des Schauplatzes erreicht hatten, verteilte sich die Menge etwas, aber es war noch immer knapp. Ich wählte eine Seitengasse und rannte hinein, ohne darüber nachzudenken, wo sie hinführte. Verlaufen würden wir uns schon nicht – verlieren aber möglicherweise schon, denn plötzlich spürte ich, wie Lady Sybils Hand aus meiner rutschte. Wieder fluchend drehte ich mich zu ihr um und war froh, ihr Gesicht und ihren Hut noch in der Menge zu sehen, als sie meinen Namen rief. Kurz lief ich etwas langsamer, bis sie wieder zu mir aufgeholt hatte und wir uns wieder an der Hand nahmen. Zum Glück war die Gasse zuende, die Menschen verteilten sich weiter und ich zog sie in die nächste Seitengasse, die ich ebenfalls im Laufschritt durchquerte. Erst dann lief ich langsamer, schaute mich nochmal nach allen Seiten um und lehnte mich schließlich erschöpft an die Wand. "Geht... geht es Euch gut, mylady?", fragte ich außer Atem und drehte den Kopf in ihre Richtung, ohne ihn von der Wand zu nehmen. Erst jetzt merkte ich, dass ich noch immer ihre Hand hielt, machte mir aber nicht die Mühe, sie loszulassen. Vielleicht mussten wir gleich wieder losrennen.

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#1667

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 12.06.2018 19:39
von Rikki • 1.675 Beiträge

Sir Richard
Der Moment, in dem ich ihre Hand hielt, schien ewig zu dauern - und spätestens jetzt wurde mir klar, dass ich Lady Edith nicht mehr gehen lassen würde. Dass unser Alter wirklich kein Hindernis darstellte, wenn sie mich so sehr liebte, wie ich sie. Es hatte nur zwei Begegnungen in London gedauert, um meine alten Gefühle für sie mit neuer Stärke zu entflammen. Auch deshalb hatte ich es mich getraut, ihre Hand zu halten. Und sie hatte ihre nicht weggezogen - durfte ich also darauf hoffen, dass sie meine Gefühle genauso erwiderte? Nachdem wir schließlich jeder mit einem nervösen Lächeln unseren Keks gegessen hatten, ging Lady Edith wie auch ich eben einen neuen Schritt. Dass sie mir das Du anbot, war für mich ein wichtiges Zeichen. Für mich machte es keinen Unterschied, ob sie einen Titel hatte oder nicht. "Edith", sagte ich also lächelnd und prostete ihr spaßeshalber mit meiner Teetasse zu. Einen Moment dachte ich aber nach, bevor ich die Tasse absetzte und ihr direkt in die Augen sah. "Darf ich Sie...dich...Edie nennen?", fragte ich vorsichtig und lächelte dann zaghaft. "Dann hätte ich etwas eigenes. Schließlich nennt ihre ganze Familie dich doch sicher Edith, nicht wahr? Es wäre ein besonderer Name für dich - von mir"

Sybil
Mehr als einmal trat mir jemand auf den Fuß und sicherlich wurde mein Mantel ziemlich dreckig, aber im Moment zählte nur, sicher wieder zum Auto zu kommen. Ich folgte Branson ohne nachzudenken in die nächste Straße und achtete darauf, immer in seiner Nähe zu sein. Es dauerte eine Weile, bis wir langsamer wurden und schließlich stehen blieben. Branson lehnte sich erschöpft an die Wand und auch ich musste nach Luft schnappen. "Natürlich", antwortete ich ihm und sah ihn an. Seine Mütze hing schief auf seinem Kopf und auch seine Uniform sah jetzt alles andere als tadellos aus. Wir würden uns wohl beide nachher durch den Hintereingang ins Haus schleichen müssen. Vorausgesetzt, wir fanden das Auto. Ich hatte nämlich keinen blassen Schimmer, wo wir waren. "Wo sind wir, Branson? Und wie kommen wir wieder zum Auto?", fragte ich ihn deshalb und machte keinerlei Anstalten, meine Hand aus seiner zu nehmen. Dazu war es immer noch zu hektisch um uns herum und seine Hand bedeutete zumindest heute Nachmittag Sicherheit.

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#1668

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 18.06.2018 12:29
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Edith
Breit lächelnd prostete ich ihm ebenfalls mit meiner Teetasse zu. "Richard", strahlte ich und trank einen Schluck Tee. Jeder weitere Schritt, den wir machten, kam mir unwirklicher, aber umso schöner vor. Denn wenn er es wirklich ernst meinte und wir uns verloben würden, wäre ich tatsächlich die erste unter den Crawley-Töchtern, die heiratete und das hätte vermutlich noch vor einem Jahr niemand erwartet, am allerwenigsten ich selbst. Als Sir Richard, das heißt, mittlerweile ja Richard, mir auch noch einen Spitznamen anbot, hatte ich endgültig Tränen in den Augen. Edie. "Das wäre... wunderbar", lächelte ich. "Tatsächlich nennen mich alle nur Edith, auch, wenn jeder es auf seine Weise sagt. Bei Mary klingt es immer, als wäre Edith ein ekliges Fischgericht, Mama und Sybil klingen besorgt und Papa... desinteressiert." Ich verdrehte die Augen, lachte aber kurz, weil ich mich plötzlich selbst fragt, warum ich mich nun bei Richard über mein Dasein beschwert hatte. Ich hasste es, so schwach zu wirken.

Tom
Ich musterte Lady Sybil prüfend, denn so sicher wie sie war ich mir nicht, dass es ihr wirklich gut ging. Bis auf einen dreckigen Mantel, den schiefen Hut und die losen Haarsträhnen schien sie aber wirklich unversehrt zu sein. Äußerlich zumindest. Ich schob ihr mit der freien Hand eine Strähne, die ihr anscheinend unbemerkt mitten ins Gesicht hing, hinters Ohr, rückte dann meine eigene Mütze gerade und stieß mich von der Wand ab. Es wunderte mich definitiv, dass sie noch immer meine Hand hielt – nicht, dass es mich stören würde. Aber darüber, was es zu bedeuten hatte, konnte ich jetzt nicht nachdenken. Denn wir mussten tatsächlich dringend zurück zum Auto. "Indem wir den gleichen Weg zurückgehen, aber von einer anderen Seite zum Auto gehen, sodass wir den Platz nicht noch einmal überqueren müssen, mylady. Vermutlich sind dort noch immer Polizisten oder... andere Verrückte." Ohne ihre Hand loszulassen, ging ich zügig die Gasse zurück, allerdings nur so schnell, dass Lady Sybil mühelos mit mir Schritt halten konnte. Ich wollte sie ja nicht wie einen Hund hinter mir her ziehen.

