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Tom
Einen kurzen Moment lang war ich erschrocken, als Sybil ebenso laut wurde wie Lord Grantham, denn so kannte ich sie nicht, aber dann war ich einfach nur noch stolz auf sie. Die kurze, aber heftige Diskussion mit ihrem Vater war nahezu filmreif und jeder im Raum starrte die beiden an. Lady Grantham schien es das Herz zu brechen, ihren Mann und Sybil so im Zwiespalt zu sehen, Lady Edith und Lady Mary sahen einfach nur erschrocken aus, Sir Richard wollte offensichtlich gerade lieber an jedem anderen Ort sein und das Gesicht der Dowager war unergründlich. Triumphierte sie? War sie sauer? Einen Moment war es ruhig, dann verabschiedete sich Sybil und ging aus dem Salon, ich folgte ihr wenige Sekunden später und fand sie in der Eingangshalle, wo sie augenscheinlich versuchte, sich zu beruhigen. Ich umarmte sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Ich bin stolz auf dich", murmelte ich in ihr Haar. Und das war ich wirklich: stolz, eine so starke Frau an meiner Seite zu haben.

Sybil
Erst als Tom seine Arme um mich legte, konnte ich endlich wieder ruhiger werden. Ich hatte noch nie so mit einem Mitglied meiner Familie gesprochen, denn es war eigentlich das genaue Gegenteil meines Charakters. Aber in dieser Situation war es unumgänglich gewesen. Ich sah nach oben in seine Augen und lächelte. Mir wurde warm ums Herz, als er mir sagte, dass er stolz war. "Es ist noch nicht das letzte Wort gesprochen, aber früher oder später werden sie einsehen, dass sie mich nicht umstimmen können", sagte ich dann, plötzlich erschöpft von diesem Abend, während mein Adrenalinspiegel langsam wieder sank. "Ich bin froh, dass wir es ihnen jetzt endlich gesagt haben", meinte ich dann nach einer kurzen Pause. Denn erst jetzt spürte ich die Erleichterung. Nun mussten wir uns nicht mehr verstecken. Und wenn alles klappte, konnten wir schon in einigen Tagen nach Dublin aufbrechen. "Ich liebe dich", sagte ich dann und küsste ihn einfach in unserer Eingangshalle, denn jetzt war es egal, wenn uns jemand sah. Morgen früh würde es das ganze Haus wissen. Als ich mich von ihm löste, lächelte ich ihn weiter an. "Wir sollten ins Bett gehen. Für die weiteren Diskussionen morgen brauchen wir alle Energie, die wir kriegen können"

Jimmy
Genüsslich streckte ich meine Beine unter dem Tisch aus und lehnte mich auf dem Stuhl zurück. Mr. Carson hatte uns aus dem Dienst entlassen, um den Kaffee selbst zu servieren und so konnten wir endlich ein wenig Freizeit genießen. Ich hatte Thomas und mir Tee aus der Küche geholt und jetzt saßen wir zusammen am Ende des langen Tisches. Da Mr. Carson noch immer nicht von oben zurückgekommen war, durften wir uns richtig entspannen. "Manchmal wünsche ich mir, nie mehr nach Yorkshire zurückzugehen und nur in London zu bleiben", sagte ich nach einer Weile, in der wir schweigend geraucht und Tee getrunken hatten. "Was meinst du?" Gegenüber Downton wirkte London voller Möglichkeiten und einer Menge Spaß. Ich sollte so bald wie möglich einen Abend frei nehmen und durch die Straßen ziehen. Zum Glück waren wir ja noch einige Wochen hier. Und heute Abend war ich dazu zu müde. Ein Gespräch mit Thomas war da genau das richtige. Ich hatte ihm auch noch nicht von meinem Wiedersehen mit Lizzy erzählt, weil ich nicht wusste, wie er darauf reagieren würde. Damals hatte er sie nie gemocht, aber das war alles schon so lange her. Also würde ich ihm vielleicht doch gleich davon berichten. Auch, dass Lady Sybil dort war.

Thomas
Da Carson aus irgendeinem Grund den Kaffee alleine servieren wollte, hatten Jimmy und ich mal wieder die Gelegenheit zu einem Männerabend. Er hatte uns beiden einen Tee geholt und wir streckten und genüsslich in den unbequemen Stühlen, die sich nach einem langen Arbeitstag dennoch wie ein Federbett anfühlten. "Hm, ja, das wäre schon was", antwortete ich auf Jimmys Frage, was ich davon hielt, einfach in London zu bleiben. Für Jimmy, der gerne ausging, war London natürlich das Paradies. Für mich aber machte es keinen großen Unterschied, ob ich in Yorkshire oder London war. Mein Tag war dennoch derselbe. "Wie war es eigentlich im Theater letztens?", fragte ich schnell, um das Thema zu wechseln. Zu meiner Verwunderung hatte Jimmy vor ein paar Tagen darauf bestanden, eine Theateraufführung zu besuchen. "Hast du deine kulturelle Seite entdeckt?", zog ich ihn grinsend auf.

