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Henry
Hoffentlich redete Lady Edith nur von sich selbst. Denn wenn ich eines hatte, dann war es die richtige Begleiterin heute auf der Jagd. Ob Mary auch so empfand bezweifelte ich langsam. Sie schien sich nur ungern von Edward zu trennen. Ich sah kurz Edith an und tippte an meinen Hut als Zeichen der Verabschiedung. "Nun denn, ich wünsche Ihnen noch eine angenehme Zeit", sagte ich einfach, ignorierte so ihren letzten Satz und ging dann auf Mary zu. "Ich sehe Sie beim Lunch", meinte diese noch zu Edward, bevor sie sich mir mit einem Lächeln zuwendete. Ich versuchte, nicht allzu missmutig zu schauen, als ich mich neben sie stellte und das Gewehr anhob. "Ist Edward zufrieden mit der ersten Runde?", fragte ich sie möglichst beiläufig, aber meine Absicht war ernster. Ich musste einfach besser sein als er. Mary würde niemals nur den zweitbesten nehmen. Ich konnte mir ihren plötzlichen Sinneswandel nicht erklären. Den Sommer über hatten wir uns so gut verstanden - und ein Tag mit Edward hatte all das ruiniert. Wenigstens hatte ich einen Vorteil vor ihm, nämlich meinen Titel und das Erbe meines Vaters. Im Moment schien Mary das allerdings egal zu sein. "Er schien recht zufrieden", antwortete sie mir und sah in Edwards Richtung, der wieder bei seiner Begleiterin - Miss Allen war. "Oder eher überrascht über seine Schießkünste" Er war also tatsächlich besser als ich gewesen schloss ich daraus und schwor mir, jetzt wieder zu meiner alten Form zurückzukehren. Als das Signal ertönte, sammelte ich wieder meine ganze Konzentration. Den ersten Vogel verfehlte ich. Dann traf ich aber, was mir neuen Mut gab. Hoffentlich konnte ich die Situation wenigstens so retten.
Jimmy
Zum Glück fand Lizzy es ganz und gar nicht absurd, mich jeden Abend in ihr Bett zu lassen. "Sie scheint mit meiner Position keine Probleme zu haben. Wenn dann ist es eher anders herum - beim Basar jedenfalls war sie jedenfalls kurz davor das Dienstmädchen zu spielen", antwortete ich ihm nachdenklich. Dann grinste ich. "So oder so - ich finde es zeigt außergewöhnlich guten Geschmack, sich auf einen Diener einzulassen" Ich ließ den Zigarettenstummel auf den Boden fallen, trat mit meinem Fuß darauf und sah Thomas an. Eigentlich hatte ich jetzt Lust auf ein heißes Bad und dann eine Mütze Schlaf, aber das Gespräch wollte ich an diesem Zeitpunkt noch nicht unterbrechen. Manchmal musste man Opfer tun, um im Notfall seine eigene Haut zu retten. Also blieb ich an der Wand gelehnt, strich mir eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht und klopfte ein wenig Staub von meiner Livree.