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#1669

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 18.06.2018 21:18
von Rikki • 1.675 Beiträge

Sir Richard
Als sie meinen Namen sagte, wurde mir warm ums Herz. Bei ihr klang es einfach so wunderbar. Noch mehr freute mich aber ihre Rührung angesichts des Spitznamens. Ich war wirklich mutig heute, denn das alles deutete ganz klar in eine Richtung - ich verliebte mich wieder Hals über Kopf in sie. "Dann möchte ich, dass Edie in deinen Ohren nie so klingen wird wie Edith", sagte ich ernst, denn ihre Aussagen machten mich traurig. Ich wusste, dass sie mit ihrer älteren Schwester kein gutes Verhältnis hatte und sich allgemein in der Familie einsam fühlte. Auf unsere Weise waren wir zwei Einzelgänger, die jetzt zusammengefunden hatten. "Deinen Namen will ich immer so sagen, dass du stolz auf dich bist, Edie" Man hätte meinen können, ich hätte statt Tee einen starken Whisky getrunken, so rührselig wie ich da redete. Aber genauso fühlte ich mich, ich war betrunken voll aufkeimender Liebe. "Ich hoffe, das klingt nicht allzu sentimental", fügte ich dann aber doch noch hinzu und lachte.

Sybil
Wenigstens hatte Branson eine Idee, wie wir zurück zum Auto kamen und nur zu bereitwillig lief ich mit ihm mit. Aus der Ferne hörte man immer wieder die Pfiffe der Polizisten, Rufe und schnelle Schritte. Abwesend fasste ich mir ans Ohr, wohin Branson mit eben die Haarsträhne zurückgesteckt hatte. Es war eine vertraute Geste, um die ich mir im Moment keine Gedanken machen konnte. Genauso wenig, wie dass ich seit mindestens fünf Minuten seine Hand hielt und nicht die Absicht hatte, sie so schnell loszulassen. Menschen kamen uns entgegen und öfters hielten wir an, drückten uns an die Wand und ließen sie vorbei. Nach kurzem Suchen fanden wir tatsächlich eine weitere Nebengasse, in deren Richtung ich das Auto vermutete. In meiner Vorstellung war der Nachmittag sicherlich nicht so ausgegangen, die Reden der Politiker hatte ich schon längst verdrängt. Wenigstens war nichts passiert und wenn Branson und ich uns unbemerkt durch den Hintereingang schleichen konnten, würden Papa und Mama auch nie etwas merken. "Da ist das Auto!", rief ich Branson dann zu, obwohl er es sicher schon vor mir gesehen hatte. Um es herum standen einige Polizeiwagen und kurz bekam ich es wieder mit der Angst zu tun.

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#1670

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 19.06.2018 18:37
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Edith
Ich bekam eine Gänsehaut, als Richard Edie sagte. Nicht nur, weil mein Name aus seinem Mund sowieso viel schöner klang, sondern auch, weil sich noch nie jemand die Mühe gemacht hatte, sich einen Spitznamen für mich zu überlegen. Noch nie hatte jemand daran gedacht, dass ich einen Spitznamen wert war. Ich zögerte kurz, griff dann aber einfach über den Tisch nach Richards Hand, die neben seiner Teetasse lag. Nach allem, was wir uns in den letzten Stunden gesagt hatten, schien mir das kein unpassender Schritt mehr zu sein. Außerdem war ohnehin niemand in der Nähe, der uns sehen könnte. "Das klingt überhaupt nicht sentimental", versicherte ich ihm. "Und falls doch, stört es mich nicht, ich bin gerade ziemlich sentimental gestimmt", lächelte ich – und es stimmte ja auch. Mir war bereits leicht schwindelig vor Glück und wahrscheinlich wäre ich schon längst umgefallen, wenn wir nicht sitzen würden.

Tom
Der Weg zum Auto zurück war nicht allzu leicht, aber so schlimm wie bei unserer Flucht noch vor wenigen Minuten war es auch nicht mehr. Ab und an mussten wir noch Menschen an uns vorbeilassen, die uns sonst umgerannt haben, aber die ganze Zeit über Lady Sybils Hand in meiner zu spüren, gab mir auf seltsame Weise Energie. Immerhin ging es jetzt nicht mehr nur um mein Wohl, sondern auch um ihres. Wir liefen zügig, ohne uns umzusehen und ich hob erst wieder den Kopf, als Lady Sybil mich auf das Auto hinwies. Ich fluchte innerlich – auf einer Seite des Platzes standen noch immer Polizeiautos. Das war gar nicht gut – die Polizisten befanden sich zwar noch auf dem Platz, wo sie gerade einen jungen Mann in die Mangel nahmen, aber sie hatten sicher nicht vor, ihre Wagen hier verrotten zu lassen. Wir konnten also nicht wie geplant von hinten zum Auto gehen und über den Platz genauso wenig. Kritisch betrachtete ich die dritte Möglichkeit, die uns blieb – durch ein angrenzendes, lichtes und sehr dreckiges Stück Wiese zu gehen, auf der der Boden, locker gefahren von den Autos vorhin, mehr aus Schlamm als aus Gras bestand und von tiefen Furchen durchzogen war. Warum hatte es auch heute Morgen erst regnen müssen? Aber Lady Sybil sah so besorgt aus, dass ich einfach nur handeln wollte. Und nicht zum ersten Mal heute tat ich das, ohne wirklich nachzudenken. "Mylady, das tut mir jetzt wirklich leid", sagte ich, schnappte mir Lady Sybil, nahm sie auf den Arm und ging im Laufschritt durch den matschigen Boden, so schnell ich konnte. Es spritzte gewaltig, aber wenigstens wurde nur meine Hose schmutzig und nicht Lady Sybil, die mit ihren Schuhen vermutlich im Boden steckengeblieben oder sogar über die Löcher gestolpert wäre. Erst auf halber Strecke wurde mir klar, was ich hier eigentlich tat. Und dass ich meinen Job so gut wie los war. Aber was konnte ich jetzt auch noch tun, ich konnte Lady Sybil ja schlecht in den Matsch fallen lassen und mich dafür entschuldigen, dass ich sie berührt hatte. Wenigstens standen am Rand der Wiese ein paar vereinzelte Bäume, die uns Deckung geben konnten. Also lief ich einfach weiter, erreichte schließlich das Auto und stellte Lady Sybil sofort vorsichtig auf die Füße. Wir hatten kaum eine Minute gebraucht, schätzte ich und ein Blick zu den Polizisten verriet mir, dass diese uns nicht bemerkt hatten. Was sich ändern würde, wenn wir losfuhren und sie den Motor hörten. "Mylady...", fing ich an und wollte mich irgendwie für mein Benehmen gerade entschuldigen, aber wahrscheinlich gab es eh nichts, was mein Verhalten vor Lord Grantham in irgendeiner Weise rechtfertigen könnte, also beschloss ich, es sein zu lassen und lieber schnell hier wegzukommen. Über meine Kündigung konnte ich mir später immer noch Gedanken machen. Schnell half ich Lady Sybil ins Auto und setzte mich dann selbst hinters Steuer, um sofort zu wenden und einfach die nächstbeste Straße entlangzufahren – möglicherweise etwas schneller als erlaubt, aber wir mussten immerhin das Sichtfeld der Polizisten verlassen. Den Weg zurück würde ich sowieso finden, denn auf meinen Orientierungssinn konnte ich mich immer verlassen.

