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Edward
Nicht einmal du. Ihre Worte ließen mein Herz schon wieder schneller schlagen. Über die Ausführlichkeit ihrer Dorfführung musste ich gar nicht erst lange nachdenken. Natürlich wollte ich diese so lang wie möglich gestalten, um mehr Zeit mit Mary zu verbringen. "Ich fürchte, ich bin sehr interessiert am Dorf", grinste ich und konnte den Blick noch immer nicht von ihr abwenden. In dem Moment gab Diamond ihr einen Stups in den Rücken und Mary taumelte leicht in meine Richtung. Vorsichtig hielt ich sie an der Taille fest, ließ sie aber sofort wieder los. Wer wusste schon, was eine Lady davon hielt, wenn man sie ungefragt berührte. Trotzdem konnte ich nicht behaupten, dass es mir nicht gefallen hätte. Ich räusperte mich, als sie ihren Zylinder aufsetzte. "Dann sollten wir uns wohl auf den Weg machen", sagte ich, um zur Dorfführung aufzubrechen, aber Mary machte keine Anstalten, sich zu bewegen, sondern sah mich nur weiter an. Langsam machte sie mich wirklich nervös. Ihre Lippen sahen so perfekt und einladend aus, dass es mir immer schwerer fiel, mein Gesicht in einem angemessenen Abstand von ihrem zu halten. Und schließlich, nachdem wir einige Sekunden so dagestanden hatten, gab ich ihr einfach einen kurzen und vorsichtigen Kuss auf den Mund. Die Gefahr, dass sie mir jetzt eine Ohrfeige geben oder ihrem Vater irgendwelche Horrorgeschichten darüber, was ich mit ihr gemacht hatte, erzählen würde, war nicht gerade gering, aber ihre Nähe brachte mich so durcheinander, dass ich einfach nicht nachdachte. Ich entfernte mein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem und sah sie aufmerksam an. Nach einer Ohrfeige oder einem hysterischen Anfall wirkte das hier jedenfalls nicht.

Lady Mary
"Gut, dann gehen wir zu Fuß. Ich muss dich vorwarnen - sehr spannend wird es nicht werden. Wenn du all die langweiligen Fakten wissen willst, wann welches Gebäude gebaut wurde, hättest du mit Edith gehen sollen" Ich grinste weiter und wurde auf einmal von hinten gestupst. Ohne darauf vorbereitet zu sein, verlor ich mein Gleichgewicht und taumelte direkt auf Edward zu - der mich auffing. Ich konnte nicht anders, als zu seiner Hand zu sehen, die auf meiner Taille lag. Schnell zog er sie wieder weg. Vollkommen überrumpelt von seiner Berührung, konnte ich ihn nur anstarren. Diese Pause - ich hatte nicht wirklich gehört, was er gesagt hatte - nutzte Edward schamlos aus. Plötzlich war sein Gesicht so nahe, dass ich meinen Atem anhielt. Bewegen tat ich mich keinen Zentimeter. Ich sah ihm direkt in die Augen, als er auch noch den letzten Rest von Distanz zwischen uns überbrückte und mich küsste. Es war nur kurz und vorsichtig, trotzdem brannten meine Lippen, als er seinen Kopf wieder zurückzog. Noch immer stand er viel zu nah bei mir, aber sehen würde uns zum Glück niemand. Die Pferde schirmten uns von der Straße ab. Es dauerte einige Sekunden, bis ich mich gefasst hatte. "Mr. Armstrong!", sagte ich und vergaß dabei ganz, dass wir bereits beim Du waren. Er hatte mir wirklich den Kopf verdreht. Meine Wangen glühten verräterisch, während ich meinen Rock glatt strich und mich räusperte. Jetzt fiel es mir schwer, ihm in die Augen zu sehen. "Ich denke, wir beginnen bei der Kirche", sprach ich dann unsere Führung an - ich hatte keine Ahnung, wie ich mit dem Kuss umgehen sollte und hoffte, ein wenig Ablenkung würde die Sache klären. Ich ging einen Schritt zurück und brachte somit wieder die angemessene Distanz zwischen uns. Auch wenn es mir gefallen hatte, wie er so dicht vor mir gestanden hatte.