Edward
Auch die nächste Runde verlief vielversprechend für mich. Das Gespräch mit Mary hatte mich nicht unter Druck gesetzt, besser sein zu müssen, so wie Henry es gesehen hätte – ich fühlte mich eher erfrischt und das merkte man. Ich konnte mir nicht erklären, woher mein plötzliches Talent beim Schießen kam, ob es wirklich an Lady Mary lag oder am Ehrgeiz, besser als Henry zu sein... Aber ich traf wieder mehr als genug Moorschneehühner, was auch Miss Allen diesmal zur Kenntnis nahm. Mary und Henry standen nun weiter weg von uns, was es deutlich schwieriger machte, wie vorhin zwischendurch ein paar Worte mit ihr zu wechseln. Henry schien sich wieder sehr um sie und die Vögel zu bemühen und ich konnte nicht anders als mich zu fragen, wie es hatte passieren können, dass wir uns innerhalb von zwei Tagen wie Fremde anstatt beste Freunde verhielten.
Thomas
"Sie klingt wirklich... interessant", bemerkte ich nicht besonders geistreich. War es das, was ihn an ihr so reizte – dass sie aus ihrer Rolle fiel? Ich hatte nur zu gut in Erinnerung, wie sie sich vor einem halben Jahr mit Mrs. Patmore angelegt hatte. Damals war ich recht beeindruckt gewesen, hatte aber auch noch nicht gewusst, dass sie mir Jimmy bald wegnehmen würde. Auch ich war mit meiner Zigarette mittlerweile fertig und trat sie aus. Hoffentlich verschwand Jimmy jetzt nicht gleich, um wie geplant zu schlafen und ein Bad zu nehmen, unser Gespräch wurde nämlich gerade erst interessant. Es zeigt außergewöhnlich guten Geschmack, sich auf einen Diener einzulassen. "Da kann ich nur zustimmen." Wie hatte er das nur gemeint? War dieser Satz auf Miss Allen bezogen gewesen oder war es eine Anspielung...? Ich fluchte innerlich, es war so schwer, immer die Zeichen anderer Menschen – oder in diesem Fall Männer – lesen zu müssen.

Lady Mary
In dieser Runde hatte ich keine Alternative, als Henry allein zuzusehen. Trotzdem schweifte mein Blick immer wieder ab. Ich freute mich wirklich auf den Lunch - nicht, weil ich etwa außerordentlich hungrig war. Nein, ich hoffte einen Platz neben Mr. Armstrong ergattern zu können. Henry schoss dieses Mal wieder etwas besser und schien mehr als erleichtert darüber zu sein. Schätzte er mich wirklich so ein, dass mich die Anzahl seiner Treffer allein beeindruckte? Vor ein paar Tagen wäre es wahrscheinlich so gewesen, denn natürlich mochte ich es auf die Jagd zu gehen und einen guten Schützen zu begleiten. Aber jetzt, wo ich Henry aus unerklärlichen Gründen plötzlich aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachtete, war es mir unwichtig. Trotzdem verfolgte ich mangels anderer Ablenkung - vor allem durch Mr. Armstrong - jeden seiner Schüsse und lobte ihn auch, wenn er das Gewehr wechseln musste. Auch ich konnte manchmal nett sein, wenn ich wollte.
Jimmy
"Jedenfalls - ", fing ich an und richtete mich auf. "solange sie mich nicht wegschickt, werde ich wiederkommen. Ich lehne so ein Angebot nicht ab, nicht, wenn es so auf dem Präsentierteller liegt. Und ich bin Ihnen wirklich dankbar, mein Geheimnis für sich zu behalten. Das würde nicht jeder tun" Ich lächelte ihn ehrlich an. Dann zog ich meine Livree glatt, jetzt war es langsam wirklich Zeit für mein Bad. Unsere Pause würde nicht ewig dauern und wahrscheinlich würde Carson sicher gleich doch einfallen, dass es noch so viel zu tun gab. Ich sollte mich also schleunigst auf den Weg nach oben machen, um wenigstens etwas Schlaf zu bekommen. Heute Nacht wollte ich nämlich nicht wieder den Großteil damit verbringen, Lizzys weiches Bett auszunutzen. Im Gegenteil, ich wollte die Chance voll ausnutzen. Und dazu wäre ein wenig mehr Schlaf von Vorteil. Nur musste dazu ich erst Thomas loswerden. Der im Moment gar nicht danach aussah, mich gehen zu lassen.

Thomas
Ich wurde einfach nicht schlau aus ihm. Schnell antwortete ich mit einem "Natürlich, das würde ich auch nicht", um wenigstens vorerst den Eindruck zu verschaffen, ich hätte auch nichts gegen eine Frau aus der Oberschicht, die mir anbot, bei sich zu schlafen. "Und es gibt keinen Grund, dankbar zu sein", lächelte ich dann. "Ich hoffe nur, du... ihr geratet nicht irgendwann an jemanden, der euch weniger gut gesinnt ist." Jimmy sah aus, als wollte er jetzt mit seiner Pause fortfahren und ich beschloss, ihn nicht weiter aufzuhalten. Dieses Gespräch war ja schon mal kein schlechter Anfang gewesen. "Du solltest jetzt schlafen, das wäre sicher auch in Miss Allens Sinne", grinste ich und ging wieder nach drinnen, wobei ich ihn mit mir winkte.