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#1671

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 19.06.2018 19:30
von Rikki • 1.675 Beiträge

Richard
Wahrscheinlich war ich in meinem Leben selten so sentimental wie an diesem Nachmittag. Ich hatte mir vorher keine genauen Vorstellungen gemacht, wie das Treffen mit Edith ablaufen würde. Natürlich hatte ich Hoffnungen gehabt - die mehr als übertroffen wurden. Als sie nämlich von sich aus meine Hand nahm, wurde mir noch wärmer ums Herz, soweit das ging und ich glaubte, vor Glück platzen zu müssen. Es war nur schade, dass sich der Nachmittag dem Ende neigte und wir mittlerweile kalten Tee vor uns stehen hatten. "Ich schreibe dir sofort, wenn ich einige gute Theaterstücke gefunden habe", sagte ich dann zu ihr und freute mich schon jetzt darauf, ins Theater zu gehen. "Du musst nur entschuldigen, das ich wirklich keine Ahnung habe und wahrscheinlich die schlechtesten und langweiligsten Stücke aussuchen werde" Ich lächelte entschuldigend und drückte dann ihre Hand. So schade es auch war, Edith musste zeitig nach Hause und nur allzu gerne hätte ich sie auch gleich zum Dinner eingeladen. Aber ich wollte mein Glück heute nicht noch mehr herausfordern. Wo wir doch heute so einen enormen Schritt in eine gemeinsame Zukunft gegangen waren.

Sybil
Die Polizisten gingen nicht gerade sanft mit einem Mann um und waren auch sonst sehr anders von denen, die durch Thirsk oder York liefen. Auf eine Begegnung konnte ich gut verzichten. Nachher würden sie mich noch bei Papa abliefern, der würde Branson feuern und mir ewigen Hausarrest auferlegen. Oder noch schlimmeres. Schließlich zog der eine Polizist gerade seinen Schlagstock und ich wollte nur noch weg. Das Problem war nur, dass der direkte Weg zum Auto versperrt war. Die einzige Möglichkeit war eine so nasse und matschige Wiese, in der ich bis zum Oberkörper versinken würde. Branson entschied und ehe ich es mich versehen konnte, trug er mich und ging über die Wiese. Ich konnte nur noch meinen Hut festhalten und bewundern, wie selbstverständlich er mich in den Armen hielt und mich dabei kein einziges Mal auch nur annähernd in die Nähe des Matsches ließ. Gleichzeitig war seine Nähe beunruhigend - mein Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt, seine Hände an Stellen, die zuvor noch nie ein Mann berührt hatte. Mein Herz schlug, nicht nur wegen der Polizisten. Die beachteten uns jedoch gar nicht. Trotzdem wollte ich nichts riskieren und als Branson mich herunterließ und dabei zu einer Erklärung ansetzen wollte, unterbrach ich ihn nur mit einem Kopfschütteln und stieg ein. Ich wusste ja selber nicht, was heute Nachmittag los war. Angestrengt sah ich auf Bransons Hinterkopf, während der durch die Londoner Straßen hetzte und ich mich fragte, wie es heute dazu gekommen war, dass ich einen Mann so nah an mich herangelassen und mich dabei kein einziges Mal unwohl gefühlt hatte. Ich kam zu keiner Antwort, als wir uns Grantham House näherten und Branson klugerweise den Hintereingang ansteuerte. Trotz seiner heldenhaften Aktion mit der Wiese waren mein Mantel und Kleid dreckig, meine Haare zerzaust und mein Hut hatte sich vom Kopf gelöst. Branson half mir aus dem Auto und unsere Blicke trafen sich. In seinen Augen sah ich die gleiche Unsicherheit wie ich sie spürte - und noch etwas anderes, das ich nicht definieren konnte. "Branson, vielen Dank. Für alles heute", sagte ich ehrlich zu ihm, bevor er auch nur ein Wort sagen konnte. "Vielleicht sollten wir beim nächsten Mal etwas vorsichtiger damit sein, wohin wir fahren" Ich lächelte zögerlich und ging dann durch den Hintereingang ins Haus.

