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Lizzy
"Alles klar, wenn ich später von deinem Schreien aufwache, weiß ich, dass ich tatsächlich graue Haare habe und wenn du tot bist, hat Carson mitten in der Nacht in den Schrank mit den Gläsern geschaut. Dann können wir ja jetzt zu den wichtigen Dingen kommen", grinste ich. Eine Weile küssten wir uns nur und ich vergaß komplett die Zeit – bis Jimmy mir um Mitternacht zum Geburtstag gratulierte. "Danke", murmelte ich lächelnd zurück und wir setzten uns auf, um unseren Champagner zu trinken, den er mittlerweile eingeschenkt hatte. Wie perfekt es doch war, mein altes Lebensjahr mit einem Kuss von Jimmy zu beenden und das neue ebenso anzufangen. "Ich auch nicht", antwortete ich und nippte ebenfalls an meinem Glas. "Und ich weiß nicht, wie oft ich in Zukunft noch die Gelegenheit dazu haben werde, aber für heute kann ich nur sagen, dass es ein mehr als gelungener Geburtstag ist", lächelte ich und prostete Jimmy zu, ehe ich noch einen größeren Schluck nahm und die Beine wieder unter die Bettdecke steckte, weil meine Zehen kalt wurden. In diesem Moment war ich so glücklich, ihn kennengelernt zu haben, dass ich es nicht hätte in Worte fassen können und ich war seltsam überwältigt von dem Gefühl.

Jimmy
Ihr Geburtstag hatte zwar erst wenige Minuten gedauert - aber schon fand Lizzy ihn sehr gelungen und das machte mich natürlich auch ein kleines bißchen stolz. Schließlich hatte ich ihr ja eigentlich nur einen Champagner mitgebracht, den sie ohnehin schon beinahe täglich trank. Dann musste es wohl meine Anwesenheit sein, die ihr den Geburtstag versüßte. "Dann sollten wir hoffen, dass dein Geburtstag auch genauso weitergeht", meinte ich grinsend, während ich mein mittlerweile leeres Glas auf den Schreibtisch abstellte und mich vorbeugte, um sie zu küssen. Man schmeckte wirklich den Preis des Champagners. Was würde Lord Grantham wohl sagen, wenn er wüsste, dass ich einen Schluck davon abbekommen hatte? Auch ich legte mich jetzt wieder unter die Bettdecke und zog Lizzy zu mir. Sie sah mich mit einem Blick an, den ich nicht ganz deuten konnte. Ich dagegen grinste und küsste sie weiter, denn natürlich würde ich auch dafür sorgen, dass ihr Geburtstag wenigstens in der Zeit, in der ich hier war, wunderschön werden würde.

Lizzy
Es dauerte nicht lange, bis wir unsere Gläser geleert hatten und uns weiter küssten – was sich Dank des Champagners noch etwas besser anfühlte als ohnehin. Als ich später mit dem Rücken zu Jimmy vor mich hin döste, gingen mir seine Worte wieder durch den Kopf. Dann sollten wir hoffen, dass dein Geburtstag auch genauso weitergeht. Ich hatte Henry eingeladen, nachdem wir uns in den letzten Wochen regelmäßig Briefe geschrieben und uns gut verstanden hatten. Allerdings hatte er teilweise Andeutungen gemacht, die mich vermuten ließen, dass er in unsere Brieffreundschaft etwas mehr hineininterpretierte, als er sollte. Andererseits gab es doch eigentlich Schlimmeres für eine Frau in meiner Situation, als von einem reichen Erben gemocht zu werden. Dennoch machte mich der Gedanke nicht ganz glücklich, zumal ich auf keinen Fall den Eindruck erwecken wollte, nur wegen der finanziellen Situation meiner Familie nett zu Henry zu sein. Nachdenklich tastete ich nach Jimmys Hand, die auf meiner Taille lag. In wenigen Stunden würde ich hoffentlich Genaueres darüber wissen, was Henry im Sinn hatte. Vielleicht drückte er sich in Briefen nur immer etwas umständlich aus.

