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Lizzy
Es war seltsam, dass die Bibliothek so leer war, obwohl so viele Gäste im Haus waren. Mir war die Ruhe aber nur recht und auch, dass Sybil noch eben zu Edith wollte, störte mich nicht. "Na geh schon, ich komme klar", lächelte ich und machte eine Kopfbewegung, die ihr bedeuten sollte, zu gehen. Ich schlenderte zunächst etwas durch die Bibliothek, schaute aus den Fenstern und sah mir dann einige Bücher an. In meinen Augen war das ja erst der Grund, überhaupt eine Bibliothek zu haben – nicht etwa zum Teetrinken. Schließlich fand ich ein Buch, das mich interessierte und setzte mich damit auf eines der Sofas. Hoffentlich ist das kein Problem – aber ist das nicht auch der Sinn einer Bibliothek, sich Bücher zu leihen? Ich saß eine Weile so da und las, aber niemand tauchte auf, Sybil nicht und auch keiner der anderen Gäste.
Edward
"Wir finden hoffentlich auch nach der Jagd noch eine Möglichkeit", lächelte ich. Wie selbstverständlich kam mir nun gar nicht erst in den Sinn, Henry mit ihr allein zu lassen – und das fand ich selbst nicht gerade nett von mir. Auch ich klopfte meinem Pferd lobend den Hals, stieg ab und drückte einem jungen Mann, der anscheinend der Stallbursche war, die Zügel in die Hand. Henrys Kompliment konnte ich nur stumm zustimmen, sagte aber nichts. Manchmal war Schweigen meiner Meinung nach geschickter als ein so offensichtliches Kompliment. Im Haus angekommen gingen wir auf unsere Zimmer – der Galopp und vor allem die Sprünge hatten sich nicht nur auf unserer Kleidung bemerkbar gemacht und gleich würde es Tee geben.

Jimmy
"James, den Tee in die Bibliothek - zusammen mit dem ersten Kuchen!" Ich befolgte Carsons Anweisung sofort, auch wenn ich alles dafür gegeben hätte, mich hinzusetzen. Oder noch besser, mich hinzulegen. Warum musste ich auch nur jeden Tag tausende Male diese Treppen hoch und runterlaufen? Mit zunehmend schlechter Laune öffnete ich oben geschickt die Tür mit meinem Ellenbogen, stieß zum Glück nicht mit einer Duchess oder Countess zusammen und schaffte es auch irgendwie, die Tür zur Bibliothek zu öffnen, ohne dabei die silberne Teekanne oder den perfekt mit Puderzucker bestäubten Kuchen abzustellen. Ich hatte mich auf einen Raum voller Gäste gefasst gemacht, die ich möglichst unauffällig umgehen musste. Stattdessen war niemand zu sehen. Ich stellte Teekanne und Kuchen auf den dafür vorgesehenen Tisch und wollte mich gerade umdrehen, um das Geschirr zu holen, als ich jemanden auf den Sofas sitzen sah. Unwillkürlich zuckte ich zusammen, ich dachte ich wäre ganz allein gewesen. Doch sofort danach bereitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. "Guten Tag, Miss", sagte ich mit einem nicht zu überhörenden Lachen in meiner Stimme und ging auf sie zu. Mit einem Blick durch den Raum - niemand war zu sehen und auch von draußen hörte ich keine Schritte oder ähnliches - ließ ich mich direkt neben Lizzy auf das wunderbar weiche rote Sofa fallen. Es war noch viel besser, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich sollte besser hier schlafen als oben in meinem Bett. Noch nie hatte ich auf etwas so gemütlichem gesessen. "Hast du einen schönen Nachmittag?", fragte ich meine Sitznachbarin in einem lockeren Tonfall, als hätten wir uns schon eine ganze Zeit unterhalten.