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#1672

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 19.06.2018 19:51
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Edith
Der Pavillon leerte sich Stück für Stück und erst da wurde mir bewusst, wie lange wie schon hier saßen. Der Tee war Nebensache und mittlerweile kalt geworden und auch das Gebäck hatten wir kaum angerührt. Ich nahm mir noch einen Keks. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es langweilig wird", sagte ich, als ich den Keks heruntergeschluckt hatte. Wenn du dabei bist. "Auf jeden Fall freue ich mich schon." Ich lächelte noch ein Stück breiter, als er meine Hand drückte. Dieser Nachmittag hätte wirklich nicht schöner sein können, was ich Richard auch mitteilte. "Das war ein wunderschöner Nachmittag", lächelte ich. "Wer hätte das noch vor einer Woche erwartet?" Er sicher genauso wenig wie ich.

Tom
Zum ersten Mal seit langem schwiegen wir während der Fahrt. Vermutlich hing Lady Sybil genauso ihren eigenen Gedanken nach, wie ich es tat. Zudem hatte ich leichte Panik vor dem, was mich bei unserer Rückkehr erwartete. Immerhin war mein Verhalten heute weit über das hinausgegangen, was ich mir als Chauffeur erlauben durfte. Da wir beide so mitgenommen aussahen, fuhr ich zum Hintereingang. Forschend sah ich Lady Sybil an, während ich ihr aus dem Auto half. Sie wirkte nicht verärgert, eigentlich nur mitgenommen. Ich wollte gerade schon wieder zu einer Entschuldigung ansetzen, als sie sich bei mir bedankte. Und plötzlich wurde mir klar, dass Lady Sybil mein Verhalten nicht anprangern würde, erstens weil sie viel netter und anders war als jede andere Frau in ihrer Position und zweitens, weil sie damit ihren Ausflug verraten würde und ihr Politik viel wichtiger war, als meine Rechte und Pflichten als Chauffeur. "Das sollten wir wohl, mylady", sagte ich verblüfft und sah ihr mit einem leichten Lächeln hinterher. Was für ein seltsamer, aber schöner Nachmittag.

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#1673

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 19.06.2018 20:06
von Rikki • 1.675 Beiträge

Richard
"Das sagst du jetzt", meinte ich lachend. Ich war schon oft genug im Theater gewesen und hatte mich gelangweilt. Aber sollte das jetzt passieren, könnte ich wenigstens Edith ansehen. Und dann würde ich mich sicher nicht mehr langweilen. Ich stimmte ihr sofort zu, dass es ein schöner Nachmittag gewesen war. "Vor einer Woche kam mir mein Aufenthalt in London wie eine anstrengende Verpflichtung vor. Aber jetzt kann ich mir nichts schöneres vorstellen, Zeit mit dir hier zu verbringen" Ich bezahlte die Rechnung und dann standen wir auf. "Gehen sie zu Fuß zurück?", fragte ich sie dann und bot ihr schon wie selbstverständlich meinen Arm an. Ich würde sie natürlich begleiten oder ihr ein Taxi rufen. Ein Auto hatte ich hier nämlich nicht, dazu war mir der Londoner Verkehr doch zu anstrengend. Umso mehr freute ich mich darauf, wieder in Yorkshire fahren zu können und das mit Edith an meiner Seite.

Sybil
Ich stahl mich durch den Dienstbotengang an der Küche vorbei und meinte Mrs. Hughes Blick auf mir zu spüren. Um eine Begegnung mit Mama oder Papa zu vermeiden nahm ich die Dienstbotentreppe nach oben und schaffte es tatsächlich unbemerkt in mein Zimmer. Dort angekommen musste ich mich erst einmal auf mein Bett setzen. Jetzt, wo ich wieder in Sicherheit war und alles ruhig war, realisierte ich, was heute Nachmittag passiert war. Zum einen hatte ich diese mitreißenden und höchstinteressanten politischen Reden hören können. Und zum anderen waren Branson und ich zusammen geflohen. Wenn ich wollte, spürte ich noch immer seine Hand in meiner oder seine starken Arme unter mir. Irgendetwas hatte sich in unserer Beziehung wieder verändert. Schon vorher war er alles andere für mich gewesen als nur der Chauffeur, der in unseren Diensten stand. Ich hatte aber keine Ahnung, was er jetzt für mich war. Oder was ich für ihn. Auch deshalb hatte ich ihn eben so kurz angebunden unten stehen gelassen. Als die Standuhr aus der Eingangshalle schlug, wurde mir bewusst, dass es schon recht spät war. Schnell stand ich auf, nahm Hut und Mantel ab und steckte meine Haare zurück in den Zopf. Nicht mehr lange und Carson würde den Gong schlagen.

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#1674

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 19.06.2018 20:20
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Edith
Ich stimmte in sein Lachen ein. "Das werde ich auch dann noch sagen", versicherte ich ihm. "Stimmt, mir ging es genauso", stimmte ich nachdenklich zu. "Natürlich gibt es in London mehr zu tun und zu erleben als in Yorkshire, aber auf gewisse Weise habe ich mich trotzdem irgendwie gefangen in meiner Familie gefühlt. Jetzt gefällt mir die Aussicht auf die kommenden Wochen schon viel besser." Richard bezahlte, wir standen auf und ich nahm seinen Arm, den er mir anbot. "Ich nehme mir ein Taxi, so bin ich auch hergekommen", sagte ich. Schon jetzt war ich traurig bei dem Gedanken, mich von Richard verabschieden zu müssen, und während ich mich zunächst noch daran erinnerte, dass wir ja noch den Park zu durchqueren hatten, war auch das viel zu schnell passiert. "Danke nochmal für den schönen Tag", sagte ich, stellte mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Da ich das auch früher schon getan hatte und wir heute definitiv weiter gekommen waren als je zuvor, erschien es mir nicht unpassend.