Jimmy
"Hast du da jemanden bestimmtes im Sinn?", fragte ich vorsichtig, als wir wieder nach drinnen gingen. Das musste ich noch wissen, bevor ich mein Bad genießen konnte. Wusste Thomas etwa mehr als ich? Hatte ihm jemand erzählt, dass er mich gesehen hatte? Wie er schon eben gesagt hatte, er hatte die Augen offen. Vielleicht war es aber auch nur eine allgemeine Warnung, die ich mir aber sowieso schon zu Herzen nahm. Ich hatte nämlich keineswegs die Absicht, durch so etwas meine Arbeit hier ohne Referenz beenden zu müssen. Ich grinste ihn an, als er Miss Allen erwähnte. Ja, es war wirklich in ihrem Sinn. Müde war ich für sie nicht zu gebrauchen.

Thomas
Jimmy wirkte auf einmal wirklich nervös, fast schon tat er mir leid. "Nein, nein", sagte ich schnell und zum gefühlt ersten Mal während unserer Unterhaltung sagte ich etwas Aufrichtiges. "Aber ich werde auch weiterhin die Augen offen halten und dich warnen, sollte jemand mehr wissen, als gut für Miss Allen und dich ist", versprach ich und lächelte Jimmy nochmal aufmunternd zu, bevor er nach oben und ich zum Schuhe putzen ging.

Jimmy
Beruhigt lief ich die Treppen nach oben, holte mir sofort Handtuch und Seife aus Thomas Zimmer und ließ mir dann ein Bad ein. Das Wasser war wunderbar warm und ich musste damit kämpfen, nicht direkt hier schon einzuschlafen. Widerwillig beendete ich dann aber doch mein Bad, legte mich mit noch nassen Haaren ins Bett und war nach wenigen Minuten tief und fest eingeschlafen. Zum Glück hatte ich es noch geschafft, mir den Wecker zu stellen. Das schrille Klingeln weckte selbst mich aus meinem nahezu bewusstlosen Zustand. Jetzt ging es mir wirklich besser, ich fühlte mich ausgeschlafener als seit Tagen. Schnell zog ich mir wieder die Livree an, kämmte meine doch sehr strubbeligen Haare und lief wieder nach unten. Gerade rechtzeitig, wie sich herausstellte, denn Thomas war schon dabei, unsere gepackten Körbe auf eine vor der Tür wartende Kutsche zu packen. Ich half ihm sofort. Zusammen mit Mr. Carson fuhren wir schließlich zu einer Scheune heraus, in der der traditionelle Lunch zur Jagd stattfinden würde. Die frische Luft machte mich jetzt wirklich wach. Nur war wegen Carson kein Gespräch zwischen Thomas und mir möglich. In der Scheune mussten wir noch den Tisch eindecken, aber da das Essen im Vergleich zu einem Lunch im Haus recht einfach war, ging auch das schnell. Wir waren gerade fertig, als Lord Grantham an der Spitze mit der Jagdgesellschaft eintraf. Ich verrenkte mir unauffällig den Hals und erkannte Lizzy in der Menge. Kurz sah ich zu Thomas und auf seine Reaktion, schließlich wusste er jetzt nur zu genau, wohin ich nachts verschwand. Carson räusperte sich und ich fing sofort an, den Ladys den Stuhl zurechtzuschieben.
Lady Mary
Noch nie hatte ich mich bei einer Jagd mehr auf das Essen als auf das eigentliche Schießen gefreut. Aber nach einer weiteren Runde am gleichen Ort hatte ich genug Komplimente von Henry bekommen. Papa rief uns zusammen, damit wir den Lunch gleich beginnen konnten. "Jetzt bin ich wirklich hungrig", fing Henry an, während wir nebeneinander zu der ausgewählten Scheune gingen. "Du hast dir dein Essen auch mehr als verdient. So wie es aussieht, haben wir dank euch genug Vorräte an Moorschneehühnern bis zum nächsten Jahr", antwortete ich ihm, sah aber gleichzeitig nach vorn, wo Mr. Armstrong neben Elizabeth herging. Wenigstens redeten sie nicht miteinander. In der Scheune erwartete Carson uns bereits vor einem perfekt gedeckten Tisch. Zielstrebig und so als wäre es das normalste auf der Welt nahm ich den Platz an Mr. Armstrongs Seite ein und fand mich so direkt zwischen ihm und Henry. Der hatte es natürlich nicht lassen können, mich auch hier zu begleiten. So langsam erinnerte er mich an einen anhänglichen Hund. "Wie haben Sie sich dieses Mal geschlagen? Wie es aussieht haben Sie ja auch dieses Mal das Wild und nicht ihre Begleiter getroffen", redete ich jetzt mit ihm und lächelte breit, während ich meinen Hut richtete und der erste Gang serviert wurde.