Edward
Nach Sekunden, die mir ewig lang vorgekommen waren, reagierte Mary endlich. Ich war mir nicht sicher, ob sie vergessen hatte, das wir schon beim Du waren, oder ob sie mit ihrer Ansprache etwas Tiefergehendes gemeint hatte. Zum Beispiel, dass ich zu weit gegangen war. "Mary?", sagte ich daher mit einem leichten Lächeln. Sie strich nervös über ihren Rock und begann dann, von der Führung zu reden. Ich konnte nicht anders, als etwas breiter zu lächeln. Sie war nicht sauer, nicht entsetzt oder ähnliches, sondern einfach nur nervös. Was ihr, meiner Meinung nach, zur Abwechselung wirklich gut stand. "Gute Idee", antwortete ich schließlich und wir gingen schweigend nebeneinander zur Kirche. Mary fing erst wieder an zu reden, als wir die Kirche betreten hatten und ich gab mir große Mühe, ihren Worten zu folgen.
Lizzy
Ich erzählte Sybil gerade von meinen Freundinnen zuhause, als Mary in Mr. Armstrongs Richtung stolperte und er sie geschickt festhielt. Gespannt kniff ich die Augen zusammen und brach mitten im Satz ab, als die beiden sich sehr nah gegenüber standen. Vermutlich hatte Sybil spätestens jetzt bemerkt, dass ich nicht bei der Sache war, aber es war mir egal, denn jetzt küsste er sie tatsächlich. Die perfekt erzogene, versnobte und eingebildete Lady Mary Crawley hatte mit einem Mann, den man gerade so zur Oberschicht zählen konnte, der aber weder Titel noch Vermögen besaß, in einem Pub gegessen und sich schließlich auch noch von ihm küssen lassen. Ich grinste triumphierend, Sybil hatte ich komplett ausgeblendet. Wenn ich es geschickt anstellte, war das meine Möglichkeit, die Informationen, die sie wegen Jimmy gegen mich in der Hand hatte, zunichte zu machen.

Lady Mary
Mein Herz klopfte wirklich laut, während ich neben Edward zur Kirche ging. Meine Lippen kribbelten noch immer, aber es war nicht unangenehm. Ganz im Gegenteil. Ich hielt jetzt einen weiteren Abstand zu ihm, denn im Dorf war um diese Uhrzeit wieder viel los und ich wollte auf keinen Fall, dass irgendjemand etwas von diesem Kuss wusste. Es würde meinen Ruf zerstören. In der Kirche erzählte ich ihm das wenige, das ich tatsächlich wusste - mich interessierte es alles wenig, in welchem Jahr was passiert war. Wir waren allein in der Kirche und ich war mir Edwards Anwesenheit deutlicher als sonst bewusst. Viel zu schnell gingen mir die Worte aus. Das Schweigen zwischen uns fühlte sich jetzt anders an als vorhin - mich machte es nur noch nervöser. Ich wusste nicht, was ich tun würde, sollte er mich noch einmal küssen. Ich wusste ja noch nicht einmal, wie ich den Kuss eben finden sollte. Ich behielt Edward im Auge, während er sich in der Kirche umsah. Bis wir wieder zuhause waren musste ich unbedingt darüber hinweggekommen sein, was eben zwischen uns vorgefallen war. Sonst würde mich mein Verhalten noch verraten. "Was möchtest du noch vom Dorf sehen?", fragte ich ihn, als er wieder einmal zu mir sah und ich mir bewusst wurde, dass seine Lippen eben auf meinen gelegen hatten. Ich lächelte aufgesetzt an, denn noch immer war ich furchtbar durcheinander wegen ihm.
Lady Sybil
Unsere Limonadengläser waren fast leer. Neugierig hatte ich Lizzy weiter nach ihren Freundinnen gefragt, denen sie einen Brief geschrieben hatte. Ich trank gerade meinen letzten Rest Limonade, als Lizzy plötzlich mitten im Satz abbrach. Verwundert sah ich auf. Sie starrte mit einem angestrengten Gesichtsausdruck an mir vorbei, die Augen eng zusammengekniffen. Schon bald verzogen sich ihre Lippen zu einem breiten Grinsen - so, als hätte ihr gerade jemand das größte Geschenk gemacht. Lachend sah ich sie an, denn es sah wirklich komisch aus und schnipste mit meinen Fingern vor ihrem Gesicht herum. So kannte ich sie ja gar nicht. "Hast du einen Geist gesehen?", fragte ich sie grinsend. Ich sah mich kurz um, konnte aber nichts außergewöhnliches erkennen. Hatte sie einfach nur nachgedacht? Bestimmt war es wegen Jimmy. Das würde auch ihr Grinsen erklären.