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#1675

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 19.06.2018 20:31
von Rikki • 1.675 Beiträge

Richard
Auch wenn sie es sicher nicht wollte, empfand ich Mitleid für Edith. Anscheinend hatte sie es wirklich nicht leicht in ihrer Familie und ich wünschte mir sehr, das ändern zu können. Mehr noch, ich nahm mir vor, das zu ändern. Dass sie sagte, dass auch sie sich auf die nächsten Wochen freute, zeigte mir, dass ich dabei definitiv in die richtige Richtung ging. Und beim nächsten Mal würde ich sie einfach gleich fragen, ob sie mit mir Dinner essen wollte. Gemeinsam gingen wir noch durch den Park und wir verabschiedeten uns. Aber ich wollte sie einfach nicht gehen lassen. "Ich kenne einige gute Abkürzungen bis zum St. Jame's Square. Wenn du möchtest, können wir zu Fuß gehen und ich verspreche dir, dass wir pünktlich zum Gong wieder da sind", sagte ich ihr deshalb, nachdem sie mich auf die Wange geküsst hatte und sich ein Taxi rufen wollte. Um den Abschied heute noch ein wenig herauszögern zu können, würde ich wirklich alles tun. Zu meiner Freude stimmte Edith zu und ich meinte darauf erkennen zu können, dass sie genauso wie ich unsere gemeinsame Zeit noch nicht für heute beenden wollte. Also bot ich ihr wieder meinen Arm an, schlug den Weg in Richtung St. Jame's Square ein und lächelte sie breit an. Wir redeten über dies und das - was wir die nächsten Tage unternehmen würden, welche Termine es in London noch gab und wie schön der Nachmittag war. Ich kannte wirklich einige Abkürzungen, da ich gerne die vollen Straßen mied und dort lang ging, wo ich fast allein war.
Viel zu schnell waren wir aber auch jetzt am Grantham House, in dem ich noch nie gewesen war. Ob sich das noch in dieser Londoner Saison ändern würde? Nur ungern erinnerte ich mich an Lord Granthams Ablehnung mir gegenüber. Es würde nicht einfach werden, wenn Edith ihnen sagen würde, dass unsere Beziehung enger geworden war. Aber im Moment war ich mehr als zufrieden damit, dass wir es ruhig angingen und sie mich nicht gleich zu ihrer Familie einlud. Ich blieb einige Meter neben der großen Eingangstreppe stehen und drehte mich zu ihr um. "Jetzt kann ich wirklich nichts mehr tun, um dich noch länger an meiner Seite zu haben", fing ich lächelnd an, während im Hintergrund eine Kirchturmuhr zur vollen Stunde schlug und ich wusste, dass im Haus hinter uns der Gong gleich geschlagen wurde. "Es war wirklich der schönste Nachmittag seit langem für mich. Und ich verspreche dir, mich so schnell wie möglich wieder bei dir zu melden, Edie" War es eben noch sie, die mich zum Abschied auf die Wange küsste, war nun ich derjenige, der sich zu ihr herunterbeugte und sie küsste. Nicht auf den Mund, auch wenn ich das mehr als gern getan hätte. Aber ich ermahnte mich zur Langsamkeit - wenn unsere nächsten Treffen nur halb so gut laufen würden wie das heutige, dann würden wir uns ganz bald auch wieder richtig küssen. Ich sah ihr noch einmal lächelnd in die Augen und drehte mich dann um. Seit langem ging ich wieder beschwingt und mit blendender Laune zurück in meine Wohnung - was allein an der Aussicht lag, Edith bald wiederzusehen.

Lady Mary
Ich hatte seit meiner Ankunft mein Zimmer nicht verlassen. Anfangs hatte ich Löcher in die Luft gestarrt und versucht, nicht ständig mit meinen Gedanken zu Mr. Howard und seinen Aussagen zurückzukommen. Da half es auch nicht, dass ich angestrengt Zeitschriften und Bücher las oder mir schon einmal aussuchte, was ich heute Abend tragen würde. Nach etwa einer Stunde kam Mama in mein Zimmer. Sie wirkte überrascht, wo sie doch geglaubt hatte, dass ich den ganzen Nachmittag mit Margaret verbringen würde. Die hatte mittlerweile angerufen, um sich nach mir zu erkundigen. "Die Bilder waren wirklich schrecklich und ich habe Kopfschmerzen bekommen", antwortete ich Mama auf ihre Nachfrage, warum ich einfach früher gegangen war. Gelogen war es ja nicht - die Bilder waren wirklich grauenvoll gewesen, genauso wie Mr. Howard es gesagt hatte und Kopfschmerzen hatte ich auch bekommen. Nur eben von diesem Streit mit ihm, den ich aber nicht erwähnen wollte. Mama schickte Anna mit einer Kopfschmerztablette zu mir hoch und verschwand dann dankbarerweise wieder.
Während die Sonne langsam sank und die Zeit zum Umziehen gekommen war, stand ich am Fenster und starrte nach draußen auf die Dächer von London. Seufzend dachte ich daran, wie wir auch heute Abend beim Dinner sicher wieder darüber reden würde, zu welchen Partys und Bällen wir eingeladen worden waren und welche potentiellen Ehemänner sich dort herumtreiben würden. Von Männern hatte ich im Moment definitiv genug. Nur wenige Fußgänger gingen vor unserem Haus her und so wurde meine Aufmerksamkeit unweigerlich auf das Paar gerichtet, das jetzt fast direkt unter meinem Fenster stehen blieb. Die Haare des Mannes waren schon stark von grau durchzogen und irgendwie kam mir der Mantel der Frau bekannt vor - es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, dass das Edith war. Die anstatt mit einer ihrer Freundinnen den Nachmittag mit ihrem steinalten Verehrer aus Yorkshire, Sir Richard Blackwell, verbracht hatte. Ich beugte mich nach vorn, während Sir Richard etwas zu ihr sagte und sie dabei so breit lächelte, dass es fast schon weh tun müsste. Dann beugte er sich vor und küsste sie auf die Wange, bevor er wegging und Edith ihm noch einige Augenblicke mit einem seltsam verträumten Blick nachsah. Ich zog die Augenbrauen zusammen und ging vom Fenster weg, damit meine Schwester mich nicht sehen könnte. Eines war klar, Edith hatte uns alle angelogen. Mama und Papa hätten sie nie einen ganzen Nachmittag mit Sir Richard allein gelassen. Und die vertraute Geste bei der Verabschiedung deutete mehr als alles andere darauf hin, dass die beiden wieder genau das taten, was Papa vor einigen Monaten so strikt abgelehnt hatte.
Ich dachte die ganze Zeit darüber nach, während Anna mir beim Umziehen half und mir die Haare machte. Im Salon sah ich Edith genau an, als sie zusammen mit Tante Rosamund hereinkam und unnatürlich gut gelaunt war. Was meine eigene Laune nur noch schlechter machte. Erst dieser Streit mit Mr. Howard und meine ständigen Gedanken an ihn und dann noch die Erkenntnis, dass Edith einen Verehrer hatte. Über den sie aber kein Wort verlor - nicht im Salon, nicht beim Dinner und auch nicht nachher bei einer Tasse Kaffee. Auf Mamas Nachfrage nach ihrem Nachmittag log sie diese einfach an. Sie wollte also nicht, dass es jemand erfuhr. Es war nur schlecht für sie, dass ausgerechnet ich sie erwischt hatte. Ich sah sie immer wieder an, sagte aber nichts. Ich würde sie auf jeden Fall weiter beobachten und es Papa sagen, sollte sie wirklich glauben, dass er ihr erlauben würde, diesen Krüppel zu heiraten.