Jimmy
Schneller als gedacht kam das Thema auf den Tisch. Als hätte Thomas gespürt, dass es da mehr zu erzählen gab, als ich es bisher getan hatte... Ich trank noch einen Schluck Tee. "Naja, nicht nur ich habe meine kulturelle Seite entdeckt, sondern Lady Sybil auch", begann ich und erhielt einen verwirrten Gesichtsausdruck. "Ich war nicht wegen dem Stück da oder so etwas in der Art. Du weißt ja, dass ich lieber ins Kino gehe. Es ist wegen Lizzy Allen; sie ist jetzt am Theater. Und nach unserer Ankunft hier habe ich zufällig eine Werbung mit ihrem Namen darauf gefunden und habe mich auf gut Glück einen Abend lang ins Theater gesetzt. Sie war es wirklich, wir haben geredet und Lady Sybil war auch dort", erklärte ich grob und sah ihn an, was er daraus machen würde. Seitdem hatte ich nicht wieder von ihr gehört, aber sicherlich würde es nicht lange dauern, bis sich das änderte.

Thomas
Verwirrt schaute ich ihn an, als Jimmy davon redete, dass auch Lady Sybil ihre kulturelle Seite entdeckt habe und für einen kurzen Augenblick dachte ich, er hätte es nun auf sie abgesehen. Mein Gesichtsausdruck musste wohl Bände gesprochen haben, denn Jimmy erklärte mir endlich, was hinter seinem geheimnisvollen Theaterbesuch gesteckt hatte: Lizzy Allen. Nach der Geschichte mit Lady Anstruther hatte ich sie fast vergessen. Ich runzelte die Stirn, was meinen ohnehin schon verwunderten Gesichtsausdruck vermutlich nur noch komischer aussehen ließ. "Lizzy Allen", wiederholte ich. "Und was genau hast du nun mit ihr vor? In der kurzen Zeit, in der wir hier sind?" Jimmy grinste und ich nun ebenfalls. "Gut, ich kann es mir denken und möchte keine Details wissen." Ich nahm einen Schluck Tee und schüttelte den Kopf. "Was habt ihr denn, äh, geredet?" Ich konnte mich noch gut an Miss Allens Flucht von ihrer eigenen Hochzeit erinnern. Wie war sie nun ans Theater gekommen? Irgendwie schien jeder aus mir seinen Träumen zu folgen.

Jimmy
Mein Grinsen war Antwort genug, auch wenn ich eigentlich nicht wusste, was genau ich mit ihr vor hatte und wie weit sie gehen würde... "Vor allem über sie. In meinem Leben ist ja nichts wirklich aufregendes passiert, ich habe noch die gleiche Arbeit und mich auch sonst nicht verändert", erzählte ich ihm. "Naja, sie ist jetzt verlobt. Aber um ehrlich zu sein glaube ich nicht, dass das für sie heißt, dass ich keine Chance habe. Er ist Franzose und furchtbar eifersüchtig. Jedenfalls hat sie mir beinahe wörtlich gesagt, dass sie mich wiedersehen wollte" Ich konnte mir ein weiteres Grinsen nicht verkneifen. Vielleicht sollte ich einfach wieder den ersten Schritt machen und mich mit ihr verabreden. Bevor es zu spät war und sie ihren Franzosen doch einfach schon heiratete.

Thomas
Ich verschluckte mich an meinem Tee, als Jimmy erzählte, dass Lizzy Allen mittlerweile verlobt war. Selbst für Jimmy war es besonders dreist, sich eine vergeben Frau zu nehmen. "Sie ist verlobt? Pass besser auf, Jimmy, du handelst dir noch Ärger ein", warnte ich ihn. Ich sah ihn schon vor mir mit einem blauen Auge, weil Miss Allens Verlobter sich seine Frau nicht so einfach wegnehmen lassen wollte... Ob er Franzose war oder Brite schien mir dabei eher nebensächlich, aber Jimmys Ehrgeiz schien nun geweckt zu sein. Aber anscheinend war ja auch von ihrer Seite aus Interesse da... und wenn Jimmy bereits wusste, dass der Franzose eifersüchtig war, hieß das im Umkehrschluss, dass der Franzose bereits mitbekommen hatte, was Jimmy von Miss Allen wollte. "Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache", sagte ich stirnrunzelnd.

