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Sybil
Ich lachte mir ihr, aber darum musste sie sich keine Sorgen machen. "Die Einladung kann noch mit der zweiten Post kommen, dann wäre doch alles geregelt", meinte ich mit einem Blick auf die Uhr und setzte mich dann an den Schreibtisch in der Bibliothek. "Soll ich den Brief schreiben? Meine Schrift dürften sie doch nicht erkennen, oder? Ich könnte sie auch ein wenig ändern", bot ich dann an und suchte alles zusammen. Es war wirklich wieder viel zu aufregend, so etwas zu tun - und im Moment überwog noch der Spaß meinem schlechten Gewissen, dass sich ganz sicher heute Nacht bei mir melden würde. Aber darum konnte ich mir ja noch später Gedanken machen.

Lizzy
Ich stand sofort auf und ging hinter Sybil her zum Schreibtisch, wo ich mich hinter sie stellte und ihr über die Schulter sah. "Sie könnten deine Schrift von den Briefen, die wir uns geschrieben haben, kennen", überlegte ich laut. Wie oft waren ihre Briefe irgendwo bei uns zuhause herumgelegen. Meine Eltern hatten vermutlich nicht auf ihre Schrift geachtet, warum sollten sie auch, aber vermutlich war es doch sicherer, wenn Sybil sie etwas änderte. "Ich denke es ist besser, wenn du deine Schrift änderst", meinte ich. "Dann können wir auch verhindern, dass Fragen aufkommen, wenn deine Eltern den Brief aus irgendwelchen Gründen zu sehen bekommen." Gemeinsam fingen wir an, einen wirklich glaubhaften Brief zu formulieren und dachten uns sogar eine Adresse für Eva aus. Die Jimmy-Lüge war perfekt.

Sybil
Es machte mir viel mehr Spaß, als es sollte, den Brief zu fälschen. Ich gab mir wirklich Mühe bei der Schrift, damit diese ganz anders als meine aussah. Würde Mama oder auch eine meiner Schwestern den Brief mit meiner Schrift zu sehen bekommen, wäre alles nämlich aufgeflogen. Es dauerte ein wenig, aber dann war die Einladung zum Dinner morgen fertig. Zufrieden las ich sie noch einmal, faltete sie dann und packte sie in einen Umschlag. Selbst eine Briefmarke klebten wir darauf, damit auch alles echt aussah. "Carson bringt die zweite Post immer gegen 15 Uhr. Dann tue ich so, als ob dieser Brief vergessen worden ist und ich ihn dir deswegen etwas später überbringe", sagte ich dann zu Lizzy und legte den Füller wieder an die Seite. "Morgen sind Mama und deine Mutter zu einem Dinner bei Lady Shackleton, es sollte also kein Problem sein" Ich grinste sie an. Was ich nicht alles dafür tat, damit sie Jimmy treffen konnte...

Lizzy
Der Brief wurde wirklich perfekt. Sybils Schrift war unmöglich wiederzuerkennen und wir hatten ihn bis ins kleinste Detail ausgeschmückte. "Danke für deine Hilfe", lächelte ich dankbar. Ich wusste ja, wie wenig sie davon hielt, dass ich mich mit Jimmy traf, und das machte es nur noch netter, dass sie mir nun auch noch dabei half. "Es ist schon fast Zeit für den Tee", sagte ich überrascht, als mein Blick auf die Uhr fiel. Während wir den Brief geschrieben hatten, hatte ich gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit anscheinend vergangen war.

Sybil
Mit einem Blick auf die Uhr nahm ich den Brief schnell. "Gut. Dann müsste Carson gleich die zweite Post bringen. Solange verstecke ich den Brief", meinte ich. Aber wo? Ich hatte keinerlei Taschen oder ähnliches in meinem Kleid. Ihn in mein Zimmer zu bringen, würde nachher auch zu viel Zeit kosten. Und hier in der Bibliothek? Zu riskant. "Am besten gehe ich hoch in mein Zimmer und komme gleich etwas später zum Tee. Dann haben wir den richtigen Moment abgepasst" Ich lächelte Lizzy an und versteckte den Brief hinter meinem Rücken, während ich nach oben lief. Ich erreichte gerade mein Zimmer, bevor sich die Tür von Mary öffnete und sie anscheinend schon auf dem Weg nach unten zum Tee war. Die Dinner-Lüge für Lizzy war wirklich ein ausgefeiltes Stück Arbeit. Aber es machte mir auch Spaß.

Lizzy
Es war ein perfekter Plan. "Gut, bis gleich", grinste ich, als Sybil mit dem Brief hinter dem Rücken die Bibliothek verließ. Die Schwierigkeiten mit dem Verstecken des Briefes allerdings bewiesen nur wieder, wie unpraktisch die Kleider waren, die wir Frauen tragen mussten. Ich nahm mein Buch wieder zur Hand und versuchte, möglichst unschuldig auszusehen, als sich die Bibliothek langsam füllte und meine Eltern sich zu mir setzten. Auf unser Gespräch konzentrieren konnte ich mich allerdings nicht, denn etwas nervös war ich schon, ob gleich alles glattlaufen und niemand Fragen wegen Eva stellen würde. Und wegen morgen Abend natürlich.

