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Sybil
Er machte tatsächlich Anstalten, sich zu bewegen. Ich verstärkte meinen Griff und sah ihm in die Augen. Warum wollte er auf einmal kündigen? War er verrückt geworden? "They won't hear. Not from me", sagte ich ihm deshalb. Hatte er etwa ernsthaft geglaubt, ich würde Papa oder gar Carson von seiner Liebeserklärung berichten? Er schüttelte leicht den Kopf und ich hatte Angst, dass er sich einfach losreißen und das durchziehen würde, was er sich so stur in den Kopf gesetzt hatte. Das machte mir noch mehr Angst als seine Gefühle für mich - die Aussicht, dass er wegen mir kündigen und weggehen würde. Ich ließ ihn noch immer nicht los, lockerte aber meinen Griff. "Aber ich kann keine Antwort geben - nicht jetzt. Ich muss Nachdenken", sagte ich dann noch ernst und hoffte, dass er mich verstehen würde. Ich wollte nicht, dass er ging. Gleichzeitig würde aber auch nichts mehr so sein wie früher, wo ich doch jetzt wusste, was er empfand. Aber ich war noch unsicher bezüglich meiner Gefühle und das einzige, was ich brauchte, um mir darüber klar zu werden, war Zeit. Ich mochte Branson. Aber reichte es, dass ich mich für ihn entscheiden und mein Leben aufgeben würde? Schon jetzt fühlte ich die Unmenge an Gedanken, die ich mir deswegen machen konnte. Ich konnte nur hoffen, dass Branson so lange Geduld haben würde. "Werden Sie so lange hier bleiben? Ich verspreche, dass ich darüber nachdenken werde. Bitte", fügte ich hinzu und konnte nichts dafür, dass es immer noch flehend klang. Auch wenn ich nicht wusste, wie ich für Branson fühlte - ich wusste, dass ich nicht wollte, dass er ging.

Tom
Nachdem unser Gespräch in den letzten Minuten eine Tortur für mich gewesen war, bekam ich jetzt endlich die zwei Antworten von Lady Sybil, auf die ich gewartet hatte: Sie würde mich nicht verraten und sie musste nachdenken. Natürlich brauchte sie Bedenkzeit, das war nur verständlich und für mich zählte nur, dass sie nicht nein gesagt hatte. Dass ich mich nicht so sehr in ihr getäuscht hatte. Unwillkürlich musste ich lächeln, als sie mich bat zu bleiben. Es war, als hätten wir Rollen getauscht und natürlich konnte ich dazu nicht nein sagen. "The truth is, I'll stay in Downton until you want to run away with me", versprach ich – mehr überrumpeln als ich es heute schon getan hatte, konnte ich sie ja gar nicht mehr. Und dass wir unser gemeinsames Leben nicht hier verbringen konnten, war auch mehr als logisch. Aber ich würde geduldig warten, bis sie sich entschieden hatte, das stand fest.

Sybil
Ich war erleichtert. Er würde bleiben und ich hatte Zeit, mir über all das Gedanken zu machen, was er eben zu mir gesagt hatte. Das zweite Gefühl nach der Erleichterung war wieder Angst, weil er mit mir weglaufen wollte. Und das meinte er wirklich ernst. Aber die Erleichterung überwog. Ich wollte ihm gerade antworten, dass das verrückt wäre, als Marys Stimme wie aus dem Nichts kam und ich mich ruckartig umdrehte. "Branson? Can you get me into Ripon at three?" Meine Schwester stand einige Meter entfernt von uns. Zwar hatte sie die Worte an Branson gerichtet, ihr Blick lag aber auf mir. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch Bransons Arm hielt und ließ diesen sofort los. Ansonsten ließ ich mir aber nichts anmerken und auch Branson stand noch genauso grade und nah vor mir wie eben. "I'm getting some things for Mama. Is there anything you want?", redete Mary weiter. Ihr Blick durchbohrte mich und ich wandte mich unwillkürlich ab. "Nothing you can find in Ripon", antwortete ich ihr nur mit fester Stimme, sah Branson ein letztes Mal an und ging dann in Richtung des Dorfes davon. Ich war mir sicher, dass Mary etwas bemerkt hatte und dass sie vielleicht sogar etwas von unserer Unterhaltung gehört hatte. Wie hatten wir auch so dumm sein und am hellichten über Liebe reden können? Mary würde uns nicht verraten, das hoffte ich. Mit klopfendem Herzen - wegen Branson oder wegen unserer Entdeckung durch Mary konnte ich nicht sagen - ging ich schließlich ins Dorf, schickte das Telegramm und die Briefe ab und dachte schon dabei die ganze Zeit darüber nach, was ich Branson jemals antworten könnte.