Jimmy
Vielleicht lag es am Champagner, aber in dieser Nacht schlief ich besonders gut und beinahe auch zu lange. Nur durch Lizzys energisches Rütteln wachte ich schließlich um kurz vor 5 auf und seufzte laut. Warum durfte ich nicht einmal eine ganze Nacht in diesem Bett verbringen? Schnell war ich aber wieder soweit wach, dass mir nur zu bewusst wurde, dass die beiden Gläser am besten ganz schnell nach unten in den Schrank müssten - und ich vor allem erst einmal aus Lizzys Zimmer. Also küsste ich sie noch schnell einmal, bedankte mich für ihr Wecken und sprang dann förmlich aus dem Bett. Mit der leeren Flasche und den Gläsern in der Hand blieb ich noch einmal vor ihr stehen und beugte mich hinunter, um sie zu küssen. "Dir auch weiterhin einen schönen Geburtstag", flüsterte ich ihr noch zu, bevor ich über die Galerie in mein Zimmer schlich. Schnell versteckte ich Champagner und Gläser, schlief dann tatsächlich noch recht gut bis zum Klingeln meines Weckers und ging erst nach unten, nachdem die Luft wirklich rein war und niemandem auffallen würde, was ich mit mir trug. Wie gut, dass wir gestern Abend anscheinend nicht alle Gläser aufgesammelt hatten. Unauffällig stellte ich meine einfach neben die von gestern Abend auf mein Silbertablett und brachte sie Daisy zum Spülen, während die Flasche wie von selbst zurück in den Karten mit den anderen wanderte.

Lizzy
Charlotte musste mich um acht Uhr förmlich aus dem Bett werfen, aber diese Nacht war es wieder einmal Wert gewesen. Ich war mir nicht sicher, was ich von diesem Tag erwartete, denn schließlich hatte ich noch nie unter solchen Umständen Geburtstag gefeiert – in einem mehr oder weniger fremden Haus, ohne Paula. Dass nur meine Eltern sowie Sybil am Frühstückstisch saßen, als ich nach unten kam, verbesserte meine Stimmung aber etwas. Von Mary konnte ich immerhin weder erwarten, dass sie mir gratulierte, noch, dass sie auch nur im Geringsten netter war als sonst – erst recht nicht, wenn sie später Henry sehen würde, der zum Dinner kam.

Sybil
Ich hatte Anna extra darum gebeten, mich früh zu wecken. Zwar hatte ich keine Ahnung, wie lange Lizzy schlafen würde, aber dann würde ich einfach so lange im Speisesaal bleiben, bis sie es aus ihrem Bett geschafft hatte. Mary rechnete anscheinend damit, dass dies ein wenig später sein würde. Jedenfalls kam sie als eine der ersten, blieb nicht lange und machte sich dann auf, um nach Ripon zu einer Anprobe für ein neues Kleid zu fahren. Um kurz nach halb neun kam dann endlich Lizzy und gemeinsam mit ihren Eltern gratulierte ich ihr. Während sie sich den Teller mit allem belud, was Mrs Patmore heute gezaubert hatte, legte ich ihr mein Geschenk auf ihren Platz. Es war ein Haar-Öl aus Italien, das ich ihr bestellt hatte und das sicherlich ihre wilde Mähne bändigen würde. Und dann war der natürlich noch der Kuchen, den ich gestern Nachmittag mit Daisy und Mrs Patmore vorbereitet hatte. Sie wollten ihn heute nach dem Lunch frisch backen und ich hatte darauf bestanden, auch dabei zu helfen. Wenigstens wollte ich ihren Geburtstagskuchen selbst aus dem Ofen holen. Lizzy wirkte gut gelaunt und ich fragte mich, ob Jimmy ihr auch schon gratuliert hatte - und wenn ja, auf welche Art.