Edward
Irgendetwas zwischen Mary und mir war jetzt anders, keiner von uns interessierte sich mehr wirklich für die Kirche. Als sie mich schließlich fragte, was ich noch vom Dorf sehen wollte, schenkte sie mir ein so aufgesetztes Lächeln, wie es sonst nur Miss Allen zu sehen bekam. Aber das hier wirkte nicht gemein. Nur immer noch nervös. "Wir können auch gleich wieder zurück reiten", bot ich ihr an. "Dann schaffen wir es noch zum Tee." In Wirklichkeit interessierte der Tee mich nicht, aber anscheinend hatte ich ihr mit Pub, Ale und Kuss doch etwas viel zugemutet. Gleichzeitig fand ich ihre nervöse Art wirklich süß und es gefiel mir, höchstpersönlich der Grund dafür zu sein. Immerhin war Mary sonst keine Frau, die man leicht aus der Ruhe bringen konnte. Auch Mary hielt es für das beste, den Heimweg anzutreten und wenige Minuten später saßen wir wieder auf unseren Pferden. "Du hattest mir noch ein paar Sprünge versprochen", sagte ich herausfordernd zu ihr, als wir aus dem Dorf geritten waren.
Lizzy
Anscheinend hatte Sybil tatsächlich immer noch nichts gemerkt. Fast war ich gerührt davon. Allerdings wollte ich ihr auch nichts sagen – ihre Schwester würde ihr schon noch früh genug erzählen, wenn es zwischen ihr und Mr. Armstrong ernster wurde. In dieser Hinsicht war mir Marys Liebesleben egal. Dennoch war das hier auch eine Angelegenheit zwischen ihr und mir, die ich mit ihr besprechen wollte, sobald wir das nächste Mal alleine waren. Ich zuckte leicht zusammen, als Sybils Finger vor meinem Gesicht auftauchten. "Viel besser", beantwortete ich ihre Frage nur kryptisch und trank zufrieden einen Schluck Limonade. "Wo waren wir stehengeblieben?", fragte ich dann lächelnd, wieder bereit, mich auf ein Gespräch zu konzentrieren. Wer hätte gedacht, dass mein Problem sich so einfach lösen würde?

Lady Mary
Ich war wirklich erleichtert, ihm nicht noch mehr alte Gebäude im Dorf zu zeigen, über die ich sowieso nichts wissen wollte. Sein Vorschlag, den Heimweg anzutreten, nahm ich nur zu gern an. Auch wenn ich mich noch nicht bereit dazu fühlte, im Salon auf all die anderen zu treffen - unter ihnen auch Henry. Den verdrängte ich schnell wieder aus meinen Gedanken. Aber langsam wurde es wirklich Zeit, dass wir nach Hause kamen. Schließlich wusste niemand etwas von unserem Ausritt. Ich hatte noch nicht einmal die Gelegenheit gefunden, es Mama zu erzählen. Wahrscheinlich, um die Frage gar nicht erst aufkommen zu lassen, warum ich mit Edward anstatt Henry Zeit allein verbrachte.
Wir gingen zurück zu unseren Pferden, saßen auf und schon bald lag das Dorf wieder hinter uns. Auf Diamonds Rücken fühlte ich mich wieder besser als im Dorf, wo uns jeder hätte beobachten können. "Die wirst du auch bekommen", sicherte ich Edward zu. Seine Herausforderung kam mir gerade recht. Der Kuss hatte mich so sehr überrascht und verwirrt, dass ich für einige Zeit mein Selbstbewusstsein scheinbar verloren hatte. Er sollte ja nicht denken, dass ich schwach war. Jetzt würde ich mich nicht zurückhalten. Ich bog von der Straße in den Wald ab und trabte an. Ich sah Edward von der Seite mit einem Lächeln an. "Ich hoffe, du machst auf dieser Strecke eine genauso gute Figur wie heute morgen"
Lady Sybil
Ich grinste Lizzy noch immer an, als sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich richtete. "Du hattest mir von deinen Freundinnen erzählt", beantwortete ich ihre Frage. Sie schien ja komplett von der Reihe zu sein. "Wir sollten langsam aufbrechen, wenn wir pünktlich zum Tee zurück sein wollen. Oder möchtest du den auch noch hier einnehmen?" Wir hatten beide unser Glas Limonade leer. Lizzy wirkte seit dem Zwischenfall noch besser gelaunt als ohnehin schon. Wenn sie nicht darüber reden wollte, warum sie eben so komisch war, dann würde ich das auch akzeptieren. Auch wenn ich schon neugierig war, welche Erscheinung sie eben hinter mir gesehen hatte.