[...]
David
Dass Lady Mary und ich so etwas wie Frieden geschlossen hatten, machte meine Arbeit durchaus leichter, weil ich nicht ständig im Hinterkopf hatte, möglicherweise eine Diskussion mit ihr zu führen, sobald sie auf der Bildfläche erschien. Trotzdem war ich sehr gespannt, wie sie sich bei den Schweinen anstellen würde – ich konnte sie mir einfach nicht im Schlamm vorstellen. Wusste sie überhaupt, wie dreckig es werden würde? Ich sah sie vor meinem geistigen Auge schon mit dem Absatz im Boden feststecken. Egal, sie hatte zugesagt – ob ihr klar war, worauf sie sich eingelassen hatte, war nicht mein Problem. Am Tag der Ankunft der Schweine trafen wir uns kurz nach dem Lunch in der Eingangshalle. Zu meiner Überraschung war Lady Mary ausnahmsweise nicht so auffällig angezogen wie üblicherweise zum Dinner – in meinen Augen aber noch immer nicht für die bevorstehende Arbeit geeignet. Ich sparte mit einen Kommentar, begrüßte sie nur und eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her. "Hatten Sie jemals mit Tieren zu tun, außer mit dem Hund Seiner Lordschaft?", fragte ich, als wir vom Haus weg zu den Feldern und Höfen gekommen waren. Ich wollte sie wenigstens vorsichtig auf die Schweine vorbereiten.

Lady Mary
Ein letztes Mal sah ich mich im Spiegel an, bevor ich die Treppe nach unten ging. Auch wenn wir uns nur die Ankunft der Schweine ansehen würden, hatte ich mein Outfit perfekt geplant. Es war ein Tweedkostüm mit passendem Hut - nützlich, aber auch eben schick. Noch immer hielt die gute Stimmung zwischen mir und Mr. Howard an, was fast schon an ein Wunder grenzte. Ich war gespannt, wie lange das noch anhalten würde. Die letzten Tage hatte ich nicht wirklich viel von ihm gesehen, da er so in seine Arbeit vertieft war und nur zum Essen wieder ins große Haus kam.
Auch ich hatte genug zu tun. Gestern Abend vor dem Dinner war ich zu Sybil gegangen, um sie nach Branson zu fragen. Die beiden hatten so vertraut gewirkt. Für mich war er einfach nur der Chauffeur, für meine kleine Schwester aber anscheinend mehr. Und mit Sybils modernem Denken bezüglich der Gleichheit aller Menschen, konnte das durchaus gefährlich werden. Von uns allen war sie diejenige, die am freundlichsten zu den Dienstboten war. Ihre abweisende, fast schon wütende Reaktion gestern Abend hatte mir gezeigt, dass es durchaus ernst war. Natürlich wollte ich, dass sie glücklich werden würde und den richtigen Mann fand - aber den Chauffeur? Sah sie denn nicht, dass das unmöglich war? Ich hatte mir vorgenommen, ein Auge auf sie zu behalten. Mit dem ganzen Tamtam um Edith hatten Mama und Papa sicherlich übersehen, wie Sybil sich entwickelt hatte.
Mr. Howard war praktisch wie immer und sparte sich auch einen Kommentar zu meinem Aussehen, auch wenn ich seinen kritischen Blick durchaus bemerkte. Da es nicht weit war, gingen wir zu Fuß. "Sie vergessen die Pferde, Mr. Howard. Genauso wie die Hunde gehört auch ein Pferd zum Bild eines Aristokraten, nicht wahr?", antwortete ich ihm. "Ich weiß, darauf wollen Sie nicht hinaus. Nein, ich hatte nie etwas mit den anderen Tieren zu tun. Warum sollte ich auch?", fügte ich dann noch hinzu. Sicherlich hielt er mich für fürchterlich dumm, da ich nichts wusste und mich nur für allgemeine Frauendinge interessierte. Ich sah ihn von der Seite an. Entweder er würde einen dummen Kommentar machen und es kam zum Streit oder aber er wollte mir gar nichts Böses, sondern nur helfen.