Lizzy
Nachdem meine Eltern und Sybil mir gratuliert und wir uns umarmt hatten, holte ich mir, ausgehungert, wie ich wieder einmal war, gleich etwas zu essen. Als ich mich mit meinem vollbeladenen Teller wieder an den Tisch setzte, hatten sie schon ihre Geschenke hervorgeholt – meine Eltern schenkten mir natürlich ein Buch, ein Parfüm sowie ein paar wunderschöne und sehr alte Haarnadeln, die anscheinend noch nicht zu Geld gemacht wurden und die schon seit einigen Generationen in meiner Familie waren. Zufälligerweise recht passend dazu hatte Sybil mir ein Haaröl geschenkt, wofür ich sie gleich noch einmal umarmte. Zufrieden machte ich mich schließlich über mein Frühstück her, während Sybil vermutlich wieder mir zuliebe ihre dritte Tasse Kaffee trank. Als meine Eltern, die noch einen Termin hatten, schließlich aufstanden und wir allein waren, konnte ich nicht anders, als ihr von Jimmy zu erzählen. "Er hat eine halbvolle Flasche Champagner aufgetrieben", grinste ich – allerdings nicht ohne mich vorher im Raum umzuschauen und die Stimme zu senken.

Sybil
Nachdem Lizzy und ich ausführlich darüber geredet hatten, dass Jimmy tatsächlich eine Flasche Champagner für Lizzy geklaut hatte und was das bedeuten könnte, gratulierten ihr Mama, Papa und Edith im Salon. Danach war es eigentlich ein ganz normaler Morgen. Kurz nach dem Lunch schlich ich mich wieder nach unten und kam gerade noch rechtzeitig, um den Kuchen aus dem Ofen zu holen. Bewaffnet mit einem Paar Topflappen holte ich mein zweites Geschenk an Lizzy auf die Arbeitsplatte. Allein das Kochen gestern hatte schon wieder so viel Spaß gemacht, dass ich am liebsten jede Woche hier unten helfen wollte. "Tada!", sagte ich lachend und begutachtete zufrieden mein - oder besser gesagt Daisys und Mrs Patmores Werk. Daisy hatte schon alles zum Dekorieren bereitgestellt und so dauerte es gar nicht lange, bis wir leider schon fertig waren. Ich klaute mir noch eine Rosine und ging dann lächelnd wieder nach oben. Unruhig verbrachte ich die restliche Zeit lesend, denn natürlich hatte ich heute keine Veranstaltung in Ripon. Den Tee wollte ich auf keinen Fall verpassen. Selbst Mary war anwesend, als alle in der Bibliothek zusammenkamen. Sie erzählte mir erst von ihrem neuen Kleid und war dann überrascht, als Edith Sir Richard Blackwell für den Abend ankündigte. Mir war das alles egal, denn Jimmy hatte gerade meinen Kuchen neben die Teekanne gestellt. Lizzy kam zusammen mit ihren Eltern und noch einmal gratulierten wir ihr. Ich nahm Carson das Messer für den Kuchen ab und reichte es Lizzy. "Du musst deinen Kuchen anscheiden!", sagte ich ihr grinsend. "Noch einmal herzlichen Glückwunsch von mir, ich hoffe er schmeckt dir - ich habe ihn zusammen mit Mrs Patmore und Daisy gemacht" Carson neben mir zuckte unübersehbar zusammen.

