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Lady Mary
Während Mrs Allen so aussah, als würde sie fast in Tränen bei Elizabeths Antwort ausbrechen, sah Papa mich kurz an. Anscheinend hatte er das Gespräch mitbekommen. Ich wusste, dass es ihm wahnsinnig gefallen hätte, wäre aus Henry und mir etwas geworden. Auch wenn er es nie ausgesprochen hatte, so wusste ich doch, dass er Henry - den Sohn eines guten Freundes - gern als seinen Schwiegersohn gehabt hätte. Das konnte er sich jetzt natürlich abschminken. Nach dem Dessert gingen wir alle schnell aus dem Speisesaal und Mama ging hoch in Ediths Zimmer, um sie zu trösten. "Natürlich ist Edith jetzt traurig - aber sie sollte ihn besser gehen lassen, jetzt wo er endlich einmal etwas sensibel getan hat und ihr die Welt wieder offen steht", sagte Granny, die sich noch zu uns in den Salon gesetzt hatte. Papa stimmte ihr zu. Sybil dagegen sah so aus, als ob sie widersprechen wollte, aber ich sah sie nur kurz an und zog eine Augenbraue hoch, damit sie die Situation nicht noch mehr aufheizte. Granny schien das anscheinend mitbekommen zu haben. "Sybil, Liebling, wir reden nie über deine Männer. Verschweigst du uns etwa jemanden?", sagte sie und lachte. Sybil lächelte, auch wenn ich meinte, dass ihre Wangen ein wenig roter geworden waren. "Natürlich nicht, Granny", antwortete sie schnell.

Jimmy
Nachdem der Lunch vorüber und der Tisch abgedeckt war, ging ich zusammen mit Thomas nach unten. Mr Carson hatte sich dankenswerterweise in sein Zimmer zurückgezogen und das hieß, dass es unten allgemein ein bißchen lockerer zugehen konnte. Ich setzte mich an den Platz vor dem warmen Kamin im Dienstbotenzimmer und nahm mir die Zeitung, während Thomas neuen Wein für Mr Carson aus dem Lager holen musste. Neben mir nutzten auch andere die kurze Pause in der Mittagszeit. Mir gegenüber setzten sich einige der Dienstmädchen, die zwar ein paar Jahre jünger als ich waren, mit denen ich aber trotzdem gerne scherzte. Auch Oscar, der Stallbursche, schlenderte herein, nachdem er sich vorsorglich nach dem Butler umgesehen hatte, der ihn immer wieder gerne aus den Dienstbotenzimmer herausschmiss, weil er natürlich eben nur der Stallbursche war. Eine Weile las ich schweigend, lehnte mich entspannt im Stuhl zurück und strich immer wieder meine widerspenstige Locke aus dem Gesicht. Von gegenüber hörte ich immer wieder ein unterdrücktes Kichern, bis ich schließlich über die Zeitung hinwegsah. Madge, eines der Dienstmädchen, sah mich breit lächelnd an. "Jimmy, kannst du mir gleich helfen? Lady Mary will unbedingt ihre Sommerkleider schon jetzt durchsehen und Anna hat mir gesagt, dass sie in einem Koffer auf dem Dachboden liegen. Könntest du mir den runtertragen?", fragte sie, während sich ihre Wangen rot färbten. Ich antwortete mit meinem charmantesten Lächeln. "Natürlich. Auf mich und meine Muskeln kannst du dich doch immer verlassen", sagte ich ihr und zwinkerte kurz, was erneut ein Kichern von den beiden hervorbrachte. "Einem so hübschen Mädchen helfe ich doch gern", setzte ich daher noch einen drauf, wenn es den beiden schon so viel Spaß machte.