David
Lady Marys Antwort überraschte mich nicht, ihr Seitenhieb ebenso wenig – aber es war eine gute Überleitung zu meinen Erklärungen. "Schweine sind im Prinzip sogar einfachere Tiere als Pferde. Wir müssen jetzt gleich überprüfen, ob das Gehege ordentlich aufgebaut wurde und genug Wasser und Futter bereit steht. Solange dann das Gatter richtig geschlossen wird, ist alles in bester Ordnung. Heute Abend gehe ich nochmal nachsehen und in etwa einer Woche können wir sie hoffentlich umsiedeln", erklärte ich grob den Plan und noch während ich sprach, kam ein großzügig eingezäumtes, schlammiges Stück Gelände in Sicht. Auch Lady Mary und ich mussten nun den Weg verlassen und uns auf etwas rutschigeres Gelände begeben. Ich warf meiner Begleitung immer wieder Seitenblicke zu, denn aus irgendeinem Grund wollte ich nicht, dass sie gleich im Dreck landete. Seltsam, noch vor zwei Tagen hätte mich der Anblick sicherlich laut auflassen lassen. Ich reckte den Kopf und hielt Ausschau nach dem Wagen, mit dem die Schweine ankommen würden.

Lady Mary
Er rettete unsere gute Beziehung, indem er nicht auf meine schnippische Antwort einging und mich sogar etwas beruhigte. Zwar kümmerte ich mich ja nicht direkt um die Pferde - wofür gab es denn den Stallmeister und die Stallburschen? - aber wenn Schweine einfache Tiere waren, dann würde ich wohl auch damit klarkommen. Schließlich hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, die Führung des Anwesens zu verstehen und dazu gehörten auch die Tiere. "Ich werde heute Abend mitkommen, wenn Sie nichts dagegen haben. Schließlich sind es meine Schweine", meinte ich zu ihm. Nach dem Dinner könnten wir gut noch einmal nachsehen. "Auch wenn Sie mehr Ahnung haben. Wir können uns also glücklich schätzen, dass Sie gerade jetzt hier sind" Ich glaubte aber eher, dass Mr. Howard ein Theoretiker war, der genauso wie ich noch nie eine Mistgabel in die Hand genommen hatte. Aber so ein kleines Lob konnte ja nicht schaden, damit wir nicht wieder stritten. Es war wirklich viel angenehmer so und ich musste mir wirklich eingestehen, dass es eine willkommene Abwechslung war, mit ihm ernsthaft reden und dem Trubel um Ediths Hochzeit entgehen zu können. Wir verließen den Weg und ich achtete darauf, nicht auszurutschen und ihm so einen Grund zu geben, über mich zu lachen. Wir bliebe vor dem Zaun stehen und ich tat so, als wäre es nichts Neues für mich, auf die Ankunft einer Horde Schweine zu warten. Es dauerte auch gar nicht lange, bis diese ankamen und in ihr neues Zuhause getrieben wurden. "Ich kann nichts dafür, die armen Schweine tun mir wirklich Leid", sagte ich dann, als ich daran dachte, dass einige früher oder später auf meinem Teller landen würden.