Edward
Zum Glück war Mary auf dem Rückweg wieder sie selbst. Wie versprochen nahmen wir noch einige Sprünge und wie vorhin schon endeten diese meist mit kleinen Wettrennen und gegenseitigen Komplimenten über unsere Reitkünste. Als wir wieder an den Ställen von Downton Abbey angekommen waren, waren wir beide außer Atem, zerzaust und mit Schlamm bespritzt. Der Stallbursche kam uns entgegen und ich tätschelte Ablaze nochmal dankbar den Hals, bevor ich abstieg und ihn jemandem überließ, der weitaus mehr Ahnung von Pferden hatte als ich. Immerhin war Ablaze nicht ganz unschuldig daran, dass ich heute anscheinend so eine gute Figur im Sattel gemacht hatte – er war wirklich ein tolles Pferd. Wir gingen gemeinsam zum Haus zurück und schließlich beide in unsere Zimmer. Wir hatten beide ein Bad bitte nötig und vor dem Tee war noch Zeit dazu. Einzig der Gedanke an Henry trübte meine Laune. Gleich würden wir ihn wieder sehen und sicherlich würde ihm nicht lange verborgen bleiben, dass wir unseren Mittag allein zu zweit verbracht hatten.
Diesmal war ich nicht einer der ersten in der Bibliothek – ich hatte nicht zu wenig Zeit gebraucht, um mich geistig und körperlich wiederherzustellen. Henry war schon da und redete leise mit Lord Grantham. Anscheinend bemerkte er nicht, wie ich die Bibliothek betrat und ich konnte mich ungesehen zurückziehen, um auf Mary zu warten.
Lizzy
"Ehrlich gesagt würde ich den Tee tatsächlich gerne hier einnehmen, aber ich habe etwas Wichtiges zu klären", verkündete ich immer noch breit, aber geheimnisvoll lächelnd und trank mein Glas schnell leer. Kurz darauf hatte ich gezahlt und wir machten uns auf den Rückweg. In der Eingangshalle kam gerade Mary die Treppe hinunter. Dafür, dass sie noch vor wenigen Stunden in einem Pub gesessen und Alkohol getrunken hatte, sah sie schon wieder erstaunlich perfekt aus. "Sybil, ich komme gleich nach, ich muss kurz mit Mary reden", erklärte ich und zum Glück fragte Sybil nicht länger nach, sondern verschwand nur, eine Augenbraue hochgezogen, in der Bibliothek. Nachher würde ich ihr alles erzählen, aber jetzt musste ich mich erst einmal Mary widmen. Lächelnd sah ich sie an, als sie am Fuß der Treppe angelangt war. "Hattest du einen schönen Mittag?", fragte ich sie zuckersüß, sobald sie in Hörweite war. "Mit Mr. Armstrong? Ich wusste gar nicht, dass ihr schon so vertraut seid, gratuliere!", plapperte ich einfach weiter, als wären wir beste Freundinnen und ich würde mich wirklich für sie freuen.