Edward
Die Jagd hatte mich so hungrig gemacht wie seit Tagen nichts mehr. Ich freute mich aber nicht nur auf das Essen, das an der frischen Luft wahrscheinlich noch besser schmecken würde als ohnehin schon, sondern auch darauf, endlich wieder mit Mary reden zu können. Während wir zu der Scheune liefen, wo der Lunch heute stattfinden sollte, war ich mit Miss Allen Henry und Mary weit voraus und hielt es für zu auffällig, mich zurückfallen zu lassen, aber zu meiner großen Überraschung setzte Mary sich plötzlich neben mich an den Tisch während Miss Allen sich zu Lady Edith ans andere Ende des Tisches setzte. Ich wollte Mary gerade begrüßen, als an ihrer anderen Seite Henry auftauchte und sich ebenfalls setzte. Wie gut das doch unsere Situation widerspiegelt... Mir blieb nichts anderes übrig, als beide zu grüßen. Arme Mary, es würde kein Spaß werden, wenn Henry und ich beide versuchten, sie für uns einzunehmen. Und wie viel Henry reden konnte, wenn auch manchmal über die falschen Themen, hatten wir ja schon bemerkt. Ich war wirklich froh, als sie von sich aus ein Gespräch anfing, worüber Henry aber nicht zu glücklich zu sein schien. "Nicht wesentlich schlechter als in der ersten Runde", lächelte ich schon weniger Bescheiden. "Und wie sieht es bei dir aus, Henry?", bezog ich ihn in das Gespräch ein, um Mary nicht den Eindruck zu verschaffen, ich würde ihn als Konkurrenten ansehen. Das tust du aber. Gespannt auf seine Reaktion wartend nahm ich einen Schluck von meinem Wein und sah erst Mary, dann ihn lächelnd an.
Thomas
Mir war nie ein besonderes Verhalten von Jimmys Seite aufgefallen, aber jetzt, wo ich Bescheid wusste, schienen mir die Blicke, die er Miss Allen zuwarf, fast schon zu auffällig zu sein. Und auch Miss Allen sah definitiv öfter zu ihm herüber als es nötig gewesen wäre. Ihre Jagdbegleitung, Mr. Armstrong, schien sie nicht mehr zu interessieren. Stattdessen hatte sie sich zu Lady Edith gesetzt – die zufälligerweise quasi genau vor der Stelle saß, an der Jimmy und ich während des Essens stehen würden, wenn wir nicht gerade servierten. Ich versuchte, einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck zu bewahren, aber aus irgendeinem Grund machte es mich sogar wütend, Miss Allen lachen zu hören. Das Lachen würde ihr hoffentlich noch vergehen. Bald. Sehr bald. Wenn ich endlich einen Plan hatte.