David
Ich hatte Lady Marys Enthusiasmus unterschätzt – sie wollte tatsächlich auch heute Abend mitkommen, wenn ich nach den Schweinen sah. Aber irgendwie gefiel mir ihre Entschlossenheit. "Ich habe nichts dagegen", sagte ich lächelnd. Ein kleiner Verdauungsspaziergang hierher würde mir nach einem üppigen und leckeren Dinner, wie man es auf Downton Abbey bekam, nicht schaden. Am Zaun angekommen, warf ich kurz einen Blick in den Wassertrog ("das ist genug, um darin zu baden") und auf einen Haufen Rüben und Heu, beides ebenfalls mehr als ausreichend, wenn auch nicht zwingend appetitlich. Ich erklärte Lady Mary, was Schweine fraßen und dann standen wir eine Weile da und warteten. Die Schweine aber ließen nicht lange auf sich warten und wuselten bald alle zufrieden durch ihr Gehege – noch. "Sie essen Schinken, oder? Braten?", entgegnete ich, als Lady Mary über Mitleid mit den Schweinen sprach. "Sentimentalität sollte man außen vor lassen, wenn man ein Anwesen erhalten möchte." Den Fehler machte schon Lord Grantham, was ich ihm hoffentlich bald klar machen würde.

Lady Mary
Ich schätzte es wirklich, dass Mr. Howard mir alles genau erklärte und dabei nicht so tat, als ob ich besser wieder ins Haus zurücklaufen sollte, um Kleider anzuprobieren oder ein Dinner zu planen. Von Papa kannte ich es, dass er mich und mein Interesse für Downton nicht ernst nahm. Umso mehr genoss ich es, dass Mr. Howard mich ebenbürtig behandelte. Auch wenn wir immer noch gerne miteinander diskutierten. Natürlich musste ich ihm zustimmen, dass ich Fleisch aß und selbst mir kam mein Kommentar dumm vor. "Mich nennen nicht viele sentimental", gab ich zurück und sah dabei zu den Schweinen. Er hatte ja Recht. Dennoch war es etwas anderes, jetzt hier vor den Tieren zu stehen, die bald sterben würden. Aber wenn es gut für Downton war, eigene Schweine zu halten, dann würden wir das auch tun. Mit einem kurzen Lächeln drehte ich mich wieder zu meinem Begleiter um. "Ich hoffe wirklich, dass die Schweine eine gute Idee waren. Ansonsten würde Papa seine Ansicht nur bestätigt sehen, am besten gar nichts an der Führung des Anwesens zu ändern", meinte ich dann wieder ernster zu ihm. "Es gibt sicherlich noch einige Bereiche, in denen Verbesserungen stattfinden können. Das hier ist nur der Anfang"