Lizzy
Bis zum Tee verlief der Tag normal weiter. Je näher das Dinner und Henrys Ankunft rückten, desto nervöser wurde ich seltsamerweise, aber beim Tee passierte schließlich etwas, worüber ich Henry zum Glück vergaß. Edith kündigte Sir Richard Blackwell für das Dinner an, aber das interessierte mich herzlich wenig – denn nachdem mir noch einmal alle gratuliert hatten und wir Kuchen essen wollten, verkündete Sybil, dass ich ihn anschneiden sollte und sie ihn gebacken hatte. Überrascht schaute ich sie an, was mit dem Messer in der Hand vermutlich recht komisch aussah und lächelte dann breit. Warum war ich bloß so überrascht? Es war schließlich nicht der erste Kuchen, den sie gebacken hatte. "Ich bin mir sicher, dass er schmeckt", lächelte ich und schnitt den Kuchen an – zum Glück recht gleichmäßig. Das erste Stück reichte ich Sybil. "Vielen Dank nochmal!" Auch Cora, Edith und sogar Mary freuten sich sichtlich über Sybils Kuchen. Nur Carson und Robert schauten ziemlich verwirrt drein.
Tom
Nachdem ich Lady Mary sicher aus Ripon zurück nach Downton gebracht hatte, wollte ich eigentlich nur ins Dienstbotenzimmer, mich hinsetzen und eine Tasse Tee trinken. Und wahrscheinlich hätte ich das auch getan, wäre mir nicht wieder einmal jemand in der Küche aufgefallen, der dort eigentlich nicht hingehörte: Lady Sybil. Sie hatte eine Schürze um, die ihr meiner Meinung nach ausgezeichnet stand, und holte etwas aus dem Ofen, was nach einem Kuchen aussah. Natürlich, Miss Allen hat schließlich heute Geburtstag, erinnerte ich mich. Jimmy hatte es erwähnt. Ich blieb noch einige Sekunden stehen und schaute Lady Sybil zu, wie diese wiederum den Kuchen anstrahlte und dekorierte, wobei sie den Eindruck erweckte, es könne nichts Schöneres auf der Welt für sie geben, als einen Kuchen zu backen. Unwillkürlich lächelte ich auch. Sicherlich war sie deswegen vor ein paar Tagen schon in der Küche gewesen. Warum nur wunderte es mich nicht, dass sie anscheinend großen Spaß daran hatte, etwas zu kochen oder zu backen? Noch immer lächelnd setzte ich mich schließlich wie geplant. Als ich später den Dienstbotenbereich wieder verließ, schaute ich automatisch noch einmal in die Küche, aber Lady Sybil war schon wieder weg. Ich hoffte inständig, sie bald wieder irgendwohin fahren zu dürfen.

Sybil
Allein für Lizzys Gesichtsausdruck hatte es sich schon gelohnt. Schmecken tat der Kuchen dann aber auch, wie mir alle immer wieder versicherten. Strahlend aß ich mein eigenes Stück, trank einige Tassen Tee und redete mit Lizzy und den anderen. Edith schien schon jetzt ein wenig nervös wegen Sir Richard und auch Mama und Papa schienen das zu merken - jedenfalls wechselten sie einen bedeutungsvollen Blick, der mir sagte, dass sie später noch ausführlich darüber reden würden. Auf die Papas Nachfrage, wer denn heute Abend noch kommen würde, antwortete Mama mit Henry Redvers. Mary ließ sich nichts anmerken, aber sie hielt ihre Teetasse mit deutlich festerem Griff in der Hand als sonst. Ich sah kurz zu Lizzy rüber, konnte ihr Gesicht aber nicht deuten. Warum war das auch alles so kompliziert? Wir alle wussten vom letzten Desaster zwischen Lizzy und Mary bei Henrys letztem Besuch. Hoffentlich würde das heute Abend anders werden. Lizzy ging nach dem Tee fast direkt hoch in ihr Zimmer, um noch ein Bad zu nehmen. Ich las in der Zeit, schrieb Briefe und ließ Carson Branson ausrichten, dass ich übermorgen nach Thirks wollte. Als ich mich schließlich umgezogen hatte, war Henry schon im Salon und es sah so aus, als würde er Lizzy ein Geschenk geben.
Henry
Es war zwar nur eine Kleinigkeit, aber mit leeren Händen wollte ich heute Abend auf keinen Fall kommen. Schließlich war ich zum Geburtstagsdinner eingeladen - und anscheinend der einzige Gast. War das ein Zeichen? Sicherlich kannte Miss Allen mittlerweile mehrere Bekannte, die sie auch hätte einladen können, es aber nicht getan hatte. Leicht nervös deswegen kam ich auf Downton an. Ich hatte ihr schon in einem Brief gratuliert, der heute morgen pünktlich ankommen sollte. Mittlerweile war meine Brieffreundschaft zu Miss Allen für mich immer wichtiger geworden, auch weil wir uns nicht regelmäßig sehen konnten. Lächelnd begrüßte ich Lord und Lady Grantham und Mr. und Mrs. Allen, bevor ich auf das Geburtstagskind zuging. "Meinen allerherzlichsten Glückwunsch", sagte ich ihr lächelnd und küsste ihre Hand, bevor ich ihr mein Geschenk hinhielt. "Es ist nur etwas kleines und ich hoffe Sie halten mich nicht für allzu langweilig, weil es nur ein Buch ist und sie davon sicher genug haben. Aber es sind meine Lieblingsgedichte und ich dachte, dass sie auch Ihnen gefallen würden", sagte ich schnell dazu, um keine allzu große Sache darauf zu machen.