Lizzy
Eine Weile saß ich allein in mein Buch vertieft da. Warum brauchte Sybil nur so lange? Als ich schließlich das Geräusch der Tür hörte, dachte ich zuerst, sie habe sich endlich Ediths Ohrringe ausgeliehen, verwarf diesen Gedanken aber gleich wieder, als ich Kuchen roch und Geschirr klappern hörte. Na toll, der Tee wurde serviert und es war noch niemand außer mir hier. Ich klappte mein Buch zu und noch bevor ich den Kopf in die Richtung des Kuchengeruchs drehen konnte, um wem auch immer die Sachen hoch gebracht hatte zu danken, hörte ich Jimmys Stimme und sah überrascht auf. "Guten Tag, James", grinste ich. "Ehrlich gesagt versuche ich die ganze Zeit einfach nur, nicht einzuschlafen, aber da geht es dir vermutlich nicht anders", lächelte ich und sah ihn etwas besorgt an – es war keine wirklich gute Idee, sich hier neben mich zu setzen. Als Diener durfte er ohnehin nicht einfach das Mobiliar benutzen, wie es ihm beliebte, aber sich neben mich zu setzen... Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn jetzt jemand in die Bibliothek käme. "Du solltest hier nicht sitzen", sagte ich leise und warf paranoid einen Blick zur Tür.

Jimmy
"Nein, mir geht es überhaupt nicht anders in dieser Hinsicht", meinte ich mit einem Gähnen. "Und natürlich sollte ich nicht hier sitzen! Aber ich bin müde und im Moment ist niemand da. Sollte jemand hereinkommen, würde er einen Mann auf einem Sofa sehen - also nichts ungewöhnliches" Ich erwiderte ihr Grinsen genauso breit, stand dann aber doch widerwillig auf. Ich forderte das Schicksal schon genug damit heraus, hier mit ihr zu reden und sie nachts heimlich zu besuchen. Außerdem schien es ihr ja viel auszumachen. Stattdessen blieb ich direkt vor ihr stehe und sah auf sie herunter. "Ist es so besser, Miss? Ihr Tee ist übrigens serviert, nur fehlen heute leider die Teetassen", machte ich in unserer lockeren Unterhaltung weiter, griff aber wieder nach ihrer Hand. Von der Tür würde es niemand sofort sehen, es war also alles noch in Ordnung. Carson oder Thomas würden so schnell nicht kommen, für den Tee war erst einmal ich verantwortlich - er sollte erst in etwa zehn Minuten serviert werden, ich hatte nur schon alles vorbereiten wollen. Mit meinem Daumen strich ich über Lizzys weiche Hand, die Hand einer Lady. Meine hingegen war rau von der ganzen Arbeit.

Lizzy
Ich schüttelte grinsend den Kopf über sein Gähnen und seine Dreistigkeit. "Viel besser", antwortete ich mit Blick auf meine Hand in seiner und sah dann wieder zu ihm hoch. "Dann hoffe ich, dass die Tassen in ein paar Minuten zur Verfügung stehen, sonst wäre das Haus wirklich schlecht repräsentiert", plauderte ich weiter, schaffte es aber nicht, ernst zu bleiben, sondern musste lachen. Dann wurde ich wieder ernst und seufzte leise – es gab wirklich viele gesellschaftliche Konventionen, die mir nicht passten, aber dass ein Diener nicht ohne weiteres neben einer Dame auf dem Sofa sitzen, geschweige denn ihr nächtliche Besuche abstatten durfte, ärgerte mich gerade am meisten. Am liebsten wäre ich aufgestanden, um ihn zu umarmen und bestenfalls endlich wieder zu küssen, aber ich riss mich zusammen. Es war schon riskant genug, hier seine Hand zu halten, aber das ließ sich wenigstens noch gut vertuschen, sollte jemand die Bibliothek betreten.