[...]
Lady Mary
Nachdem Mr. Howard sich versichert hatte, dass es den Schweinen gut ging, schlugen wir den Rückweg zum Haus ein. Noch vor einigen Monaten hätte ich mich wahrscheinlich nie in die Nähe eines Schweinestalls gewagt, geschweige denn mich darauf gefreut, heute Abend noch einmal wiederzukommen und nach dem Rechten zu sehen. Mr. Howard verabschiedete sich, um mit Papa und Mr. Jarvis einige Zahlen zu besprechen und ich verbrachte den Rest des Nachmittages damit, Briefe zu schreiben und zusammen mit Anna mein Kleid für das Dinner auszuwählen. Ich wählte eines in lila mit längeren Ärmeln, falls es heute Abend frischer werden würde. Zwar würden wir nur kurz nachsehen, aber der Weg zu den Schweinen war lang und ich wollte auf keinen Fall frieren. Anscheinend hatte Mr. Howard Papa von unserem Vorhaben erzählt. "Du begleitest Mr. Howard nach dem Dinner zu den neuen Schweinen?", fragte der mich nämlich, als ich in den Salon kam. "Warum nicht? Schließlich waren wir heute Morgen schon dort und ich will mich vergewissern, dass alles in Ordnung ist", antwortete ich unverfänglich und zog einen Handschuh hoch. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich Ediths hochgezogene Augenbrauen - sicherlich amüsierte es sie köstlich, dass ich mich für Schweine interessierte. Sybil dagegen starrte auf ihre Schuhe mit einem so angestrengten Gesichtsausdruck, dass sie sicherlich kein Wort gehört hatte. Bis Mr. Howard endlich dazukam, hatte Papa schon versucht, mir den Besuch auszureden, aber ohne Erfolg.
Und so gingen wir nach dem Dinner direkt in Richtung der Schweinegehege. Draußen war es noch hell und angenehm warm. Zum Glück hatte ich flache Schuhe gewählt, ansonsten hätte ich nachher Blasen an den Füßen. Schweigend gingen wir nebeneinander her, bis Mr. Howard mich wegen des Bauern ansprach, der für die Tiere sorgen würde. Ich erzählte ihm alles, was ich wusste und Papa dazu hatte sagen hören und das schien ihm zu reichen. Ich genoss die kühler werdende Abendluft, während wir über das Anwesen liefen - und komischerweise auch Mr. Howards Anwesenheit. Papa schien es zwar nicht zu gefallen, dass ich mich für meine Arbeit interessierte, aber wenigstens hatte Mama keine Anstalten gemacht, dass ich allein mit einem Mann unterwegs war. Zwischendurch machte ich Mr. Howard immer wieder auf besondere Orte des Anwesens aufmerksam - den See, Farmen in den näheren Umgebung, bis wir schließlich ankamen. Einige Schweine lagen dicht beieinander, anscheinend schliefen sie schon. Ich blieb an einem Gehege stehen und sah hinein. Für mich sah alles bestens aus - bis Mr. Howard auf einmal plötzlich loslief und sich vor den Zaun hinkniete. "Was ist los?", fragte ich ihn beunruhigt.

David
Mein Ausflug zu den Schweinen mit Lady Mary hatte mich zuversichtlich gestimmt und wieder einmal positiv überrascht – die Schweine hatten es gut und meine Begleitung war interessierter und intelligenter, als ich erwartet hatte. Immerhin kam sie sogar heute Abend noch mit mir, wenn ich nach den Schweinen sah. Ich war wirklich erleichtert, dass mein Job hier nicht zu einem so großen Albtraum werden würde, wie ich noch vor kurzem gedacht hatte und musste mir eingestehen, dass ich Lady Mary mittlerweile fast schon mochte. Beim Dinner redeten wir nicht viel miteinander, aber mir entging nicht, dass sie ihre Kleidung unserem abendlichen Besuch bei den Schweinen angepasst hatte: ein Kleid mit langen Ärmeln in einem Lila, das ihre blasse Haut strahlen ließ und, dem Himmel sei Dank, flache Schuhe. Als wir auf dem Weg zu den Schweinen waren, brach ich das Schweigen, das noch immer zwischen uns herrschte. "Wer ist der Bauer, der sich um die Schweine kümmern wird, hat er viel Ahnung? Das wäre von Vorteil", sagte ich, aber Lady Marys Antwort ließ vermuten, dass es auch mit der späteren Versorgung der Schweine keine Probleme geben dürfte und es ihnen gut gehen würde – bis zu ihrem unvermeidlichen Ende. Unterwegs erzählte sie mir immer wieder Details über das Anwesen und abgesehen davon, dass sie über ein überraschend großes Wissen hierzu verfügte, stellte sich heraus, dass wir oft einer Meinung und Lady Mary moderner als ihr Vater war. Schließlich erreichten wir das Schweinegehege und ich brach mitten im Satz ab – eben noch hatten wir uns über die Verwendung von Holz aus einem nahe gelegenen Waldstück unterhalten. Denn was mich stutzig gemacht hatte war – und das hätte mir schon vor Minuten auffallen sollen – dass kein lautes Grunzen und Schlammplatschen zu hören war, wie es normalerweise der Fall bei dieser Menge von Schweinen war. Ich lief sofort schneller und auf den Zaun zu. "Was ist passiert?", hörte ich Lady Marys verwirrte und alarmierte Stimme hinter mir. So schnell sie in ihren Schuhen konnte, stapfte sie durch den Schlamm und trat ebenfalls an den Zaun heran. Ich war in die Hocke gegangen und betrachtete erschrocken das Schwein, das nur noch flach atmend im Dreck lag. "Dieses Schwein ist so gut wie tot, es atmet kaum noch", berichtete ich Lady Mary. Auch einige der anderen Schweine lagen auf dem Boden oder standen grunzend und japsend eng aneinander gedrückt herum. Es dauerte ein paar Sekunden, in denen ich das Gehege eingehend betrachtete, ehe es mir wie Schuppen von den Augen fiel. "Sie haben den Wassertrog umgeworfen!" Ohne nachzudenken zog ich mein Jackett aus. Das hier durfte noch nicht das Ende dieser vielen Schweineleben sein. "Sie sind komplett dehydriert, wo ist hier die nächste Wasserquelle? Wir brauchen frisches, sauberes Wasser", sagte ich zu Lady Mary und kletterte über den Zaun.