Jimmy
Kurz blieb ich stumm, als Mr. Carson mit einem hochroten Gesicht die Treppe nach unten kam und schleunigst in seinem Zimmer verschwand. Wäre ich nicht in mein Gespräch mit Thomas vertieft, hätte ich mich über sein Verhalten gewundert. Denn normalerweise ließ er keine Gelegenheit aus, mir zu jeder Tag- und Nachtzeit zusätzliche Aufgaben aufzudrücken, damit ich mich bloß nicht amüsieren konnte. So kam es mir jedenfalls vor. Und genau darum stürzte ich mich auch so mit Lizzy ins Verderben - oder war besser gesagt kurz davor. "Wahrscheinlich hast du recht", sagte ich dann zu Thomas und seufzte. "Aber vielleicht machst du dir auch einfach zu viele Sorgen. Vielleicht will sie ihn ja gar nicht wirklich heiraten" Gut, das war weit hergeholt. Aber hätte sie sonst so mit mir geredet, wenn sie Hals über Kopf in Pierre verliebt war und niemals mehr einen anderen Mann auch nur ansehen würde? Nein. Und genau deshalb musste ich diese Chance nutzen.

Thomas
Bevor Jimmy mir antworten konnte, fiel unser Blick auf Carson, der die Treppe nach unten polterte und in seinem Zimmer verschwand. Merkwürdig, irgendetwas musste oben vorgefallen sein. Und ich würde sicher noch herausfinden, was es war. Da Jimmy sich aber nicht weiter um Carson zu kümmern schien, fuhren wir mit unserem Gespräch fort. "Ich habe nicht viel Ahnung vom Heiraten oder von Miss Allen, aber denkst du wirklich, sie hätte sich mit dem Kerl verlobt, wenn sie ihn gar nicht wirklich heiraten wollte?", warf ich ein. Ich wollte kein Spielverderber sein und Jimmy seinen Spaß lassen, aber er musste aufpassen, dass er nicht seinen Job oder sogar Leib und Leben riskierte. Wer wusste schon, wie dieser Franzose drauf war. Und Jimmys kurze Affäre mit Lady Anstruther war schon riskant gewesen.

Jimmy
Ich sah Thomas ernst an. Vermutlich hatte er wie immer recht. Aber ich war gelangweilt. Und in London, wo alles möglich schien. Vielleicht stieg mir das etwas zu Kopf. "Aber warum sollte sie mir dann solche Hoffnungen machen? Sie kennt mich doch?", fragte ich wieder mit einem Grinsen, ging jetzt aber etwas nüchterner an die Sache heran. "Wahrscheinlich will sie mich auch gar nicht mehr sehen. Dann hat sich die ganze Sache erledigt und ich kehre nach einem unspektakulären Sommer zurück nach Yorkshire" Thomas wäre es wahrscheinlich am liebsten. Eine Weile schwiegen Thomas und ich, während es immer leerer wurde und alle ins Bett gingen. "Wir reden immer nur über mich. Und meine Schwierigkeiten, in die ich immer gelange", meinte ich dann nachdenklich.

Thomas
"Inwiefern hat sie dir denn Hoffnungen gemacht?", hakte ich nach. Jimmy war ohne Frage beliebt bei den Frauen, aber manchmal überschätzte er sich und vielleicht deutete er Miss Allens Zeichen völlig falsch und ging das Risiko umsonst ein. Langsam fühlte ich mich wie sein großer Bruder, der ihn beschützen musste. "Ein unspektakulärer Sommer", überlegte ich laut. "Das wäre natürlich dein persönlicher Albtraum. Wenn ich dir mal wieder den Rücken stärken kann, lass es mich wissen", bot ich ihm an. "Aber denk daran dass eine verlobte Frau etwas problematischer ist als eine verwitwete. Lady Anstruthers Mann konnte sich wenigstens nicht mehr mit dir anlegen." Grinsend nahm ich einen Schluck Tee. "Das liegt daran dass ich brav bin und nicht in Schwierigkeiten gelange. Naja und du, du suchst die Schwierigkeiten regelrecht", entgegnet ich. "Bevorzugt natürlich weibliche Schwierigkeiten."

Jimmy
"Wir haben uns allein in ihrer Garderobe unterhalten und bevor wir wieder auf den Flur gegangen sind, hat sie mir deutlich gesagt, dass sie mich wiedersehen wollte", berichtete ich Thomas. In meinen Augen war das eine klare Einladung, wieder eine Rolle in ihrem Leben zu spielen. Würde eine verlobte Frau so etwas zu einem Mann sagen, der monatelang jede Nacht mit ihr verbracht hatte? "Gut, ich gebe zu, dass ihr Verlobter schon jetzt nicht gerade begeistert von meiner Anwesenheit war. Aber was soll ich denn tun? Ich kann gar nicht anders, als mich in das nächste Abenteuer und damit in die nächsten Schwierigkeiten zu stürzen" Grinsend sah ich Thomas an. Auf ihn könnte ich mich immer verlassen, dass er mir mit meinen Problemen half. Aber ich wollte mich nicht damit abfinden, dass Lizzy mich nicht mehr wollte, so wie er es vermutete.