Oscar
Um die Mittagszeit hatte ich endlich die Gelegenheit, mich zu den anderen Dienstboten ins Dienstbotenzimmer zu setzen, denn Mr. Carson war nirgendwo zu sehen – wie ich mich mehrmals versichert hatte. Ich setzte mich möglichst nah zum Kamin und genoss es einfach nur, sitzen zu können, denn dazu kam ich bei meiner täglichen Arbeit selten. Irgendwann kam auch Charlotte mit einer Tasse Tee in der Hand herein, lächelte mir überrascht zu, als sie mich sah und setzte sich dann, um ihren Tee zu trinken und die Zeitung zu lesen. Ich hätte mich gerne zu ihr gesetzt und irgendetwas Geistreiches gesagt, aber ich war ohnehin kein schlagfertiger Mensch und in Charlottes Nähe fiel mir immer noch weniger ein als sowieso schon, und so begnügte ich mich seit mittlerweile fast drei Jahren damit, sie mit etwas Abstand zu betrachten, solange sie nicht von sich aus auf mich zukam oder sich eine gute Gelegenheit ergab. Zwar verstanden wir uns noch immer besser, als es zwischen Hausmädchen und Stallbursche üblich war, aber ich wollte sie einfach noch besser kennenlernen und hatte keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte. Wahrscheinlich würde früher oder später irgendjemand sie mir vor der Nase wegschnappen, irgendein Frauenheld – wie Jimmy, der es tatsächlich gerade geschafft hatte, mit nur zwei Sätzen einen ganzen Haufen Dienstmädchen zum Kichern und Rotwerden zu bringen. Ich seufzte innerlich – zwar sah ich nicht halb so gut aus wie Jimmy, aber wenn ich nur die Hälfte von seinem Charme hätte, wäre mein Problem sofort gelöst. Die Hälfte von seinem Charme. Ich hatte mir gerade durch die Haare streichen wollen, hielt nun aber in der Bewegung inne. Das war die Lösung – ich würde Jimmy um Hilfe bitten! Wir kannten uns zwar kaum, aber er war mir, abgesehen von seinem Erfolg bei der weiblichen Dienerschaft, nicht unsympathisch und einen Versuch war es sicher wert. Jimmy verschwand kurz darauf mit dem aufgeregten Dienstmädchen, um ihr irgendeinen Koffer zu holen und als die beiden wieder zurückkamen, fing ich ihn vor dem Eingang zum Dienstbotenzimmer ab. "Jimmy, könnte ich dich um einen Gefallen bitten?", fragte ich und bereute nun, mir nicht eben schon meine Worte zurechtgelegt zu haben. "Ich konnte eben nicht überhören, was Madge und du geredet habt und du... hast anscheinend genau gewusst, was du da sagst", fing ich an. Wahrscheinlich wäre es noch weniger peinlich gewesen, Charlotte einfach zu fragen, ob sie mit mir ausgeht. Aber nun hatte ich schon angefangen, also musste ich Jimmy auch die ganze Geschichte mitteilen. "Es gibt da ein Hausmädchen, das ich gerne... näher kennenlernen würde, aber ich weiß nicht, wie genau ich es anstellen soll. Könntest du mir helfen?" Ich sah ihn bittend an und hoffte, meine Situation gerade nicht nur noch verschlimmert zu haben.

Jimmy
Ich hätte zwar noch gern ein wenig faul herumgesessen, aber wie konnte ich Madges Bitte schon ablehnen? Schließlich war es immer gut, sich bei der - vor allem weiblichen - Dienerschaft beliebt zu machen. Und so schleppte ich ihr den Koffer mit Lady Marys Sommerkleidern nach unten, wurde von ihr für meine Stärke bewundert und mit ausreichend Dank überschüttet. Wieder im Dienstbotenzimmer war Mr Carson noch immer in seinem Zimmer, es sprach also nichts dagegen noch ein wenig auszuruhen. Für den Tee mussten wir schließlich nichts eindecken und auch sonst hatte ich alle meine Arbeiten bereits heute Morgen erledigt. Oscar, der Stallbursche, kam mir entgegen. Ich hatte noch nie wirklich ein Wort mit ihm geredet, denn zum Stall zog mit nichts und beim Essen war er meistens auch nicht anwesend. Ich lehnte mich also neugierig gegen den Türrahmen und hörte ihm zu, wobei ich mir ein Grinsen verkneifen musste. Daher wehte also der Braten. Er brauchte Hilfe, um ein Mädchen für sich zu gewinnen - und wer war da der bessere Ansprechpartner als ich? Kurz sah ich ins Dienstbotenzimmer, wo mich Madge mit großen Augen ansah und anscheinend hoffte, nochmal mit mir zu reden. Aber Madge war es bestimmt nicht, die Oscar interessierte. Mein Blick wanderte weiter auf Charlotte, die mittlerweile ihren Tee ausgetrunken hatte und jetzt etwas strickte. Grinsend wandte ich mich wieder Oscar zu. "Nichts leichter als das", antwortete ich ihm. "Mach ihr einfach ein Kompliment, lass sie sehen, was für ein toller Mann du bist und hilf ihr, wo es nur geht. Und vielleicht solltest du öfter ein Bad nehmen, um nicht ständig nach Stall zu riechen" Ich hatte zwar keine Ahnung, ob Oscar damit Erfolg haben würde, denn schließlich war er nicht ich und wenn ich ihn mir so ansah, fehlte ihm noch ein wenig mehr Selbstvertrauen, damit Charlotte ihn überhaupt als einen potentiellen Kandidaten wahrnahm. Sein Aussehen konnte er wohl oder übel nicht ändern, aber ein wenig mehr Mühe, um gepflegter zu wirken, würde sicher nicht schaden. Zwar konnte er keine Livree wie ich tragen, aber die alten, abgewetzten Klamotten, die er jetzt anhatte, waren sicher auch nicht dazu geeignet, einem Mädchen zu gefallen. "Versuch es einfach mal", riet ich ihm dann noch und freute mich schon jetzt, seine Versuche mit ansehen zu können.