Jimmy
"Mr. Carson sollte das besser nicht mitbekommen", stimmte ich ihr grinsend zu und freute mich über ihr wunderschönes Lachen. Sie wirkte viel gelöster und entspannter, auch wenn wir hier in diesem prachtvollen Raum saßen und jede Minute jemand hereinkommen könnte. "Deswegen sollte ich besser schleunigst mit meiner Arbeit weitermachen, auch wenn ich liebend gern noch ein wenig länger hier geblieben wäre" Ich sah ihr in die Augen und grinste weiter. Ohne zu zögern oder ihr Zeit zum Nachdenken zu geben, beugte ich mich zu ihr nach unten und küsste sie flüchtig, aber leidenschaftlich. Viel zu schnell musste ich wieder damit aufhören. "Wir sehen uns später", raunte ich ihr noch zu, bevor ich mich wieder aufrichtete und ohne einen Blick zurück zu Lizzy aus der Bibliothek ging. Ich würde nicht alle Tassen auf einmal nach oben transportieren können, deswegen hatte ich noch weniger Zeit. Und ich hatte mir ja schließlich vorgenommen, Carson keinen weiteren Grund zu geben, mit meiner Arbeit unzufrieden zu sein. "Mr. Barrow?", fragte ich unten in den Flur hinein. Vielleicht hatte er ja kurz Zeit und konnte mir helfen. Es waren doch einige Tasse zu schleppen und mehrere Hände bedeuteten ein schnelleres Ende. Außerdem musste ich mich noch ein wenig mehr bei ihm einschleimen, damit er gar nicht erst auf die Idee kam, meinen nächtlichen Besuch zu verraten.
Lady Mary
Frisch gebadet und noch immer mit einem zufrieden Lächeln auf den Lippen ging ich die Treppe nach unten. Ich ignorierte meine schmerzenden Muskeln und hielt schon hier nach meinen beiden Begleitern Ausschau. Es wäre doch nicht möglich, dass Männer wie sie länger für ein Bad brauchen würden. Wahrscheinlich waren sie alle schon beim Tee in der Bibliothek. Es wunderte mich fast schon, wie viel Spaß ich eben gehabt hatte - vor allem wegen Mr. Armstrong. Mit ihm konnte man wunderbar reden. Hoffnungsvoll, ihn und Henry in der Bibliothek anzutreffen öffnete ich die Tür und trat um die Ecke. Anstatt Mr. Armstrong oder Henry dort anzutreffen, sah ich etwas komplett anders. Ich blieb stehen und konnte nicht anders als leicht erstaunt auf die Szene vor mir zu blicken. Elizabeth Allen saß auf dem Sofa, ein aufgeschlagenes Buch auf ihrem Schoß. Ihre rechte Hand lag in der Hand des Mannes, der vor ihr stand - und sie prompt küsste, bevor er sich mit einem letzten Wort von ihr verabschiedete und aus dem Raum ging. Erst, als er sich leicht umdrehte, um zur Tür zu gehen, erkannte ich ihn. James, unser Dienstbote, verließ den Raum! Er hatte Elizabeth geküsst - und sie allem Anschein nach erwidert. Damit hätte ich nicht gerechnet. Ich konnte nicht anders, als ein wenig hinterhältig zu lächeln. Elizabeth traute sich wirklich viel zu, bei strahlendem Sonnenschein kurz vor dem Tee einen Dienstboten zu küssen. Aber sie bewegte sich da auf sehr dünnem Eis. "Ich hoffe, ich störe nicht", sagte ich nur laut in dem Raum hinein, da Elizabeth mich anscheinend nicht bemerkt hatte.