Lizzy
Der Tee wurde wirklich schön. Sybils Kuchen war mehr als lecker, Edith war ausnahmsweise gut gelaunt, weil sie sich auf Sir Richards Besuch freute und Mary sah zwar nicht weniger böse aus als sonst, sagte aber kaum ein Wort. Sie war sicherlich nicht begeistert, dass Henry zu meinem Geburtstagsdinner kam, aber ich hatte kein Mitleid – sie hatte ihre Chance bei ihm ja gehabt. Auch meine Eltern waren seit Längerem mal wieder fröhlich, und so fand ich es fast schade, als ich vor dem Dinner rechtzeitig auf mein Zimmer ging, damit ich noch genug Zeit hatte, zu baden, mich umzuziehen und Charlotte auf meine Haare loszulassen. Während ich badete, versuchte ich darüber nachzudenken, was Henry in den heutigen Abend hineininterpretieren könnte, aber meine Gedanken schweiften immer wieder zu Jimmy ab. Ich hoffte einfach, dass er nicht mehr Interesse an mir hatte als an Mary – denn das wollte keine von uns beiden. Charlotte half mir schließlich in mein dunkelrotes Lieblingskleid, bearbeitete meine Haare mit meinem Glätteisen und dem Haaröl, das ich von Sybil bekommen hatte und steckte sie hoch, wobei sie die neuen alten Haarnadeln verwendete. Beim Schmuck hielt ich mich, bis auf ein paar silberne Ohrringe, wie immer zurück, weil er mich ohnehin meistens nur störte. Als ich im Salon ankam, wo alle anderen schon auf mich warteten, fiel mir auf, dass ich für die gesamte Prozedur mehr als zwei Stunden gebraucht hatte. Daher dauerte es auch nicht mehr lange, bis Carson Henrys Ankunft ankündigte. Ich hätte schwören können, dass Marys Gesichtszüge etwas härter wurden, ignorierte sie aber und ging lächelnd auf ihn zu, als er sich an mich wendete. Er sah wirklich nicht schlecht aus – seine Haare waren inzwischen deutlich länger als zu dem Zeitpunkt, zu dem ich ihn das letzte Mal genauer angeschaut hatte –, aber mein Gehirn zog sofort automatisch einen Vergleich mit Jimmy, und da konnte Henry nur schlecht abschneiden. Trotzdem lächelte ich breit, als er mir zum zweiten Mal heute gratulierte und einen Kuss auf die Hand gab. Es war zwar schon länger her, dass Jimmy das getan hatte, aber ich konnte nicht anders als zu denken, wie viel anders sich das angefühlt hatte. Schnell richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Henry, als dieser mir tatsächlich ein Buch schenkte. Ich hatte kein Geschenk von ihm erwartet und dass er es trotzdem getan hatte, freute mich einerseits, beunruhigte mich aber auch. "Oh, Bücher kann man nie genug haben! Vielen Dank", lächelte ich. Eigentlich konnte ich mit Gedichten nicht viel anfangen, aber vielleicht war doch etwas daran, wenn sie Henry gefielen.