zuletzt bearbeitet 23.06.2018 18:55 | nach oben springen

#1676

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 08.07.2018 16:58
von Rikki • 1.675 Beiträge

[...]

Mary
Entgegen meiner sonstigen Angewohnheit, Edith weitestgehend zu ignorieren, hatte ich sie in den letzten Wochen häufiger beobachtet. Ich war mir sicher, dass sie sich mit Sir Richard Briefe schrieb und sich wahrscheinlich auch wieder mit ihm getroffen hatte. Jedes Mal beim Frühstück, wenn ein Brief an sie adressiert worden war, hatte sie ihr breites Lächeln nicht verstecken können und war einmal sogar gleich aus dem Zimmer gegangen. Ihre gute Stimmung war wirklich nervig - und kaum zu übersehen. Trotzdem ahnten Mama und Papa nichts. Ich klopfte an Ediths Zimmertür und als keine Antwort kam, ging ich einfach hinein. Meine Brosche hatte sie mir seit Tagen nicht zurückgegeben und ich wollte sie heute Abend tragen. Dass ein Brief geöffnet auf ihrem Bett lag, war nicht meine Schuld. Dass er herunterfiel, ich ihn aufheben musste und mir so der Absender - Richard - ins Auge sprang, war genauso unvorhergesehen. Unauffällig schloss ich die Zimmertür, drehte mich zum Fenster und las den Brief schnell. Liebe Edie stand in der ersten Zeile, unterschrieben war er nur mit Richard. Ohne Zweifel, Edith hatte ihren Verehrer zurück. Im Briefumschlag waren zwei Theaterkarten für den morgigen Abend. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte meine Schwester gesagt, morgen Abend zu einem Dinner einer ihrer Freundinnen zu gehen. Ich schnaubte nur, legte den Brief wieder zurück und fand meine Brosche auf dem Nachttisch. Plötzlich ging die Tür auf und Edith kam herein. "Was machst du hier?", fragte sie mich vorwurfsvoll und ihre Augen glitten schnell zu dem Brief auf ihrem Bett. "Ich habe mir nur meine Brosche zurückgeholt", antwortete ich barsch und ging ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer. Da die Dienstboten heute auf einem Ausflug waren, würden wir zum Lunch ausgehen. Vorher aber trafen wir uns alle im Salon - und dort könnte ich Edith fragen, was es mit ihrem Richard auf sich hatte.

Jimmy
Noch immer war unser Glück schwer zu fassen, dass wir einen Tag ans Meer fahren durften. Ich hatte keinen Schimmer, wie Carson dazu umgestimmt werden konnte, dass wir einen ganzen Tag nicht arbeiten mussten und uns tatsächlich amüsieren durften. Noch schöner wäre es gewesen, wenn er selbst nicht mitgekommen wäre, aber durch die Anwesenheit des Butlers würde ich mir den Tag nicht verderben lassen. Ihre Ladyschaft übernahm sogar die Kosten des Zugtickets und die Sonne schien. Besser konnte es nicht sein. Die Zugfahrt ging relativ schnell vorbei und schon bald waren wir am Strand. Breit grinsend sah ich Thomas neben mir an und zog gleich mein Jackett aus. Mrs Patmore und Daisy bereiteten schon eine Decke aus und Mr Carson unterhielt sich mit Mrs Hughes. Ich hingegen entdeckte einen alten Fußball in den Dünen. "Wie wäre es mit einem Spiel?", fragte ich Thomas und schoss ihm den Ball zu. "Mr. Branson?", fragte ich den Chauffeur auch, denn je mehr Leute desto mehr Spaß würde es sein. Zu meiner Freude willigten beide sofort ein und ich lief los auf ein ruhiges Stück Strand. Thomas war seit wir in London waren irgendwie losgelöster als in Yorkshire. Und so machte das Fußballspiel noch viel mehr Spaß.

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#1677

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 08.07.2018 17:33
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Edith
Ich hätte es wissen sollen, dass meine gute Laune, die zu meinem gewöhnlich genervten Gesichtsausdruck so sehr im Kontrast stand, früher oder später jemandem auffallen würde und das vermutlich gerade Mary, die selten eine Gelegenheit ausließ, etwas über andere in Erfahrung zu bringen, dass sie gegen sie verwenden konnte. Noch immer wusste meine Familie nichts von Sir Richard und ich hatte nicht vorgehabt, das zu ändern, bis wir verlobt waren – was, wie ich hoffte, nicht mehr lange dauern würde, denn wir hatten mittlerweile fast täglich in irgendeiner Form Kontakt. An diesem Morgen hatte er mir die Karten für unseren Theaterbesuch geschickt, zusammen mit einem wunderschönen Brief. Und naiv, wie ich war, hatte ich diesen auf meinem Bett liegen lassen, sehr zu Marys Freude, denn als ich nachmittags in mein Zimmer eilte, um etwas Parfüm aufzutragen, stand sie neben meinem Nachttisch. Ich verwünschte sie stumm und musste mich schwer zusammenreißen, meine Verwünschungen nicht auch laut auszusprechen. Einfach so in mein Zimmer zu gehen! "Was machst du hier?", fragte ich stattdessen und sah sie böse an. Mein Blick fiel auf den Brief, der auf dem Bett lag. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihn nicht gelesen hatte, war wirklich mehr als gering. "Und das kannst du nicht, indem du mich vorher einfach fragst?", giftete ich und war einerseits sauer auf sie, aber auch auf mich, weil ich vergessen hatte, ihr die Brosche zurück zu geben. Und weil ich den verhängnisvollen Brief einfach so hatte herumliegen lassen. Wütend schaute ich ihr hinterher, als sie einfach aus dem Zimmer ging, benutzte, wie ursprünglich vorgehabt, mein Parfüm, räumte den Brief in meine Nachttischschublade und ging in den Salon. Mir blieb nichts anderes übrig, aber eigentlich hatte ich so gar keine Lust, Mary zu begegnen. Ich würdigte sie keinen Blickes, als ich mich neben Mama setzte, aber irgendetwas lag in der Luft, das spürte ich.