Lady Mary
Viel zu schnell waren wir wieder am Haus und in unseren Zimmern. Ich ließ mir mit dem Bad und dem Umziehen viel Zeit - die brauchte ich auch, zum nachdenken. Edward hatte tatsächlich die Frechheit besessen, mich einfach so zu küssen. Nahezu auf offener Straße. Eines musste man ihm lassen, er war kein Feigling. Ich seufzte und ließ mir von Anna die Haare waschen, die vom Dreck ganz verklebt waren. Es war mit Abstand der beste Ausritt seit langem gewesen, aber gleichzeitig auch derjenige, der mich wirklich nicht los ließ. Auf dem Rückweg hatten wir uns wieder mit Wettrennen und ähnlichem geärgert und Spaß gehabt. So, als wäre der Kuss nicht geschehen. Für heute würde ich mit dieser Taktik weitermachen. Ich kannte Edward erst seit drei Tagen - und auch wenn der Kuss mit definitiv mehr gefallen hatte, als er sollte, würde ich wieder ein wenig auf Abstand gehen. Bis ich mir klar darüber war, wie ich für ihn wirklich empfand. Anna trocknete mir die Haare und ich wählte ein dunkelblaues Tageskleid. Ich hatte keine Lust, gleich von Mama und Papa mit Fragen überstürmt zu werden, wo ich den ganzen Tag verbracht hatte. Deswegen ließ ich mir noch mehr Zeit, um in die Bibliothek zum Tee zu gehen, indem ich von Sybil meine Brosche zurückholen wollte, die ich ihr gestern Abend geliehen hatte. Sie war nicht in ihrem Zimmer, wie ich angenommen hatte. Die Brosche war weder auf ihrem Frisiertisch, noch auf ihrer Kommode oder ihrem Nachttisch. Ich zog die Schublade des Nachttischs auf und suchte darin, dort hatte sie eigentlich viel von ihrem Schmuck. Heute fand ich darin nur Zeitschriften, lose Blätter - und ein Buch, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Neugierig holte ich es heraus und hoffte, damit kein Geheimnis meiner Schwester aufgedeckt zu haben. Ich schlug es auf, blätterte wahllos darin herum - es schien eher langweilig zu sein - und wunderte mich, als ein kleiner Zettel darauf auf den Boden fiel. Bis später stand darauf. Kein Name oder Absender. Warum hatte Sybil so etwas? Ich schlug die erste Seite des Buches auf. Lizzy Allen stand dort. Es war ihr Buch. Und der Zettel war an sie gerichtet. Ein Zettel, der eindeutig von einem Mann geschrieben worden war. Ich fügte eins und eins zusammen und nahm kurzerhand das Buch in mein Zimmer mit. Ich war mir sicher, dass Jimmy diese Botschaft an Lizzy geschrieben hatte. Ohne es geplant zu haben, hatte ich einen eindeutigen Beweis für Lizzys nächtliche Abenteuer mit Jimmy. Und somit eine weitere Waffe gegen sie.
In bester Laune ging ich die Treppe nach unten. Nur, um dort auf Lizzy zu treffen. Ich wollte sie gerade ignorieren und zu Sybil gehen, als sie mich wirklich ansprach - und meine Schwester wegschickte. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah ich sie an, als sie mich in einer wirklich grausigen Stimme nach meinem Mittag fragte. Und im nächsten Atemzug Edward erwähnte. Und unsere Vertrautheit. Ich wurde alarmbereit. "Das geht dich wirklich nichts an", antwortete ich gleichgültig und sah sie mit einem vernichtenden Blick an, der meine Gefühle ihr gegenüber nur zu deutlich zeigte.

Lizzy
Im Kontern war Mary wirklich noch nie besonders gut gewesen. Alles, was sie konnte, war arrogant zu schauen oder irgendetwas mit ihren Augenbrauen zu machen. Aber das ließ mich heute wirklich kalt. "Nein, mich nicht", stimmte ich ihr zu. "Aber es gibt sicherlich Menschen, die es interessieren würde, dass du am hellichten Tag in einen Pub gehst, Alkohol trinkst und dich küssen lässt", lächelte ich. "Oder bist du bereits mit Mr. Armstrong verlobt? Dann nehme ich natürlich alles zurück." Es war allerdings deutlich herauszuhören, dass ich mir mehr als sicher war, dass Mary und Mr. Armstrong bei weitem nicht verlobt waren.