Henry
Ich war wirklich erleichtert, als sie sich über mein Geschenk freute, denn ich hatte viel Zeit damit verbracht, mir etwas für sie auszusuchen. Mary hätte ein einfaches Buch sicherlich nicht gefallen, was wieder einmal den Unterschied zwischen ihr und Miss Allen zeigte. Ich erwiderte ihr Lächeln sofort. "Ich hoffe, Sie hatten einen schönen Geburtstag? Der Tag geht immer so schnell vorbei, wenn man ihn mit lieben Menschen und Dingen, die man gern tut, verbringt, nicht wahr?", redete ich dann weiter und sah nur aus den Augenwinkeln, wie sich die Tür noch einmal öffnete und ein weiterer Gast hereinkam. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte ich Sir Richard Blackwell und fragte mich, was er heute an diesem Abend hier machte. Bis mir einfiel, was meine Mutter letztens gesagt hatte: Lady Edith Crawley und Sir Richard Blackwell sahen sich oft - so oft, dass es mittlerweile auffällig war und in ganz Yorkshire beredet wurde. Im Moment war ich aber einfach nur froh, nicht der einzige Gast zu sein und somit nicht ganz so sehr auf dem Präsentierteller stehen zu müssen wie bei meinem letzten Besuch. Schnell wandte ich mich wieder Miss Allen zu, um nicht unhöflich zu sein. "Darf ich Ihnen mein Lieblingsgedicht zeigen?", fragte ich dann und nahm ihr das Buch vorsichtig aus den Händen, wobei sich unsere Hände kurz berührten. Schnell hatte ich die richtige Seite gefunden und beobachtete sie aufmerksam, als sie es las.
Sir Richard
Die Zweifel, ob ich heute Abend wirklich hätte kommen sollen, hielten sich noch bis zur letzten Minute vor meiner Ankunft. Schließlich war es ein Geburtstagsdinner der Familie Allen, die ich gar nicht kannte. Aber wie hätte ich Lady Ediths Einladung ablehnen können? Dafür sah ich sie viel zu gerne. Wenigstens bei dem Spaziergang war ich hart geblieben. Und so war es schon dunkel, als ich auf Downton eintraf und im Salon zur versammelten Geburtstagsgesellschaft stieß. Miss Allen selbst redete gerade mit einem jungen Mann in einer hinteren Ecke, als ich Lord und Lady Grantham und den Rest begrüßte und mich dann breit lächelnd zu Lady Edith stellte. "Wie geht es Ihnen, Lady Edith?", fragte ich mit wirklichem Interesse, während alle anderen auch ihre Gespräche weiterführten und wir annähernd so etwas wie Privatsphäre hatten. "Ich sollte Miss Allen gratulieren, aber sie ist gerade so sehr in ein Gespräch vertieft. Da möchte ich nicht stören, nicht wahr? Also, wie war der Tag?"