Lady Anstruther
Die Sommermonate in London waren ohne Frage die schönste Zeit des Jahres. Einkaufen, Feste mit modernen, hochprozentigen Drinks und gut gelaunte, junge Männer, soweit das Auge reichte. Von den leichteren Kleidern mal ganz abgesehen. In den letzten Jahren hatte ich mir zunehmend einen Spaß daraus gemacht, mich immer etwas offenherziger zu bekleiden, als ich sollte und die Reaktionen von Seiten der Männer zu genießen. Aber diesen Sommer hatte ich einen wirklich großen Spaß geplant: Ich hatte mir einen Badeanzug gekauft und genau den würde ich später am Meer tragen. Meine alte Freundin Mildred Bloomfield – und sie war in jeder Hinsicht eine alte Freundin – hatte bereits ihr Unbehagen deswegen ausgesprochen, aber es kümmerte mich herzlich wenig. Neben ihr würde ich nur noch besser aussehen. Wir kamen recht früh am Vormittag an, sodass der Strand noch leer war und Gregory – der zu meiner großen Enttäuschung sämtliche Kleidungsstücke anbehalten musste – ein kleines Picknick für Mildred und mich vorbereiten konnte. Außerdem hatte ich genug Zeit, mich optisch herzurichten, um den Ansturm an Menschen, die um die Mittagszeit kamen, ordentlich beeindrucken zu können. Und sobald die Sonne endlich hoch am Himmel stand, wagte ich mich ins kühle Wasser. Ich spürte von allen Seiten Blicke auf mir und vermutete, dass sie gleichermaßen von männlicher (bewundernd) und weiblicher (missgünstig) Seite kamen. Aber auf dieses Spiel war ich nur gut vorbereitet gewesen bot meinem Publikum auch eine der Aufmerksamkeit entsprechende Show im Wasser. Immer mal wieder hielt ich Ausschau nach attraktiven Gesichtern, und als ich gerade eine einladende Armbewegung in Richtung eines jungen, blonden Mannes machen wollte, der mich seit gut einer Viertelstunde ungeniert beobachtete, fielen mein Blick und meine Aufmerksamkeit auf einen anderen Mann. Jimmy war hier. Natürlich... Natürlich waren die Crawleys in London... Ein breites Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Dieser Sommer würde noch besser werden, als angenommen.

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#1678

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 08.07.2018 18:03
von Rikki • 1.675 Beiträge

Mary
Kurze Zeit nach mir kam auch Edith herein und setzte sich neben Mama. Meinen Blick erwiderte sie nicht. Bestimmt wusste sie, dass ich den Brief gelesen hatte. Aber es war ihre eigene Dummheit - genauso, wie es unseren Eltern nicht zu sagen. Papa würde fuchtsteufelswild werden. Schließlich hatte er Sir Richard schon einmal weggeschickt und jetzt das... Mama redete mit Sybil über irgendeine Gartenparty, die wir bald besuchen würden und die Termine der nächsten Tage. "Morgen Abend sind wir bei Rosamund, sie hat uns eingeladen. Ich glaube, sie ist wirklich einsam - schließlich sind wir seit unserer Ankunft fast jeden Tag bei ihr oder sie bei uns", meine Papa und schlug seine Zeitung zu. "Außer Edith, nicht wahr? Du bist doch bei deiner Freundin verabredet - wie hieß sie nochmal?", nutzte ich diese Vorlage und sah Edith scharf an. "Irgendetwas mit 'R'?" Ich sah die Panik in ihren Augen und lächelte zuckersüß. "Ich dachte es wäre Susan Flynn, Edith", warf Mama ein und bemerkte nicht, welche Stimmung zwischen mir und Edith herrschte. "Und ich dachte dass es jemand mit dem Namen Blackwell war. Richard Blackwell" Mit einem Mal war es still im Raum. Nur Papas Zeitung raschelte, als er sie wieder sinken ließ und Edith ansah. "Richard Blackwell?", fragte er.

Jimmy
Ich hatte lange nicht mehr Fußball gespielt - wo und wann auch, wenn wir den ganzen Tag arbeiten mussten? - aber ich hatte vergessen, wie viel Spaß es machte. Und dass ich es einigermaßen gut konnte. Nach kurzer Zeit wurde ich etwas übermütiger und machte ein paar Tricks, die zum Glück gut gelangen, bevor ich den Ball wieder Thomas oder Mr. Branson zuspielte. Warum konnten wir nicht öfter einen freien Tag am Strand verbringen? Ich hob kurz meine Mütze und strich mir durch die verschwitzten Haare, als Mr. Branson unvorhergesehen abschoss und der Ball an mir vorbei in Richtung Wasser rollte. Sofort lief ich ihm hinterher und hob ihn auf. Mein Blick glitt kurz über das Wasser. Mittlerweile war es so warm, dass einige Schwimmer im Wasser waren. Eine Frau sah mich direkt an und ich blinzelte sie einige Sekunden an - zuerst hatte ich sie nicht erkannt, aber wenn jemand einen so knappen Badeanzug tragen würde, dann sie. Wie hatte ich nur glauben können, dass Lady Anstruther nicht in London sein würde? Und halb London war im Sommer am Meer. Sie musste mich auch gesehen haben, aber ich drehte mich schnell wieder weg und schoss den Ball im hohen Bogen zu Thomas. Sie würde es doch wohl nicht wagen, hier mit mir zu sprechen? Plötzlich bekam ich wieder Panik. Und der Anblick des Badeanzugs ging mir nicht aus dem Kopf.