Thomas
Obwohl ich Carson fast schon gebeten hatte, mich Jimmy mit dem Tee helfen zu lassen, ließ er mich eiskalt Silber für das große Dinner heute Abend polieren, während Jimmy allein den Tee in der Bibliothek vorbereitete. Ich gähnte herzhaft, es war eh niemand in der Nähe, der mich dafür hätte kritisieren können. Wenn schon ich so müde war, obwohl ich nur eine halbe Stunde mein Bett verlassen hatte, wie musste es dann erst Jimmy gehen? Oder der Person, die er heute Nacht besucht hatte? Ich sollte vielleicht darauf achten, wer von der Gesellschaft besonders müde aussah – irgendwie musste ich ja herausfinden, bei wem er gewesen war... Gedankenverloren polierte ich noch einige Minuten lustlos weiter, bis ich Jimmy rufen hörte. Sofort hob sich meine Laune. "Ich bin hier!", rief ich und hoffte, ihm bei irgendetwas helfen zu können. Ich wollte deutlich mehr Zeit mit ihm verbringen, als ich es momentan tat. Obwohl wir uns ein Zimmer teilten, gab es nicht viele Gelegenheiten, sich auch nur zu unterhalten. Morgens hatten wir es meistens eilig, weil wir zu lange schliefen und abends waren wir hundemüde. Die einzige Möglichkeit, ihn näher kennenzulernen, war also bei der Arbeit.
Lizzy
Jimmys Kuss überraschte mich – wenn auch angenehm. Zum Glück hielt er sich kurz, denn jetzt konnten wirklich jede Sekunde die anderen Gäste zum Tee eintreffen. Und allem Anschein nach würde ich ihn heute Nacht tatsächlich wiedersehen, es sei denn, er hatte mit wir sehen uns später das Dinner gemeint. Aber das konnte ich mir kaum vorstellen. Jetzt hatte ich wenigstens das Gefühl, den Rest des Tages noch hinter mich bringen zu können. Ich wollte mich gerade wieder meinem Buch zuwenden, als Marys Stimme ertönte. Erschrocken hielt ich kurz in der Bewegung inne und fluchte innerlich. Wie viel hatte sie gesehen? "Natürlich nicht", antwortete ich ihr kühl. Du störst mich immer, aber es ist leider leider dein Haus, dachte ich bitter. Wenn sie den Kuss gesehen hatte, dann hatten Jimmy und ich ein Problem, und zwar ein nicht zu kleines. Oder zumindest ich hatte eines, dafür würde Mary schon sorgen. Bitte, bitte, lass sie nichts wissen!
Edward
Nach einem Bad und in frischer Kleidung fühlte ich mich mehr als bereit für den Tee. Außerdem freute ich mich darauf – auch, wenn ich den Gedanken nur ungern zuende dachte – Lady Mary wiederzusehen. Sie und Miss Allen waren tatsächlich die einzigen in der Bibliothek, als ich eintrat. Jetzt konnte ich mich ohnehin nicht mit Lady Mary alleine unterhalten, das wäre wohl mehr als unhöflich. Daher grüßte ich nur lächelnd und setzte mich. Unser Ausritt hatte mich verwirrt zurückgelassen – ich wollte Henry nicht im Weg stehen, eigentlich war ich sogar unter anderem hierher gekommen, um ihn an die Frau zu bringen, aber gleichzeitig hätte ich nur zu gerne selbst wenigstens etwas mit ihr geflirtet. Was mussten wir aber auch genau denselben Geschmack haben, es gab doch noch so viele andere Frauen hier!

Jimmy
Ich folgte der Richtung von Thomas Stimme bis in das kleine Zimmer, in dem Carson uns immer das Silber polieren ließ. Mittlerweile mussten wir doch jeden noch so kleinen Silberlöffel poliert haben, trotzdem standen vor Thomas Unmengen an Kronleuchtern und Besteck. Fast schon tat er mir ein wenig leid. Ich hätte aber nur zu gern mit ihm getauscht und bei der Arbeit gesessen. "Können Sie mir mit den Teetassen helfen, Mr. Barrow? Ich bin ein wenig spät für den Tee", fragte ich ihn lächelnd und lehnte mich an den Türrahmen. "Danach helfe ich auch gern mit dem Silber, noch ist die Bibliothek recht leer" Ich war mir sicher, dass er mich nicht hängen lassen würde. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich wenig über Mr. Barrow wusste, fast nichts - obwohl wir schon so viele Monate direkt miteinander arbeiteten. Meistens redeten wir über etwas, das die Arbeit betraf. Jetzt, wo er so pikante Informationen wegen mir kannte, musste ich das ändern und herausfinden, was für eine Person er wirklich wahr. Noch immer fühlte ich Lizzys Lippen auf meinen. Es war nur ein kleiner Vorgeschmack gewesen. Dafür opferte ich gerne meinen Schlaf, auch wenn es heute Nacht sehr viel schwerer werden würde - meine Augen schienen auch jetzt im stehen zufallen zu wollen. Abwesend rieb ich sie mir ein wenig und strich mir dann wieder die Haare zurecht, um den Tee servieren zu können.
Lady Mary
Langsam ging ich auf Elizabeth zu, sah abwesend aus dem Fenster und dann wieder zu ihr. Sie wusste anscheinend nicht, was ich alles gesehen hatte. Schlecht für sie. Gut für mich. Seit ihrer Ankunft hatte ich sie nicht wirklich beachtet, hatte ich doch mit Henry und jetzt auch Mr. Armstrong nettere Menschen an meiner Seite. Jetzt änderte ich mein Verhalten. Demonstrativ nahm ich den Platz ihr direkt gegenüber ein. Nur leider wurde meine Gelegenheit, ihr zu zeigen, wie sehr sie in der Klemme steckte, durch die Ankunft von Mr. Armstrong zunichte gemacht. Trotzdem wollte ich meine Position klar machen. "Ich wünsche dir viel Spaß heute Abend", sagte ich leichthin, sah Elizabeth aber mit einem kurzen recht hinterhältigen Lächeln an, bevor Mr. Armstrong sich zu uns setzte. Auch ich grüßte ihn und lächelte jetzt breit. "Wie es scheint sind die anderen noch in keiner Stimmung für einen Tee", sagte ich zu ihm und hoffte, Elizabeth von unserem Gespräch ausschließen zu können.