Sybil
Immer wieder sah ich auf die Uhr in meinem Zimmer. Carson müsste längst die Post herumgebracht haben, denn jetzt wurde der Tee serviert und der Butler somit anderweitig beschäftigt. Ich nahm also den Brief wieder in die Hand und versteckte ihn, bis ich in der Eingangshalle angekommen war. In der Bibliothek waren bereits alle versammelt und nach meinem Erscheinen fingen Jimmy und Thomas an, den Tee herumzubringen. Ich entdeckte Lizzy passenderweise gleich bei ihren Eltern. Jetzt würde sich also zeigen, ob unser Plan gut durchdacht war und funktionieren würde. Ich war furchtbar nervös deswegen. "Der hier kam noch für dich, Lizzy", sagte ich ihr so normal wie möglich ohne zu grinsen. "Er muss wohl übersehen worden sein" Ich setzte mich ihr gegenüber und beobachtete aus den Augenwinkeln vor allem die Reaktion ihrer Eltern.

Lizzy
Ich saß die ganze Zeit wie auf heißen Kohlen, bis Sybil endlich nach unten kam und mir den Brief überreichte. "Oh, danke", sagte ich, als ich ihn ihr abnahm und war selbst überrascht darüber, wie normal meine Stimme klang und dass ich nicht grinste. Ich öffnete den Umschlag, zog den Brief heraus und tat, als würde ich ihn lesen, obwohl ich den Inhalt natürlich schon zu gut kannte. "Von wem ist der?", fragte Mama neugierig und warf einen Blick auf den Umschlag, der in meinem Schoß lag. "Von Eva", antwortete ich und schaffte es gerade noch, mein Grinsen wie ein Lächeln aussehen zu lassen. "Sie lädt mich morgen Abend zum Dinner ein – wenn ich schonmal in der Nähe bin." Papa runzelte zwar die Stirn und sagte etwas, das verdächtig nach "Woher kennst du jemanden aus York?" klang, aber Mama übertönte ihn, indem sie verkündete, wie nett das sei und wie passend, weil sie morgen auch weg war. Dann schenkte Thomas uns Tee ein und meine Eltern wechselten das Thema. Erleichtert schob ich den Brief in den Umschlag zurück.

Sybil
Es lief alles perfekt. Ich hatte zwar kurz Panik, als Lizzys Vater sie zweifelnd ansah - aber ihre Mutter brachte alles wieder ins Lot und ich stimmte ihr nur zu gern zu, wie schön es doch für Lizzy war, einen Abend außer Haus zu essen. Anscheinend war die Sache damit abgehakt und das Alibi stand. Grinsend trank ich meinen Tee und zwinkerte die Lizzy zu, die noch mit ihren Eltern redete. Ich hätte nie von mir gedacht, dass ich einen Brief fälschen würde - aber dass es dann auch noch klappte, war fast noch eine größere Überraschung. Lizzy musste aufpassen, dass man ihr ihre überdurchschnittlich gute Laune nicht anmerkte - aber es war zu schön zu sehen, wie sehr sie sich auf den morgigen Abend freute.

[...]
Lizzy
Ich verschüttete fast meinen Tee, so nervös war ich. Weil ich mich gleich wieder mit Jimmy traf, weil ich mich heimlich mit ihm traf und weil ich das erste Mal in meinem Leben ins Kino gehen würde und endlich sehen konnte, was alle an Phyllis Dare so toll fanden. Ich war wirklich neugierig. Meine Eltern hielten meine Aufgeregtheit für Wiedersehensfreude, weil ich Eva schon so lange nicht mehr getroffen hatte – was ja nicht ganz falsch war. Ich verabschiedete mich nach dem Tee von Mama – wir wünschten uns gegenseitig einen schönen Abend und sie sagte, ich solle Eva von ihr grüßen – und Sybil und ging nach oben, um mich umzuziehen. Diesmal konnte Charlotte mir wenigstens helfen, denn ich hatte ja ein Alibi. Wie schon beim Tanztee vor ein paar Monaten wählte ich ein etwas schlichteres Kleid, was Charlotte zwar mit einem kurzen Blick bedachte, aber zum Glück nicht weiter hinterfragte. Allerdings fiel mir absolut kein Grund ein, meine Frisur zu ändern, also ließ ich sie, wie sie war und zog meinen Mantel an und meinen Hut auf. Ein weiterer Vorteil des Briefes war, dass ich mich jetzt mit dem Auto nach York fahren lassen konnte. Der Chauffeur hielt etwas außerhalb, da ich behauptet hatte, noch einen Spaziergang machen zu wollen und ich fragte mich durch, bis ich das Kino fand. Jimmy und ich hatten uns heute Morgen vor dem Frühstück noch zufällig kurz gesehen und schnell verabredet, uns davor zu treffen. Er war noch nicht zu sehen, also studierte ich die Plakate, die an der Außenwand angebracht waren.