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#1679

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 08.07.2018 18:22
von Mü~ • 1.639 Beiträge

Edith
Natürlich ging das Gespräch im Salon schnell in Richtung kommender Verabredungen und ehe ich Papa versichern konnte, dass ich wirklich mit Susan Flynn verabredet war, hatte Mary schon die Katze aus dem Sack gelassen. Dieses Miststück. Ich würde es ihr heimzahlen, irgendwie und irgendwann. Wahrscheinlich raste sie einfach nur vor Eifersucht, weil sich ausnahmsweise kein Mann für sie interessierte. "Ich weiß nicht, wovon Mary redet", warf ich ein. "Natürlich bin ich mit Susan verabredet." Aufrichtig schaute ich in die Runde und lächelte leicht. Papa sah beruhigt wieder auf seine Zeitung – er hatte kurz mehr als alarmiert ausgesehen –, aber Mama schaute mich noch immer misstrauisch an. "Edith?", sagte sie streng und auch Papa sah jetzt wieder auf. "Mary erzählt wieder einmal Dinge, die nicht der Wahrheit entsprechen", beharrte ich weiter. "Sie ist sauer, weil ich vergessen habe, ihr ihre Brosche zurückzugeben." Ich warf Mary ein boshaftes Lächeln zu. "Mary, sicher hätte man das auch anders lösen können", sagte Mama tadelnd, lächelte aber. War ich aus dem Schneider? Immerhin wusste jeder in diesem Raum, die Teppiche eingeschlossen, was für eine intrigante Ziege Mary war und dass es ihr durchaus zuzutrauen war, wegen einer Brosche solch ein Theater zu veranstalten.

Lady Anstruther
Meine Show war vorbei. Jetzt hatte ich nur noch ein Ziel – ein junges Ziel mit goldblonden Haaren, das gerade Fußball spielte. Aber sicher nicht mehr lange. Er hatte mich gesehen, das wusste ich mit Sicherheit und ebenso sicher war ich mir, dass meine Anwesenheit ihn nervös machte. Ich zog mich zurück, um mich von der Sonne trocknen zu lassen, behielt Jimmy und die beiden anderen Männer, mit denen er Fußball spielte, aber genau im Auge. Irgendwann gingen sie alle aufeinander zu, besprachen etwas und gingen dann in unterschiedliche Richtungen, wobei Jimmy die Richtung zum Eisstand einschlug. Das war meine Chance. Schnell sprang ich auf die Füße, rückte meinen Badeanzug zurecht und ging ebenfalls auf den Eisstand zu. Einige Meter davor trafen wir uns. "Jimmy", sagte ich gespielt überrascht und lächelte ihn breit an. "Was für eine Überraschung, dass wir uns hier begegnen. Eine sehr angenehme Überraschung allerdings", redete ich weiter, während ich mittlerweile nah neben ihm lief und kurz und unauffällig seine Taille berührte. "Genießt du das schöne Wetter?", fragte ich anzüglich und sah ihm kurz in die Augen.

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#1680

RE: ρяѕ

in Dowɴтoɴ Aввey 08.07.2018 18:39
von Rikki • 1.675 Beiträge

Mary
Papa war wirklich zu leicht zu beruhigen. Erkannte denn niemand, dass Edith wie gedruckt log und Sir Richard Blackwell keinesfalls nur meiner Einbildung entsprach? Ich würde niemals nur wegen einer zu spät zurückgegebenen Brosche so ein Theater machen, über die wahren Gründe machte ich mir aber erstmal keine Gedanken. Edith hatte es verdient, so auszufliegen, wenn sie Mama und vor allem Papa so hintergang. Wahrscheinlich würde sie auch heimlich ihren alten Verehrer heiraten, damit niemand dazwischenfunken konnte. So leicht würde ich Edith nicht davonkommen lassen. "Ich glaube, wenn hier jemand nicht die Wahrheit erzählst, dann bist es du. Soweit ich nämlich weiß, sind morgen Abend zwei Theaterkarten reserviert. Für dich und Sir Richard Blackwell. Und es ist nicht das erste Mal, dass die beiden sich hier in London sehen" Mittlerweile war das Lächeln von meinem Gesicht verschwunden. "Mary, wie kommst du denn darauf?", fragte Mama, deren Lächeln sich noch weiter tapfer hielt - aber auch ihr wurde die Sache anscheinend suspekt. "Weil ich die beiden zufällig gesehen habe, vor dem Haus. Warum sagst du uns nicht einfach, wie sehr du dich darauf freust, wieder in Yorkshire mit ihm Auto zu fahren, Edie?" Meinte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Papas Blick sagte alles - ich hatte ihn auf meine Seite gezogen.

Jimmy
Das Spielen in der Sonne war doch ziemlich anstrengend und schon bald einigten wir uns darauf, eine Pause einzulegen. Mr. Branson wollte in Ruhe seine Zeitung lesen und Thomas setzte sich zu Mrs. Patmore auf die Decke. Ich hatte ihm nämlich versprochen, ein Eis auszutun. Und damit machte ich mich zum leichten Ziel. Ich hatte meine frühere Arbeitgeberin keinesfalls vergessen, aber gehofft, dass sie in aller Öffentlichkeit keinen Annäherungsversuch starten würde. Meine Hoffnungen wurden zerschlagen, als vor dem Eisstand eine auffallende Frau in Badeanzug stand und mich mit einem Blick ansah, dass ich beinahe rot wurde. Hilfe, wie sollte ich sie nur wieder abschütteln? Ich antwortete erst nicht, während sie dreist neben mir herging und mich berührte. Unwillkürliche zuckte ich zusammen - unsere letzte gemeinsame Nacht war mir noch stark im Gedächtnis geblieben und vermied ein Blick auf ihr Dekollete. Konnte ich sie einfach ignorieren? Das würde sie nur noch aufdringlicher machen. "Natürlich tue ich das", antwortete ich daher nicht gerade einfallsreich und blieb geschickt zwischen den Strandhäusern stehen, damit uns niemand sehen konnte. Um das Eis konnte ich mich immer noch später kümmern. Erst musste ich Lady Anstruther loswerden. Nur hatte ich keine Ahnung, wie ich das anstellen konnte.

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