Thomas
Wie ich gehofft hatte, brauchte Jimmy Hilfe mit dem Tee, und ich gewährte sie ihm nur zu gerne. "Natürlich, Jimmy", erwiderte ich breit lächelnd und stand auf. "Ich bin mir sicher, Mr. Carson hat nichts dagegen, solange alles rechtzeitig fertig ist." Ich holte mir ebenfalls ein Tablett, wir beluden uns mit Tassen und gingen nach oben. Tatsächlich waren in der Bibliothek erst drei Personen; einige kamen kurz nach uns herein. Ich schaute unauffällig zu Elizabeth Allen hinüber – sehr müde sah sie nicht aus, nur in Gedanken versunken. Was natürlich nichts heißen musste.
Lizzy
Sie wusste es. Ich versuchte, ruhig zu bleiben und antwortete ihr gelassen mit einem nicht unbedingt netten Lächeln und einem "Ich danke dir". Auf keinen Fall würde ich mich jetzt vor ihr kleinmachen oder sie anflehen, ihr Geheimnis für sich zu behalten. Sie hatte keine Beweise und auch, wenn ihr Wort genug war, um dafür zu sorgen, dass Jimmy gefeuert wurde – es würde vermutlich nicht reichen, um mich für alle Zeiten zu ruinieren, zumal ich immer noch die Möglichkeit hatte, nach Amerika zu gehen, sollte es jemanden interessieren, dass die Tochter von so unwichtigen Menschen wie meinen Eltern einen Diener geküsst hatte. So weit waren er und ich gar nicht voneinander entfernt. Ich grüßte ebenfalls Mr. Armstrong und war wirklich froh, mich nicht am Gespräch der beiden beteiligen zu müssen. Wo steckte bloß Sybil?
Edward
"Na ich hoffe doch, Henry erholt sich rechtzeitig wieder von unserem Ausritt", grinste ich und dachte, dass es mir eigentlich gar nicht so unrecht war, dass er anscheinend länger im Bad brauchte als die meisten Ladys. Es gab deutlich Schlimmeres, als sich allein mit Lady Mary zu unterhalten. "Sie gehen morgen mit auf die Jagd, nicht wahr?", fragte ich. Ich hatte schon zu viele Gespräche über dieses Thema geführt heute, als dass ich mich daran erinnern könnte, wer mitkam und wer nicht. Angestrengt versuchte ich mich daran zu erinnern, ob Henry erwähnt hatte, dass sie ihn begleiten würde. Denn wenn nicht, war das hier meine Chance.