Lady Mary
Ich trank lächelnd einen Schluck Wein und fing mit dem ersten Gang an. Mama warf mir einen vielsagenden Blick in Richtung der beiden Herren an meiner Seite zu, schien darüber aber nichts anderes als erfreut zu sein. Wahrscheinlich deutete sie die Signale nur falsch und nahm an, dass ich mich unsterblich in Henry verliebt hatte. Was ich eindeutig nicht getan hatte. Jedenfalls nicht seit ich Mr. Armstrong kennengelernt hatte. "Ich bin zufrieden, das sollte reichen", antwortete Henry - wahrscheinlich hörte nur ich die leichte Enttäuschung in seiner Stimme heraus, jedenfalls wirkte seine Antwort fast schon leicht angriffslustig. Himmel, wahrscheinlich stritten sich die beiden gleich hinter meinem Rücken, wer besser schießen konnte. Nicht, dass es mir nicht gefiel. Ich mochte es, von allen Seiten begehrt zu werden. Auch wenn meine Zuneigung im Moment eher einseitig war. "Ich bin jedenfalls mehr als beeindruckt von euren beiden Schießkünsten", sagte ich dann zu meinen beiden Sitznachbarn und lächelte. "Ich hatte schon deutlich schlechtere Begleiter und auch bei Ihnen, Mr. Armstrong, habe ich sehr gute Treffer gesehen", fuhr ich unbeirrt fort. Fast schon machte es mir Spaß, wie sie beide um mich buhlten. Kurz warf ich aber einen Blick auf James, der passenderweise genau in Elizabeths Blickfeld stand. Täuschte ich mich oder warfen sich die beiden wirklich immer wieder Blicke zu? Mit einem kurzen Grinsen wand ich mich wieder mit meinem Essen zu.
Jimmy
Lizzy hatte wirklich einen guten Platz gefunden. Zwar redete sie mit Lady Edith und ihrer anderer Sitznachbarin, aber wenigstens konnte sie mich ansehen, wenn ich nicht servieren musste. Es war wirklich schwer, nicht zu lächeln oder ähnliches was mich verraten würde. Nur gegenüber Thomas würde mein Verhalten auffallen und da er ja schweigen würde, hatte ich kein Problem. So wurde ich ein wenig mutiger und hielt meinen Oberkörper vielleicht ein wenig zu eng in Richtung Lizzy, als ich ihr den zweiten Gang servierte. Sie sah wirklich hübsch in ihrer Jagdkleidung aus, wenn auch lange nicht so hübsch wie nachts mit ihren offenen, wilden Haaren. Nach dem zweiten Gang stellte ich mich wieder zu Thomas und lächelte ihn kurz an, bevor ich wieder unauffällig zu Lizzy sah.

Edward
Fast hätte ich die Augen verdreht, als Henry antwortete. Es war nicht zu überhören, dass er alles andere als zufrieden war. Warum nur konnte er nicht ein Mal etwas lockerer und selbstbewusster sein? Er hatte einen Titel, ein riesiges Vermögen in Aussicht, theoretisch lag ihm jede Frau zu Füßen, und trotzdem war er geradezu beleidigt, wenn eine, in diesem Fall Lady Mary Crawley, das nicht tat. Ich hingegen konnte nicht durch meine Herkunft glänzen und stellte mich auch nicht so an. Zum Glück sprach Mary noch ein Lob an uns beide aus, bevor Henry seinen Aufenthalt hier noch mit einer Depression beenden würde. Ich konnte nicht anders, als einfach wieder einen Witz zu machen, um die eher unangenehme Situation zu überspielen. Ob Mary sich wohl auch wünscht, Henry säße nicht hier...? "Das war reiner Zufall, immer wenn Sie weggesehen haben, ging alles schief", erklärte ich lächelnd und wendete mich wieder meinem köstlichen Steak zu.
Lizzy
Ich hatte mich eigentlich nur zu Edith gesetzt, um Mary aus dem Weg zu gehen und beim Essen mit jemandem plaudern zu können – außerdem wäre es fast schon Körperverletzung gewesen, Edith weiter ihrem Jagdbegleiter zu überlassen. Als ich aber schließlich freie Sicht auf Jimmy hatte, störte mich das auch nicht, ganz im Gegenteil. Ich konnte seinen Blicken kaum ausweichen und meinte mir einzubilden, dass er sich beim Servieren viel mehr zu mir beugte, als nötig war. Am liebsten hätte ich ihn wie vorhin wieder irgendwie berührt, aber das würde bei einem Lunch natürlich an Wahnsinn grenzen. Also aß ich brav meinen Salat und genoss die Vorfreude auf heute Nacht.