Lady Mary
Schnelles Gehen war trotz meiner flachen Schuhe im Gras schwierig, dementsprechend unelegant trat ich an Mr. Howards Seite und sah beunruhigt in die gleiche Richtung wie er. Ein Schwein lag auf dem Boden, für mich sah es so aus, als ob es schlafen würde. Als Mr. Howard dann eröffnete, dass es fast tot war, wurde ich panisch. Wie konnte das passiert sein? Heute Mittag war doch alles gut. Die Schweine würden Downtons Zukunft weiter absichern. Und jetzt waren sie fast tot, denn bei genauerem Hinsehen sahen auch alle anderen Schweine nicht viel besser aus als dieses hier vorne. "Wie kann das sein?", fragte ich weiter und sah ihm über die Schulter. Auch dieses Mal folgte ich seinem Blick und erkannte erst jetzt den Wassertrog, der umgekippt da lag. Mr. Howard war schneller, zog schon sein Jackett aus, warf es über einen Zaunpfahl und kletterte ins Gehege. Ich folgte ihm am Zaun entlang und stand unentschlossen da - ich hatte keine Ahnung, was zu tun war. Sollte ich einfach loslaufen und unseren Schweineexperten holen? Zu Fuß auf diesen Schuhen würde das ewig dauern und an ein Auto hatten wir nicht gedacht. Ich wurde immer panischer, aber Mr. Howard behielt die Kontrolle und wusste, was zu tun war. Und zum Glück konnte ich ihm antworten. "In der Scheune ist eine Wasserpumpe", sagte ich schnell. "Sollen wir die Tiere dorthin treiben?", fragte ich weiter, irgendetwas mussten wir ja tun und das schnell. Ich wusste nicht, wie ich mir den Verlauf des Abend vorgestellt hatte, aber ganz sicher nicht so. Sollten die Schweine jetzt sterben, würde das Papa nur bestätigen und viel Geld kosten. Dass Mr. Howard da war und anscheinend auch Ahnung hatte, erleichterte mich ungemein. Was immer er sagen würde, würde ich auch tun, um die Tiere zu retten.