Oscar
Zuerst war ich einfach nur froh, dass Jimmy mich nicht auslachte, sondern mir wirklich Tipps gab – die zunächst auch einfach umzusetzen klangen. Ich bedankte mich bei ihm und machte mich, nach einem Blick auf die Uhr sowie zu Charlotte, wieder auf den Weg in den Stall. Mit dem Ausprobieren konnte ich also noch nicht jetzt gleich anfangen – dafür aber alles theoretisch planen. Mach ihr einfach ein Kompliment, fing ich an, Jimmys Tipps im Kopf durchzugehen. Das war einfach und definitiv machbar. Sobald Charlotte mir wieder begegnete, würde ich ihr ein Kompliment machen, und sei es über ihre Schürze. Irgendetwas würde ich sicher finden. Lass sie sehen, was für ein toller Mann du bist und hilf ihr, wo es nur geht. Das war schon schwieriger. Ich hielt mich eigentlich nicht für einen tollen Mann, wie sollte ich dann Charlotte davon überzeugen? Natürlich würde es sicher irgendwann etwas geben, wobei ich ihr helfen konnte. Aber da ihre Aufgaben im Haus sich enorm von meinen im Stall unterschieden, war das nicht ganz so einfach umzusetzen, wie Jimmy sich das vielleicht vorstellte. Denn wenn sie nur strickend oder lesend im Dienstbotenzimmer saß, konnte ich ihr doch keine Hilfe anbieten – sonst würde sie denken, ich hielte sie für blöd. Oder wollten Frauen so behandelt werden? Jimmy musste es ja eigentlich wissen. Und vielleicht solltest du öfter ein Bad nehmen, um nicht ständig nach Stall zu riechen. Ich roch möglichst unauffällig an meinem Hemdärmel. Natürlich roch ich immer etwas nach Pferd oder Lederpolitur, aber mir fiel es gar nicht mehr auf. Aber Charlotte könnte es auffallen, und ganz bestimmt nicht positiv! Verdammt. Warum war ich auch nie darauf gekommen, dass nicht jeder Pferdegeruch toll fand? Andererseits hatte ich nicht viel Zeit oder Gelegenheiten für ausgiebiges Baden – aber ich würde versuchen, das zu ändern. Charlotte sollte in meiner Nähe schließlich nicht das Gefühl haben, zu ersticken. Seufzend rammte ich die Mistgabel in das Stroh in der Box von Lady Marys Pferd. Es einfach zu versuchen, wie Jimmy vorgeschlagen hatte, würde sicherlich mehr als schwer werden. Aber ich musste es versuchen, denn ich wurde noch wahnsinnig, wenn ich weiterhin jeden Tag pausenlos an Charlotte dachte.