Lady Mary
"Das glaube ich kaum", meinte ich zu Mr. Armstrong und sah ihn breit lächelnd an. Seine gute Laune war wirklich anstrengend, nachdem ich den ganzen Morgen neben einem doch recht angespannten Mann verbracht hatte. Der leider genau neben mir sitzen musste und so ein tiefergehendes Gespräch zwischen mir und Mr. Armstrong verhinderte. "Warum sitzt Ihre Begleiterin nicht bei uns?", fragte ich den dann in freundlichem Tonfall, obwohl meine Absicht alles andere als freundlich war. "Haben Sie sie etwa vergrault mit ihren doch so miserablen Schießkünsten, wie sie immer wieder betonen? Vielleicht hätten Sie doch lieber Edith oder Sybil fragen sollen, als sie nach einer Begleitung gesucht haben" Das Lächeln blieb in meinem Gesicht. Trotzdem konnte man vielleicht heraushören, wie meine schlechte Beziehung zu Elizabeth Allen in jedem Wort mitschwang. Mr. Armstrong hätte wirklich lieber Sybil fragen sollen und Elizabeth hätte den Tag allein mit den uralten Ladys zuhause verbringen müssen, anstatt meine arme jüngere Schwester.
Jimmy
Die Gespräche am Tisch gingen weiter, ich hörte aber vor allem Lizzy zu. Das Essen war serviert und Thomas und ich hatten einen kurzen Augenblick nichts anderes zu tun, als brav neben dem Tisch zu stehen. Plötzlich fiel mir etwas ein, das mir bei unserem Gespräch eben gar nicht aufgefallen war. Jemand wusste bereits von Lizzy und mir. Schließlich hatte sie in unserer ersten Nacht zusammen versucht, genau das zu verhindern, was nachher passiert war. Lady Sybil wusste wahrscheinlich mehr, als mir lieb war. "Mr. Barrow? Da ist jemand, der von meinem Geheimnis weiß", flüsterte ich ihm leise zu, niemand würde uns bei dem Lärm am Tisch überhören. Carson hatte sich am anderen Ende mit der Weinflasche positioniert und würde also auch nichts mitbekommen. Ich sah Thomas kurz ernst an, denn das Problem hatte ich wirklich nicht bedacht. Bei Thomas war ich mir mittlerweile sicher, dass er schweigen würde. Bei Lady Sybil nicht - und sie war augenscheinlich gegen Lizzys und meine Beziehung.

Edward
Ich war etwas überrascht, als Marys Tonfall sich plötzlich änderte, sobald sie Miss Allen erwähnte. Irgendwie klang es nicht wie ehrliches Interesse. Kurz runzelte ich verwirrt die Stirn. Wenn es zwischen Mary und Miss Allen Unstimmigkeiten gab, wollte ich nicht mit hinein gezogen werden, zumal ich bis jetzt beide mochte – wenn auch Mary auf eine andere Weise als Miss Allen. "Ich schätze, sie wollte sich mit Lady Edith unterhalten, soweit ich weiß, sind die beiden befreundet", sagte ich deshalb so neutral wie möglich und nahm gleich darauf einen Schluck Wein, um nichts mehr sagen zu müssen. War Mary etwa sauer, dass ich anstatt eine ihrer Schwestern Miss Allen als Begleitung für die Jagd ausgewählt hatte? Immerhin hatten sie zu dem Zeitpunkt beide noch keine Begleitung gehabt. Andererseits schien sie sich sonst auch keine zu großen Gedanken um Lady Edith zu machen und Lady Sybil war, meiner Meinung nach, ohnehin noch etwas zu jung für eine Jagd. Vollkommen überfordert aß ich weiter.
Thomas
Es tat geradezu weh, zu beobachten, wie Jimmy und Miss Allen Blicke austauschten. Ich hatte mich gerade dazu gezwungen, nicht mehr hinzusehen, als Jimmy mich plötzlich ansprach. Ich erwiderte seinen Blick kurz – auch, wenn Carson gerade beschäftigt zu sein schien, wusste man nie, ob er einen nicht doch hörte oder aus dem Augenwinkel sah. Leider hatte er sogar noch mehr Augen auf alles als ich. "Wer ist es?", flüsterte ich gespannt zurück – obwohl ich mir noch nicht sicher war, ob mir diese Information etwas nützen würde und wenn ja, wie viel. Nichtsdestotrotz war ich mehr als glücklich darüber, dass er mir endlich zu vertrauen schien.