Jimmy
"Mr. Carson wird jedenfalls wütender sein, wenn der Tee nicht pünktlich serviert ist. Ich meine, das ganze Silber kann doch nicht alles für heute Abend bestimmt sein", meinte ich nur zu Thomas, während wir die Tassen nach oben trugen. Erleichtert stellte ich fest, dass der ganze Raum nicht plötzlich überfüllt war. Noch immer war für die Uhrzeit wenig los. Ich meinte ich mich zu erinnern, dass Lady Grantham die Gärten zeigen wollte. Wahrscheinlich waren deshalb alle anderen draußen. Ich dankte Thomas mit einem lächeln und servierte dann den Tee. Lizzy gegenüber verhielt ich mich wie beim Lunch. Trotzdem brannten meine Lippen. Ich hatte genau die richtige Wahl getroffen. Sie sah zwar aus wie jede andere Tochter aus der Oberschicht - aber sie hatte Leidenschaft. Und scheinbar scherte sie sich nicht um Konventionen und Regeln. Ich nahm meinen Platz neben dem Tisch mit dem Tee ein und wartete auf den Rest der Gesellschaft.
Lady Mary
"Ich hoffe, Henry hat sich nicht zu sehr übernommen", meinte ich in Bezug auf die doch recht lange Zeit, die er brauchte. Immerhin hatte ich meine Haare bis jetzt trocknen können. Und er war nur ein Mann. Ich lächelte Mr. Armstrong breit an, als er auf die Jagd zu sprechen kam. "Ja, das werde ich. Im Gegensatz zu anderen Damen bin ich immer gern in erster Reihe dabei" Ich trank einen Schluck meines Tees. Wie eben beim Ausritt und auch schon heute morgen machte mir die Unterhaltung mit ihm Spaß. "Wenn Sie nur halb so gut schießen wie sie reiten, mache ich mir Ihretwegen morgen keine Sorgen, Mr. Armstrong", machte ich ihm ein Kompliment. Ich war schon sehr gespannt, seine Schießkünste zu sehen. Wahrscheinlich würde er mich auch dabei überraschen.
Lady Sybil
Nach dem langen Spaziergang mit Lizzy hoffte ich, dass es in Ordnung war sie ein wenig länger allein zu lassen. Ich hätte Edith wirklich fragen müssen, denn stattdessen berichtete sie mir von scheinbar endlosen Unterhaltungen mit Mamas Gästen, die sich alle sehr langweilig anhörten. Deswegen hatte ich mich zu ihr aufs Bett gesetzt, nachdem sie mir die Ohrringe gegeben hatte, die so gut zu meinem Kleid passen würden, und hatte mir ihr geredet. Lizzy würde sicher neue Gesprächspartner in der Bibliothek gefunden haben. Jetzt, wo der Tee bevorstand, ging ich mit Edith nach unten. Wir wurden von Henry Redvers eingeholt, der gleich mit Edith redete. Unauffällig setzte ich mich in der Bibliothek zu Lizzy und ließ Edith mit Henry allein.
Henry
Meine Haare waren eine Katastrophe. Wie lange hatte es gedauert, bis sie wieder passend lagen? Es war fast schon peinlich. Edward würde mich sicher auslachen, wenn ich ihm davon erzählen sollte. Besser nicht. Bei seinem großen Mund könnte es gut passieren, dass er es Lady Mary erzählen wollte - und wenn ich eines nicht wollte, dann das. Lächelnd begegnete ich Marys Schwestern auf dem Weg zur Bibliothek. Höflich wie ich war fing ich ein Gespräch mit Edith an. Auch in der Bibliothek konnte ich mich noch nicht von ihr lösen. Stattdessen konnte ich Edward nur zusehen, wie er sich mit Mary unterhielt und diese breit lächelte. Wie schon zuvor, als er Mary während des Ausritts zum Lachen gebracht hatte, wurde ich eifersüchtig. Aber noch ließ ich mir nichts anmerken und redete weiter mit Edith über ihren Nachmittag.

Lizzy
Zum Glück füllte die Bibliothek sich langsam. Je mehr Personen zwischen mir und Mary waren, desto besser. Während der Tee serviert wurde, dachte ich darüber nach, was ich Jimmy sagen sollte. Oder ob ich ihm überhaupt etwas sagen sollte. Schließlich war ich diejenige, auf die Mary es abgesehen hatte. Sollte sie aber vorhaben, ihn zu verraten, dann konnte er gar nicht früh genug anfangen, sich eine neue Arbeit zu suchen. Andererseits wollte ich unsere gemeinsame Zeit auf keinen Fall gefährden. Ich wollte ihn, egal, wie falsch und unvernünftig es war. Und auch, wenn ich es ihm nicht zutraute – was, wenn er doch die Notbremse ziehen würde, wenn er wusste, dass Mary uns gesehen hatte? Ich konnte es ihm einfach nicht sagen. Diese Nacht sollte genauso toll werden wie die letzte und ich würde es nicht zulassen, dass uns irgendetwas – oder jemand – die Laune verdarb, schon gar nicht Mary. Irgendwann würde sie auch noch einen Fehler machen und ich es herausfinden. Sybil schreckte mich aus meinen Gedanken auf, als sie sich zu mir setzte. "Hast du die Ohrringe?", fragte ich und lächelte dabei eine Spur zu breit. Aber hier konnten wir eh nicht in Ruhe reden.
Edward
"Normalerweise braucht er nicht so lange, vielleicht hat er sich verlaufen?", meinte ich. Ich hatte das Gefühl, Henry wenigstens etwas in Schutz nehmen zu müssen, wo ich schon hier mit der Frau seiner Träume saß – wenn auch der letzte Teil natürlich nicht ganz ernst gemeint war. Ihr Kompliment freute mich, anscheinend hatte ich mich doch nicht so blöd beim Reiten angestellt, wie ich zunächst gedacht hatte. Trotzdem musste ich ihren Eifer etwas dämpfen, denn ich war in meinem Leben deutlich öfter geritten, als ich geschossen hatte. "Ich würde mich jetzt gerne bedanken und es dabei belassen oder Geschichten darüber erzählen, welche Tiere ich schon als kleiner Junge erlegt habe, aber... Ich fürchte, Schießen gehört wirklich nicht zu meinen unzähligen Talenten", lächelte ich entschuldigend. Mein Blick wanderte zur Tür der Bibliothek, als gerade Henry mit Lady Edith eintrat. Zu meiner Überraschung kamen die beiden nicht zu uns herüber. War es womöglich doch nicht Lady Mary, an der er Interesse hatte...?