Jimmy
Natürlich hatte der Bus Verspätung. Bis jetzt war ja auch alles perfekt gelaufen - dass ich so schnell frei bekommen hatte, dass auch Lizzy ein Alibi für den Abend hatte und dass wir uns wieder sahen. Nur der Bus machte mir einen Strich durch die Rechnung. Ich beeilte mich sehr, um noch pünktlich zum Kino zu kommen. Zum Glück wusste ich, wo es war. Ich sah sie schon von weitem vor den Filmplakaten stehen. Einige Menschen strömten noch durch die offenen Eingangstüren herein, ich war also nicht so spät, dass der Film bereits angefangen hatte. Das Kino war eher für Arbeiter und Dienstboten - aber wie beim Tanztee in Ripon bewies Lizzy, dass sie sich darauf einstellen konnte, denn ihr Kleid wirkte kein bißchen überheblich. Grinsend stellte ich mich neben sie, die noch immer in das Filmplakat vertieft war. "Guten Abend", begrüßte ich sie dann grinsend und bot ihr meinen Arm an.

Lizzy
Ich zuckte leicht zusammen, als ich Jimmys Stimme hörte und drehte mich um. "Guten Abend", grinste ich, gab ihm einen Kuss auf die Wange und nahm seinen Arm. Drinnen war es ziemlich voll, vor der Kasse hatte sich eine lange Schlange gebildet und wir mussten einige Minuten warten. Zum Glück hatten wir unser Treffen ohnehin früher als den Film angesetzt, sodass wir noch Zeit hatten, bis es losging. Ich konnte mich mal wieder überhaupt nicht beherrschen und wurde ganz hibbelig vor Vorfreude. Jimmy bezahlte die Karten, was mir gar nicht recht war, denn ich hatte das Kino vorgeschlagen und außerdem Geld im Überfluss, aber Jimmys Reaktion, hätte ich angeboten, zu zahlen, wollte ich mir gar nicht erst vorstellen.

Jimmy
Es fing schon vielversprechend an, als sie mich auf die Wange küsste. Ich sah sie lächelnd von der Seite an, während wir in der Schlange warteten. Ihre Aufregung konnte selbst ich spüren und sie strahlte so, als würde sie Phyllis Dare gleich persönlich treffen und nicht nur einen Film mit ihr sehen. Bevor sie auf irgendwelche dumme Ideen kommen würde, für uns Karten zu kaufen, hatte ich das Geld bereits vor die Kartenverkäuferin gelegt. Wie würde es denn aussehen, wenn eine Frau hier bezahlte? Das schien ihr zwar nicht zu gefallen, wie ich ihrem Blick nur zu gut entnehmen konnte, aber ändern konnte Lizzy es jetzt ja sowieso nicht mehr. Ich würde mich definitiv nicht von einer Frau einladen lassen. Mit ihr am Arm gingen wir in den Saal und ich führte sie in die vorletzte Reihe, in der noch einige Plätze frei waren. "Bist du noch nie im Kino gewesen?", fragte ich sie grinsend, während ich ihr den Mantel abnahm und wir uns dann setzten.

Lizzy
Im Saal war es stickig und warm, aber das nahm ich gerne hin. Außerdem war es eng, aber wen störte es schon, nah neben Jimmy zu sitzen? "Nein, du etwa?", grinste ich, während er mir aus dem Mantel half und wir uns setzten. "Übrigens soll ich dich von Mama grüßen", fiel mir ein. Auch, wenn sie sicherlich nicht daran gedacht hatte, dass Eva ihr gerade eben Tee nachgeschenkt haben könnte. Nach ein paar Minuten ertönte ein lautes Brummen, das den Anfang des Films ankündigte. Gespannt lehnte ich mich zurück.

Jimmy
"Natürlich war ich im Kino", meinte ich grinsend und lehnte mich entspannt zurück. Endlich hatte ich Lizzy mal etwas voraus, was mir auch mal gut gefiel. Dann verschwand aber mein Grinsen. Ihre Mutter? Verwirrt sah ich sie an, denn ich glaubte wohl kaum, dass Lizzy plötzlich einen Sinneswandel hinter sich hatte, der dazu führte, dass sie ihrer Mutter alles über uns erzählte. Ihr Lachen und die Erklärung, dass ein Dinner bei Eva ihr Alibi für den Abend waren, beruhigte mich dann doch und ich sah sie noch von der Seite an, während es im Raum dunkel wurde und der Film begann. Ich hatte ehrlich gesagt keine große Ahnung, was darin passieren würde - eigentlich ging es mir ja auch gar nicht so viel um das Kino, sondern mehr darum wieder Zeit mit Lizzy zu verbringen. Denn das zeigte, dass ich gute Chancen hatte, bald wieder nachts in ihr Bett kommen zu dürfen. Erst sah ich nur Lizzy an, dann zog mich der Film aber auch in seinen Bann. Ich musste einfach lachen, als sich herausstellte, wie sehr die Geschichte im Film einer ganz realen ähnelte - nämlich unserer. Hatte sie den Film deshalb ausgewählt?

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