Lady Mary
Männer. Als ob Elizabeth nur wegen meiner Schwester diesen perfekten Platz gewählt hatte, von dem man den gutaussehenden Diener beobachten konnte. Wäre ich allein gewesen hätte ich in meinen Wein geschnaubt, so nahm ich nur wie Mr. Armstrong einen großen Schluck. Henry, den ich kurz vergessen hatte, nutzte die Stille zwischen uns. "Würdest du gerne auf einer Jagd schießen, Mary? Ich weiß, dass du an einem Jagdritt teilnimmst. Wäre da die Möglichkeit, auch bei einer Wildjagd teilzunehmen, nicht verlockend?", fragte er. Komischerweise erinnerte mich das daran, warum ich ihn so gemocht hatte. In dieser Hinsicht verstand er mich. Er kam aus meiner Welt und er hatte Ahnung. Nur zu gern stieg ich auf sein Thema ein - auch, weil Mr. Armstrong im Moment mehr mit seinem Essen beschäftigt war als mit mir, seitdem ich Elizabeth angesprochen hatte. Für meinen Geschmack verteidigte er sie etwas zu sehr. "Nun ja, hier oben in Yorkshire ist eine Frau auf einer Wildjagd nur als Begleiterin anerkannt. Es würde mich reizen, keine Frage. Im Moment bin ich aber mehr als zufrieden damit, an einem Ritt teilzunehmen", antwortete ich Henry, der mich mit einem strahlenden Lächeln ansah. Anscheinend, weil wir uns wieder gut unterhielten. "Auch wenn es sicher spannend ist, nicht immer nur der passive Teil einer Jagd zu sein"
Jimmy
Ich sah erst zu Mr. Carson, der gerade seiner Lordschaft Wein nachschenkte und dann einmal über den gesamten Tisch, aber alle unterhielten sich angeregt. Eine Antwort schien mir sicher. "Lady Sybil", flüsterte ich zurück, hielt meinen Blick aber geradeaus, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Mr. Carson sah es nämlich gar nicht gern, wenn wir uns bei einem Lunch oder Dinner unterhielten. Wir hatten ruhig zu sein. Aber das hier war wirklich wichtig. Außerdem war besagte Person gerade nicht anwesend. Ich war mehr als gespannt, was Thomas dazu sagen würde. Schließlich kannte er jeden im Haus mehr als gut. Er würde im Zweifelsfall einen Ratschlag für mich haben.