Lady Sybil
"Ja, die habe ich - sie liegen jetzt oben, damit ich sie auch gleich nicht vergesse", antwortete ich Lizzy lächelnd und ließ mir auch eine Tasse Tee servieren. "Was wirst du anziehen?" Da das Jimmy-Thema zum einen wegen seiner unmittelbaren Anwesenheit und zum anderen wegen der immer größer werdenden Anzahl der Gäste in der Bibliothek nicht möglich war, musste ich auf etwas unverfängliches umsteigen. Normalerweise boten sich dabei immer das Wetter oder eben die Kleidung an. Da Lizzy anscheinend seitdem ich sie das letzte Mal gesehen hatte das ein oder andere neue Kleid gekauft hatte, war ich umso neugieriger. Sie kleidete sich jetzt definitiv modebewusster. Hoffentlich nicht nur für Jimmy. Auch wenn niemand etwas daran auszusetzen haben würde. Niemandem würde es auffallen. In unserer Welt waren neue Kleider nichts neues, sondern alltäglich. Aber trotzdem aufregend.
Lady Mary
"Ich werde morgen trotzdem gespannt zusehen", sagte ich lächelnd. Entweder sagte er die Wahrheit und wollte sich nicht komplett blamieren - oder aber, er wollte morgen mit seinen doch vorhandenen Talenten mehr als glänzen. Wie es auch kommen würde, ich würde ihm zusehen. Bevor wir noch weiter über seine vorhandenen Talente sprechen konnten, setzte sich Henry zu uns. Kurz meinte ich zu erkennen, wie er Mr. Armstrong leicht wütend ansah, aber wahrscheinlich hatte ich mich getäuscht. "Wir hatten uns schon Sorgen gemacht", fing ich das Gespräch an. "Tut mir wirklich leid, ich wurde aufgehalten", antwortete er nur recht kurz angebunden, bevor er enthusiastisch über seine Eindrücke vom Ausritt zu reden anfing.

Lizzy
Mir stand der Sinn überhaupt nicht danach, über Kleidung zu reden, aber da es in diesem Moment nicht wirklich anders ging, erzählte ich bereitwillig von dem Kleid, dass ich mir extra für Coras Geburtstag gekauft hatte. Irgendwie wäre es mir respektlos vorgekommen, an diesem Tag in einem meiner üblichen Kleider beim Essen zu sitzen. Besagtes Kleid war dunkel-lila und so aufwendig mit Spitze und Perlen versehen, dass ich inständig hoffte, es anziehen zu können, ohne dass etwas kaputt ging. "Und du?", fragte ich lächelnd, als ich beim besten Willen nicht mehr wusste, was es über ein Kleid zu erzählen gab. Konversation konnte ja so anstrengend sein...
Edward
"Dann werde ich mich wohl anstrengen müssen", sagte ich noch lächelnd zu Mary, ehe Henry sich zu uns setzte. Sein Blick entging mir nicht und ich schaute kurz schuldbewusst nach unten. Er wirkte wirklich etwas wütend und als er endlich wieder in seiner üblichen Art von unserem Ausritt redete, wagte ich es kaum, etwas einzuwerfen oder ihn auch nur anzusehen, sondern ließ den Blick durch den Raum schweifen. Die Situation war wirklich unangenehm. Ich konnte nur hoffen, dass Lady Mary das nicht bemerkte und Henry sich später mir gegenüber wieder normal benahm. Auf keinen Fall wollte ich unsere Freundschaft wegen einer Frau aufs Spiel setzen. Auch nicht wegen Lady Mary Crawley.