Lady Mary
Sie wusste es. Wie auch immer sie es erfahren hatte. Ausgerechnet sie. Ich konnte gerade noch so verhindern, dass meine Kinnlade nach unten fiel. Es würde sicher nichts bringen, wenn ich es leugnen würde. Ihr triumphierender Gesichtsausdruck führte nur dazu, dass ich wirklich wütend wurde. "Du fühlst dich mir so überlegen, nicht wahr? Dabei bist du kein bißchen besser als ich. Lässt dich von einem Dienstboten mitten in der Bibliothek kurz vor dem Tee küssen. Und nicht nur das: Ich weiß, dass er sich nachts zu dir schleicht. Also solltest du vielleicht ein wenig vorsichtiger mit deinem losen Mundwerk sein", antwortete ich ihr und hatte dabei Schwierigkeiten, meine Stimme gedämpft zu halten. Sie konnte mir gar nichts antun - denn im nächsten Moment würde ich ihr kleines Geheimnis ausplaudern. Dass ich dank meines Funds in Sybils Zimmer auch beweisen konnte. Ich brauchte die Handschriften nicht vergleichen, um zu wissen, dass Jimmy diese Nachricht geschrieben hatte. Um ihr richtig Angst einzujagen, würde ich aber auch das noch überprüfen. Wir musterten uns gegenseitig, während ich meine Hände löste, die sich zu Fäusten geballt hatten.

Lizzy
Mary wirkte zunehmend angespannter und wütender. So ungehalten hatte ich sie noch nie erlebt und ich musste zugeben, dass ich langsam aber sicher innerlich triumphierte. Ich hatte wirklich einen wunden Punkt getroffen. Woher sie wusste, dass Jimmy mich nachts besuchte, war mir schleierhaft, aber jetzt, wo ich etwas gegen sie in der Hand hatte, wäre es sehr dumm von ihr, über mich auszupacken. "Natürlich bin ich nicht besser als du, aber ich bin auch keine Lady", konterte ich. Ihr Skandal würde viel höhere Wellen schlagen. "Und im Übrigen ist Mr. Armstrong auch nur unwesentlich besser als James, er ist nämlich nahezu genauso mittellos", fügte ich zufrieden lächelnd hinzu. Im nächsten Moment tat es mir schon etwas leid, Mr. Armstrong in diese Sache mehr hineinzuziehen, als ich vorgehabt hatte, denn er war wirklich nett und was er mir von sich erzählt hatte, wenn wir uns gerade im Salon oder in der Bibliothek unterhalten hatten, hätte ich nicht gegen ihn verwenden sollen. Aber um Jimmys und meine Haut zu retten und Mary ein wenig zu ärgern, war ich gerne dazu bereit. Aber nun war es erstmal Zeit für den Tee, den ich sicherlich mehr genießen würde als in den Tagen zuvor. "Du kommst besser nicht auf die Idee, James oder mich irgendwie in Schwierigkeiten zu bringen", sagte ich noch und warf ihr einen kühlen Blick zu, ehe ich in die Bibliothek verschwand. "Ansonsten ist dein Geheimnis auch nicht länger eines."

Lady Mary
Wahrscheinlich war sie wahnsinnig stolz auf ihren dramatischen Abgang. Ich dagegen blieb noch in der Eingangshalle stehen und sah ihr nach. Mein Hass auf Elizabeth Allen war noch nie größer gewesen. Diese Hexe hatte es wirklich geschafft, mich dabei zu beobachten, wie ich nur einen Moment schwach geworden war und mich von einem Mann hatte küssen lassen. Einem mittellosen Mann ihren Angaben nach. Edwards finanzielle Verhältnisse hatte ich den Tag über und auch schon vorher einfach ausgeblendet. Wenigstens war der Mann, der mich geküsst hatte, hier oben in der Bibliothek und nicht derjenige, der uns den Tee servierte. Dieses Argument konnte sie also schön vergessen.
Um nicht Wurzeln zu schlagen, folgte ich ihr nach wenigen Minuten in die Bibliothek. Ich vermied einen Blick zu Papa, der sich mit Henry unterhielt und zu Mama. Nachdem ich eine Tasse Tee in der Hand hatte, setzte ich mich auf das Sofa zur Duchess auf das Sofa. Im Moment war mir ein Gespräch mit ihr lieber als mit Henry, meinen Eltern oder gar Edward. Mein Tag hatte wirklich gut begonnen und war jetzt zum Albtraum geworden. Ich hörte dem Gespräch zu und versuchte, meine Wut und innere Aufgewühltheit nicht zu sehr zu zeigen.