Edward
Henry ließ sich wirklich keine Gelegenheit entgehen, ein Gespräch mit Mary anzufangen – und, wie in diesem Fall, seinen momentan einzigen Vorteil mir gegenüber zu beweisen. Ich ließ die beiden ihr Gespräch über Frauen bei der Jagd führen und hing meinen Gedanken nach. Irgendetwas daran, wie Mary über Miss Allen geredet hatte, ging mir nicht aus dem Kopf. Ich hasste es, wenn Frauen sich ständig abfällig über andere Frauen äußerten oder sich aus irgendwelchen niederen Beweggründen besser fühlten als die jeweils andere. Es erschien mir so kindisch und Zeitverschwendung. Aber hoffentlich hatte ich bald noch mehr Zeit, Mary besser kennenzulernen – und so eventuell auch herauszufinden, was zwischen ihr und Miss Allen passiert war.
Thomas
Lady Sybil. Eigentlich erschien es mir logisch, denn soweit ich es bis jetzt mitbekommen hatte, verstanden Miss Allen und Lady Sybil sich sehr gut, es machte also durchaus Sinn, dass Miss Allen ihre Freundin in ihr kleines, aber schmutziges Geheimnis eingeweiht hatte. Zum Glück war sie mit Lady Sybil befreundet und nicht mit Lady Mary, denn ich war mir fast sicher, dass Lady Sybil die beiden nicht verraten würde. Ich kannte sie zwar nur oberflächlich, aber mein Eindruck von Menschen täuschte mich selten. Und natürlich wollte ich nichts weniger, als dass Jimmy seine Arbeit auf Downton verlor. "Ich glaube nicht, dass sie euch verraten wird", sagte ich so leise wie möglich und bewegte den Kopf nur minimal zu Jimmy. "Ich kenne sie etwas, wir haben gemeinsam während des Krieges im Hospital gearbeitet", erzählte ich. "Und so wie ich sie einschätze würde sie niemals eine Freundin verraten."

Lady Mary
Das Thema der Jagd für Frauen führten Henry und ich bis zum Dessert durch. Er schien sich wirklich Gedanken darum gemacht zu haben, jedenfalls kannte er sich gut aus. Als ich aufstand, war er derjenige, der mir den Stuhl nach hinten schob. Mr. Armstrong hingegen schien noch immer seinen Gedanken hinterherzuhängen. Wie alle anderen ging ich nach draußen. Es würde noch zwei kurze Runden zum Schießen geben, bevor wir zurück zum Haus aufbrechen würden. Bereits jetzt verabschiedeten sich einige Damen, die genug neben einem schießenden Mann gestanden hatten. Leider nicht Elizabeth. "Wir sehen uns später, Mr. Armstrong", sagte ich ihm und meinte es auch so. Ich verstand nicht, warum Mr. Armstrong so komisch eben reagiert hatte. Wahrscheinlich würde es sich nachher aufklären, vielleicht auch, wenn Henry nicht dabei war. Ich folgte Henry zu seinem Schießpunkt, musterte Elizabeth aus der Ferne und nahm mir vor, zurück im Haus weiter in ihrer Angelegenheit mit James nachzuforschen. Der Kuss zwischen den beiden schien jedenfalls keine einmalige Sache zu sein. Wenn sie sich schon so öffentlich in der Bibliothek küssten, konnte ich mir nur zu gut vorstellen, was sie zu anderen Zeiten taten.
Jimmy
Ich nickte nur. Das klang alles sehr gut in Anbetracht der Brisanz der Situation. Immerhin war Lady Sybil eine Lady mit einer Position in der Gesellschaft, die mich viel zu schnell ruinieren könnte. Aber wie es sich anhörte, musste ich mir keine Sorgen machen. Ich traute Thomas' Einschätzung, so hätte ich sie auch eingeschätzt. Aber man wusste ja nie, wie Menschen wirklich waren. Erleichtert, mir darum keine Gedanken machen zu müssen, servierte ich das Dessert und räumte danach den Tisch ab. Die Gesellschaft war wieder nach draußen gezogen, um noch mehr Vögel abzuschießen. Mr. Carson schien auch zufrieden. Ich stapelte das dreckige Geschirr, die Tischdekoration und die Servierplatten. Wir mussten uns beeilen, um nachher pünktlich den Tee für alle servieren zu können. Ich warf einen letzten Blick auf Lizzy, die wieder mit ihrem dunkelhaarigen Begleiter abzog. "Danke, Mr. Barrow", konnte ich mich endlich bedanken, als Carson noch draußen ein letztes Wort mit Lord Grantham redete. "Sie helfen mir wirklich" Ich lächelte ihn an, bevor ich den nächsten Korb mit Besteck füllte.

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