Lizzy
Leider hatte ich mich geirrt – Henry drückte sich nicht in Briefen umständlich aus, er drückte sich immer so aus. Er schien mich zu mögen, und ich hoffte, dass er das nicht mehr tat als ich ihn mochte. "Ja, wir hatten alle einen wirklich netten Tag", lächelte ich nur und schloss Mary dabei gedanklich aus. Und Nächte gehen erst recht schnell vorbei, wenn man sie mit lieben Menschen und Dingen, die man gern tut, verbringt. Als Sir Richard Blackwell den Raum betrat, hoffte ich, er würde mir gleich gratulieren und mich somit von Henry erlösen, aber er ging auf Edith zu. Natürlich gönnte ich ihr ihr Glück, aber gerade jetzt hätte ich Sir Richard auch gebraucht. Henry wollte mir mittlerweile auch noch sein Lieblingsgedicht zeigen und nahm mir das Buch aus den Händen, wobei unsere Hände sich kurz berührten – aber ich hätte nicht sagen können, ob es Zufall gewesen war oder nicht. Nachdem er kurz darin herumgeblättert hatte, reichte er es mir wieder und ich las aufmerksam das Gedicht. Zum Glück konnte ich etwas damit anfangen, sonst wären vermutlich gleich Vorurteile darüber aufgekommen, wie wenig Bildung man auf einer öffentlichen Schule erlangte. Soweit ich es nachvollziehen konnte, war das Gedicht recht tragisch und handelte von Liebe, aber auch Einsamkeit und irgendeinem Verlust. "Das ist wirklich sehr... beeindruckend", sagte ich, klappte dann aber schnell das Buch zu, bevor er auf die Idee kam, jedes einzelne Gedicht darin mit mir zusammen zu interpretieren. "Anscheinend kann ich auf Ihren Geschmack vertrauen." Für den letzten Satz hätte ich mich ohrfeigen können, ich wollte Henry ja eigentlich keine zusätzlichen Hoffnungen machen. Andererseits war ich so überfordert mit seinem möglichem Interesse an mir, dass ich aufpassen musste, nicht unhöflich zu ihm zu sein.
Edith
Ich fing an zu lächeln, sobald ich Sir Richard sah, der auf mich zukam – und nicht auf Lizzy, um ihr zu gratulieren. Sie unterhielt sich immer noch mit Henry Redvers und ich wollte lieber nicht wissen, welche Mordgedanken Mary gerade im Kopf herumgingen. "Hervorragend, jetzt wo Sie hier sind", strahlte ich und folgte seinem Blick zu Lizzy. "Ja, sie scheint sehr beschäftigt zu sein. Oh, es war nett, Sybil hat einen Kuchen gebacken, den wir zum Tee gegessen haben", erzählte ich lächelnd und stellte mir vor, ebenfalls Kuchen zu backen – für Sir Richard und mich, den wir dann gemeinsam in der Bibliothek von Loxley House zum Tee aßen. Ich räusperte mich schnell und blinzelte. In der letzten Zeit gab ich mich solchen Träumereien immer wieder hin. "Und wie war Ihr Tag?" Auf keinen Fall wollte ich, dass er dachte, ich würde ihn uninteressant finden, wegen seines Alters oder aus welchen Gründen auch immer. Denn das tat ich nicht im geringsten.