Lizzy
Meine gute Laune würde wahrscheinlich noch bis Weihnachten ausreichen. Mary schaute während des Tees noch schlecht gelaunter als sonst und ignorierte fast jeden um sich herum. Allen voran natürlich mich, aber damit konnte ich bestens leben – im Falle von Mr. Armstrong tat es mir eher leid, er sah ziemlich verwirrt aus. Wahrscheinlich schob er ihre Reserviertheit auf den Kuss von vorhin. Sybil wollte natürlich wissen, worüber ich so dringend mit ihrer Schwester hatte sprechen müssen, aber ich konnte ihr im Augenblick nicht mehr sagen, als dass es ein nicht für die Bibliothek geeignetes Gespräch war. Vor dem Dinner kamen wir allerdings auch nicht mehr dazu, uns in Ruhe zu unterhalten, denn meine Eltern bestanden darauf, vor dem Umkleiden noch einen Spaziergang mit mir zu machen. Nach dem Dinner war ich von der ganzen Lauferei heute so müde, dass ich fast ohne Umschweife ins Bett ging. Müde, aber sehr zufrieden.

Jimmy
Der Tag wurde nicht viel besser. Beim Lunch stolperte ich fast über Lord Granthams Hund und erntete damit einen vernichtenden Blick von Carson. Beim Tee konnte ich nicht anders, als immer wieder zu Lady Mary zu sehen. Langsam konnte ich an nichts anderes mehr denken als daran, dass sie wahrscheinlich großen Spaß daran haben würde, Lizzys Leben schwerer zu machen und meines damit im gleichen Schritt ganz zu ruinieren. Das Dinner überstand ich wieder gut, wahrscheinlich lag es an der Aussicht, gleich wieder in Lizzys Bett schlafen zu dürfen. Ich konnte es nicht vermeiden, sie ansehen zu müssen, wenn ich sie als nächstes servierte. Jedes Mal sah sie wirklich zufrieden aus - sie lachte ausgelassen mit Lady Sybil, aß wie immer mehr als jede andere Dame am Tisch und schien vollkommen unbeeindruckt davon zu sein, dass Mary sie immer wieder mit zornigen Blicken strafte. Ich konnte mir darauf keinen Reim machen und wollte sie nachher fragen. Auch wenn ich heute wirklich verdammt müde war. Gleich nach dem Dinner der Dienstboten ging ich nach oben und legte mich hin, um wenigstens so lange schlafen zu können, bis alle anderen auch im Bett waren. Dann würde ich mich wieder herunterschleichen und die Müdigkeit und Anstrengungen des Tages wären vergessen.
Ich wurde wach, als Thomas die Zimmertür hinter sich schloss. Müde rappelte ich mich auf und rieb mir die Augen. "Sie sind alle im Bett, ich war der letzte", sagte er mir ohne Aufforderung und ich grinste. Ich bedankte mich bei ihm, verschwendete keine weitere Minute hier und schlich mich wieder nach unten. Ich war gerade zwei Zimmertüren von Lizzy entfernt, als ich Schritte hörte. Panisch drückte ich mich an die Wand. Jemand ging die Treppe nach oben, verschwand aber im Korridor der unverheirateten Männer. Ich atmete wieder aus, ging mucksmäuschenstill in ihr Zimmer und fand mein Grinsen wieder, als sie so friedlich im Bett lag. Ich schlenderte zum Bett und legte mich einfach zu ihr. "Wach auf", flüsterte ich ihr ins Ohr und küsste sie im nächsten Moment auf die Wange.

Lizzy
Etwas verwirrt wachte ich auf, als ich eine leise und vertraute Stimme an meinem Ohr hörte. Meine Hand tastete das Bett neben mir ab und landete auf einer Schulter. Jimmys Schulter. "Oh, hallo", murmelte ich und grinste leicht, jetzt schon viel wacher. Ich machte die Augen endgültig ganz auf und küsste ihn kurz. Jetzt, wo wir nicht mehr viel zu befürchten hatten, konnten wir diese Nacht sicher noch mehr genießen als sonst. "Ich habe gute Neuigkeiten", verkündete ich mit einem schiefen Lächeln. "Es sei denn, du willst erst später reden." Um ihm die Entscheidung wenigstens etwas schwerer zu machen, zog ich ihn näher zu mir und küsste ihn wieder. Ich konnte immer noch nicht aufhören, triumphierend zu lächeln. Was für ein Glück, dass ich heute zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen war.

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