Thomas
"In ihrer Garderobe", echote ich und zog eine Augenbraue hoch. Natürlich wusste ich nicht, wie es hinter den Kulissen eines Theaters zuging und ob es vielleicht die einzige Möglichkeit gewesen war, ungestört mit Jimmy zu reden – wirklich nur zu reden –, aber natürlich hatte das ganze trotzdem einen gewissen Beigeschmack. "Was du sonst tun sollst, könnte ich dir sagen, aber du würdest ohnehin nicht auf mich hören", grinste ich. "Deshalb tu, was du nicht lassen kannst, ich stehe hinter dir." Ich trank den letzten Schluck Tee und streckte mich. "Wir sollten ins Bett gehen, morgen wird Carson nicht so nett zu uns sein", gähnte ich und auch Jimmy leerte seine Tasse.

Sybil
Ich öffnete die Augen nach einer vergleichsweise ruhigen Nacht, wenn man an den Abend davor dachte. Erst hatte ich nicht einschlafen können, aber als sich mein Herzschlag schließlich wieder beruhigt hatte, war ich tief und fest eingeschlafen. Denn trotz des ganzen Chaos und der Streitigkeiten war ich erleichtert und hatte einen Stein weniger auf meinem Herzen. Sowohl Toms als auch meine Familie wussten jetzt Bescheid, was bedeutete, dass wir ganz bald in unser neues Leben aufbrechen konnten. Aber als ich so in meinem weichen Bett lag und an die Decke starrte wusste ich, dass der heutige Tag mit genauso viel Drama verbunden sein würde wie der gestrige Abend. Ich war die erste unten und frühstückte alleine. Aber kaum war ich danach wieder in meinem Zimmer, kam Papa. Er sah mich ernst an und ich erwiderte seinen Blick. Für ihn war ich nur ein verliebtes junges Mädchen, das sich Hals über Kopf ins Verderben stürzte. Er sah mich nicht als die junge Frau, die ich war - als jemanden, der eigene Entscheidungen traf und das tat, was sich richtig anfühlte. Wie schon gestern Abend wappnete ich für das kommende Gespräch. Und das war auch gut so. Es kam mir vor wie Stunden, in denen ich Papa noch einmal detailliert Toms und meinen Plan erläuterte und er dann all die Dinge aufzählte, die mich davon abhalten sollten. Dass ich nicht mehr in London willkommen geheißen würde. Dass man mich im Palast nicht mehr empfangen würde. Er verstand nicht, dass mich das all nicht interessierte. Ich wollte nur Tom und ein freies Leben. Als dann auch noch Granny dazukam und meinte, dass so etwas zwar in Romanen passierte, aber nicht im wirklichen Leben, hatte ich einfach genug. Mein frustriertes "I will not give him up!" schien man im ganzen Haus zu hören. Aber ich musste es in die Welt hinausschreien, damit man mir endlich glauben würde. Papa sah mich scharf an, aber in mir war so viel Wut und Unverständnis, dass es mir gleichgültig war. Wir kamen seit Stunden keinen Schritt voran. Also schlug ich einen Kompromiss vor: Eine Woche würde ich bleiben, damit man nicht dachte, ich sei mit Tom davongelaufen. Dann würden wir in Dublin heiraten und jeder, der wollte, könnte kommen. Was Papa natürlich sofort ablehnte. "Know this. There will be no more money", spielte er dann seine nächste Karte, um mich zu überzeugen. "From here on in, your life will be very different." Ich schnaubte beinahe. "Well, bully for that", meinte ich beinahe sarkastisch.
Damit war die Sache für's erste erledigt. Beim Lunch war die Stimmung angespannt. Papa sagte nichts und kaute nur missmutig auf seinem Braten. Bis Mama plötzlich verkündete, dass es ihr nicht gut ging und sie sich hinlegen wollte. Papa sah mich vielsagend an, als sei das alles meine Schuld. Dass dem nicht so war, stellte sich spätestens beim Tee heraus. Carson informierte uns, dass der Doktor geholt werden müsste und sofort stand ich auf, um in Mamas Schlafzimmer zu gehen. Sie sah wirklich schlecht aus und hustete beinahe ohne Pause. Papa war noch außer Haus. Und mit einem Mal waren Tom und nicht mehr das Gesprächsthema Nummer eins im Haus, sondern Mamas Krankheit.

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