David
Wie ich vermutet hatte, war im ganzen Gehege kein Tropfen Wasser mehr. Der Trog hatte nur lose auf der schlammigen Erde gestanden und konnte viel zu leicht umgestoßen werden – und nun war alles Wasser im Boden versickert und die Schweine am Verdursten. Lady Mary sah panisch aus und kurz dachte ich, dass ich nun sowieso auf mich allein gestellt war, aber sie dachte mit und schlug vor, die Schweine zur nächstgelegenen Wasserpumpe zu treiben. "Das würden sie nicht überleben", entgegnete ich, war aber froh, dass sie sich Gedanken machte. Im Grunde genommen hatte ich eher erwartet, dass sie sich mit einem Das sollten besser Sie erledigen auf den Rückweg machte. Angestrengt dachte ich nach, wie die Schweine am schnellsten zu Wasser kommen würden, wertvolle Sekunden verstrichen und in meinem Kopf war nur Lord Granthams Reaktion, wenn er erfahren würde, dass die wichtigen Schweine viel zu früh ins Gras gebissen hatten. Wasser... Wasser... Pumpe... Warum war ich nicht früher darauf gekommen? "Wir holen selbst Wasser aus der Scheune", wies ich Lady Mary an, ehe mir einfiel, dass ich dazu nicht unbedingt befugt war. "Das heißt, ich hole Wasser", korrigierte ich mich. Mit diesen Schuhen, dem Schlamm und vermutlich nicht genügend Kraft in den Armen würde sie mir ohnehin nur schlecht helfen können, selbst, wenn sie wollte. Ich kletterte aus dem Gehege und nahm mir von den Wassereimern, die daneben standen, zwei.

Lady Mary
Das Überleben der Schweine stand wirklich auf Messers Schneide - noch immer war es mir unbegreiflich, wie das alles hatte passieren können. Aber für weitere Gedanken dazu war jetzt keine Zeit, wir mussten handeln - irgendwie. Im selben Moment wie ich sah auch Mr. Howard auf die am Rand des Geheges stehenden Eimer und schnappte sich gleich zwei. Ich wollte schon nicken, als er mit seiner Aussagen zurückruderte und meinte, er allein würde das Wasser holen. Unter normalen Umständen hätte ich die Augen verdreht. Warum war es für Männer so schwer einzusehen, dass sie nicht immer allein den Helden spielen mussten? Glaubte er etwa wirklich, ich würde die ganze Zeit neben den sterbenden Schweinen stehen, während er zwischen der Scheune und dem Wassertrog hin und her lief? Da hatte er sich aber gewaltig in mir getäuscht. Ohne zu zögern nahm auch ich mir zwei Eimer, während Mr. Howard schon vorgelaufen war. "Warten Sie einen Moment!", rief ich ihm nach. Er drehte sich zu mir um, blieb kurz stehen und musterte mich, wie ich da mit den beiden Eimern in der Hand stand und keine Anstalten machte, ihm nur zuzusehen. Dann wandte er sich wieder ab und lief los. Ich folgte ihm, so gut wie es eben auf meinen Schuhen ging.

David
Ich hatte nicht damit gerechnet, auf halber Strecke Lady Marys Stimme zu hören, die mich aufforderte, zu warten. Etwas verwirrt sah ich sie einen Moment einfach nur an, wie sie mit ihrem teuren Kleid, den unpraktischen Schuhen und zwei leeren Eimern in der Hand dastand und anscheinend wild entschlossen war, sich an der Schweinerettung zu beteiligen. Mir lag schon ein kritischer Kommentar auf der Zunge, aber nachdem mir Lady Mary heute schon mehrmals bewiesen hatte, dass ich falsch über sie gedacht hatte, schluckte ich ihn herunter, nickte nur und setzte meinen Weg zur Scheune fort, wo ich so schnell wie möglich die Eimer auffüllte, um zurück zu den Schweinen zu gehen. Einige Minuten liefen Lady Mary und ich schweigend zwischen Scheune und Gehege hin und her und gaben den Schweinen, die langsam wieder auf die Beine zu kommen schienen, das Wasser.

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