Henry
Eigentlich hatte ich mir vorgestellt, das Gedicht ausführlich mit Miss Allen zu besprechen. Schließlich war sie eine gebildete junge Frau und ich hatte mir Hoffnungen gemacht, dass sie Gedichte und ganz besonders dieses hier gerne mochte. Aber von dieser kleinen Enttäuschung ließ ich mich nicht zurückwerfen, denn sie machte mir für meinen Geschmack ein Kompliment. Lächelnd sah ich sie an. "Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen gerne weitere meiner Lieblingsgedichte zeigen. Oder auch Bücher, die ich gerne lese. Und im Gegenzug darf ich dann von Ihren Interessen erfahren", schlug ich begeistert vor. Endlich hatte ich eine Frau vor mir, die meine Interessen hinsichtlich Literatur teilte. Ich hätte noch gern weiter davon erzählt, welche Bücher und Autoren ich besonders gern mochte, als ihre Eltern zu uns kamen. Natürlich war das nur angemessen, ich konnte Miss Allen schließlich nicht den ganzen Abend für mich einnehmen - so sehr ich das auch wollte. Wir tauschten die üblichen Floskeln aus und ich erzählte Mr. Allen schließlich von unseren Plänen für den Sommer, den wir wie jedes Jahr in unserem Londoner Haus verbringen würden. Mrs. Allen erkundigte sich nach meiner Mutter, die sie ja bei den letzten Besuchen kennengelernt hatte. Und immer wieder sah ich zu Miss Allen herüber, die mit meinem Geschenk in der Hand neben ihren Eltern stand.
Sir Richard
Ich konnte nur schwer glauben, dass allein meine Anwesenheit dazu beitrug, dass Lady Edith sich hervorragend fühlte. Aber nichtsdestotrotz war es ein mehr als schönes Gefühl, wenn es so sein könnte. "Ich hatte einen sehr interessanten Tag, wissen Sie. Normalerweise passiert auf Loxley nicht viel, aber heute ist ein neuer Traktor für die größte Farm gekommen und natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, ihn mit eigenen Augen zu sehen. Mr. Turner, der das Land bewirtschaftet, war mehr als zufrieden und ich auch", erzählte ich ihr und mittlerweile hatte ich auch immer weniger Angst, dass sie mein Gerede über Landwirtschaft, Autos oder Bücher langweilen würde. Kurz sah ich noch einmal zu Miss Allen, die aber immer noch beschäftigt schien, jetzt wo sich auch ihre Eltern zu ihr und ihrem Verehrer gestellt hatten. So hatte ich wenigstens keinen Grund, Lady Edith vorerst von der Seite zu weichen.

Lizzy
Mein Verhältnis zu meinen Eltern war in den letzten Wochen nicht das Beste gewesen – nicht, dass wir uns wegen der Heiratssache gestritten hätten, aber sie stand unausgesprochen zwischen uns. Jetzt hingegen war ich ihnen zum ersten Mal seit Langem wieder wirklich dankbar, denn bevor ich Henry eine Antwort zu seinem Vorschlag, uns über Bücher und Gedichte auszutauschen, geben konnte, waren sie schon zu uns herübergekommen und begrüßten Henry. Ich wusste nicht, was sie dabei im Sinn hatten, ob sie ans Henrys Erbe dachten, aber für den Moment war ich zufrieden. Selbst sie mussten doch einsehen, dass ich mit einem Mann wie Henry niemals glücklich werden würde. Wenn Jimmy bloß dieselbe Begeisterung für Bücher aufbringen würde. Im Prinzip hatte ich auch nichts dagegen, mit ihm über Bücher zu reden, aber was das anging, hatten wir vermutlich einen genau gegenteiligen Geschmack und bevor ich mich ausführlicher über Gedichte unterhielt, würde ich Freundschaft mit Mary schließen. Während meine Eltern auffällig freundlich zu Henry waren, hielt ich mich im Hintergrund und warf nur an den richtigen Stellen ein Lächeln oder ein "stimmt" ein, bis ich schließlich von Carson, der das Dinner ankündigte, erlöst wurde. Und obwohl ich selbst wusste, dass er mir diesen Gefallen nicht tun würde, hoffte ich, dass Henry sich während des Dinners, während Jimmy anwesend war, nicht allzu auffällig verhalten würde.
Edith
"Könnte ich ihn einmal sehen?", fragte ich begeistert, als Sir Richard von dem neuen Traktor erzählte. Erst, als ich es laut ausgesprochen hatte, wurde mir klar, wie es klang. Tochter des Earl of Grantham zeigt vermehrt Interesse an Traktoren. Aber moderne und große Fahrzeuge faszinierten mich ungemein und seit dem Krieg hatte ich ja auch meine Erfahrungen mit Landwirtschaft gemacht, also warum nicht? "Ich meine, wenn es sich irgendwann ergeben sollte", fügte ich etwas ruhiger hinzu, da ich mir mittlerweile vorkam wie ein kleines Kind, das sein neues Spielzeug sehen wollte. Lizzy redete noch immer mit Henry und tat das auch weiterhin, als das Dinner angekündigt wurde.

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