Lady Sybil
Ich spürte Lizzys Laune, erzählte ihr aber trotzdem ausführlich von meinem neuen Kleid. Es war tiefblau, mit silbernen Pailetten bestickt und um die Taille herum gemustert. Ich mochte es immer besonders, ein Kleid nach meinem Wunsch zu haben und nicht eines, das schon Mary oder Edith einmal getragen hatte. Der Gong löste allgemeine Aufbruchsstimmung in der Bibliothek aus, jeder wollte pünktlich umgezogen sein. Ich verabschiedete mich schnell von Lizzy bevor ich neben Edith die Treppe nach oben ging und es gar nicht abwarten konnte, mein neues Kleid anzuziehen.
Lady Mary
Ich konnte wirklich nichts daran ändern, aber Henry und sein Gerede nervten mich leicht. Einerseits weil er im Moment eher einen Monolog hielt und andererseits weil das Thema langsam wirklich durchgekaut war. Vielleicht lag es auch nur an mir, aber ich hatte das Gefühl, mich eben viel besser mit Mr. Armstrong unterhalten zu haben. Erst einmal hörte ich Henry aber noch lächelnd zu, trank ab und zu einen Schluck Tee und versuchte nicht allzu desinteressiert zu wirken, als er von Pferden zu historischen Themen und Büchern kam. Wahrscheinlich war ich nur vom Ausritt müde. Der Gong kam wie eine Erlösung und ich stand ohne Umschweife auf. "Wir sehen uns beim Dinner", sagte ich lächelnd zu den beiden. Mr. Armstrong war während Henrys Gerede genauso still geblieben wie ich. Ich hätte es mir nicht vorstellen können, aber beim Dinner wollte ich lieber neben ihm sitzen. Er hatte einfach eine lockere Art und wirkte selbstbewusst, was mir gefiel. In Gedanken versunken ging ich die Treppe nach oben und wurde in meinem Zimmer bereits von Anna erwartet, die mir in mein neues Kleid helfen würde. Ich hoffte Sybil hatte recht gehabt bei ihrer Vermutung, dass Papa eine Musikgruppe für heute Abend engagiert haben würde. Ein Tanz war jetzt genau das richtige.

Lizzy
Ich war wirklich froh, als ich den Gong hörte. Sybil hatte sich zwar große Mühe gegeben, unser Gespräch über Kleider nicht allzu langweilig zu gestalten, aber mit der bevorstehenden Nacht und der Tatsache, dass Mary über Jimmy und mich Bescheid wusste im Hinterkopf, hatte ich noch weniger Nerven für so ein Gesprächsthema als sonst. Erleichtert ging ich nach oben, wo Charlotte bereits mein Kleid für den Abend bereit gelegt hatte. Etwas misstrauisch betrachtete ich mich im Spiegel, nachdem sie mir hineingeholfen hatte (und es wundersamerweise immernoch keine Perlen verloren hatte oder sonst irgendwie beschädigt war). Das Kleid war unbestreitbar schön, aber es passte nicht zu mir. Wie gut, dass die Countess of Grantham nur ein Mal im Jahr Geburtstag hat.
Edward
Im Folgenden bestand unser "Gespräch" nur aus einem Monolog von Henry, meinen schuldbewussten und etwas abschweifenden Blicken und einer höflich lächelnden Lady Mary. Sie schien nicht wirklich angetan von seinen Erzählungen über Bücher zu sein, was mir einerseits Mitleid für Henry bescherte, aber auch einen gewissen Triumph – immerhin hatte sie sich mit mir vorhin bestens unterhalten und mehr gesagt als ab und zu ein "allerdings" oder "wie interessant". Der Gong erlöste uns aus dieser für alle Beteiligten mehr oder weniger unangenehmen Situation und obwohl Henry den Raum vor mir verließ und zügig zu seinem Zimmer ging, schaffte ich es, ihn auf dem Flur abzupassen. Etwas außer Atem hielt ich ihn kurz am Arm fest. "Henry – das war vorhin wirklich nicht, wie es ausgesehen hat."

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