Tom
Ich war bereits einige Wochen in Downton, als ich auf Lord Granthams Angebot, die Bibliothek zu nutzen, zurückkam. Ich hatte bis heute einfach nicht genug freie Zeit gehabt, um wirklich an Bücher zu denken. Heute aber hatte ich kaum etwas zu tun und da ich schon ewig kein Buch mehr in der Hand gehalten, geschweige denn gelesen hatte, ging ich in die – zum Glück leere – Bibliothek. Mir war es recht so, nur bei Lady Sybil hätte ich nichts dagegen gehabt, sie zu treffen. Mittlerweile reichte es mir einfach nicht mehr, mich nur alle paar Tage auf einer Autofahrt mit ihr zu unterhalten. In Gedanken arbeitete ich mich durch die Buchreihen. Ich fand nicht viel über Politik, aber schließlich hatte ich doch fünf Bücher zusammen und beschloss, sie alle nochmal durchzublättern, um mich dann für eines zu entscheiden. Neugierig schlug ich das erste Buch, einen alten Schinken über die Entwicklung der Situation des arbeitenden Volkes von 1901, auf und blinzelte überrascht, als ich in der Liste mit den Personen, die es bereits ausgeliehen hatten, ganz unten Lady Sybils Namen fand. Damit war ich für mich fast schon klar, dass ich dieses Buch lesen würde. Dennoch klappte ich auch das zweite Buch – eines über Sozialismus – auf. Diesmal war die Liste deutlich kürzer, die Tinte des ersten Namens war fast komplett verblasst, aber wieder stand darunter Lady Sybils Name. Lächelnd schüttelte ich den Kopf. Ob Lord Grantham wusste, welche Literatur seine Tochter sich auslieh? Zwei weitere meiner Bücher waren noch nicht in Lady Sybils Hände gefallen, aber da es darin unter anderem um Irland und dessen Verhältnis zu anderen europäischen Ländern ging, wunderte mich das nicht. Ein weiteres über die Geschichte der Stellung der Frau in der Gesellschaft enthielt aber ebenfalls ihren Namen. Mit mittlerweile klopfendem Herzen stellte ich alle bis auf das erste Buch zurück – ich wusste auf jeden Fall, was ich lesen würde, wenn ich mal wieder auf der Suche nach einem Buch sein sollte. Schließlich hoffte ich, dass die Gespräche zwischen Lady Sybil und mir bald noch etwas umfangreicher werden würden.

Jimmy
Es würde ein ruhiger Nachmittag werden. Lady Grantham war mit ihren Töchtern den Nachmittag über bei der alten Lady Grantham, Lord Grantham hatte einen Termin bei Mr. Travis, dem Pfarrer und die Allens waren zu Freunden eingeladen worden. Das Haus war also leer, es würde oben keinen Tee geben. Für Mr Carson genau die richtige Gelegenheit, dass ich in allen Räumen die Uhren aufziehen und nach dem Silber schauen durfte. "Und James, nehmen Sie Mr Branson mit hinauf. Seine Lordschaft hat ihm erlaubt einige Bücher auszuleihen" - Carsons Missbilligung darüber, dass der Chauffeur die heilige Bibliothek der Crawleys betreten und sich Bücher mitnehmen durfte, war deutlich zu hören. Brav stimmte ich sofort zu, grinste Mr Branson dann aber doch kurz an, während wir nach oben gingen. In aller Ruhe durchsuchte er die riesigen Regalwände, während ich alle Uhren aufzog und das Silber begutachtete. "Haben Sie etwas gefunden? Was lesen Sie gern?", fragte ich ihn dann nebenbei und sah kurz auf. Mr Branson hatte das Buch so intensiv angestarrt, das ich fast schon grinste. Anscheinend war es sehr spannend. Ich hingegen würde in dieser Bibliothek wohl nicht fündig werden, in denen der Großteil des Bestandes so alt war, dass er fast zu Staub verfiel. Lieber blieb ich bei der aktuellen Tageszeitung. Ich stellte das Silbertablett zurück auf seinen angestammten Platz und widmete mich der Kaminuhr. Am Anfang hatte ich Thomas noch oft fragen müssen, wie ich richtig mit den Uhren umging. Jetzt war ich geübt darin. Lächelnd lehnte ich mich an den Kamin und sah Mr Branson an. Ein kleines Gespräch würde bestimmt niemandem schaden, oder?

Tom
Jimmys Stimme holte mich in die Realität zurück. "Vor allem politische und historische Bücher", sagte ich und grinste leicht – die meisten konnten damit nichts anfangen. Zur Antwort auf seine erste Frage hielt ich nur das Buch hoch, das ich mir ausgesucht hatte. "Und du?", fragte ich, obwohl ich mir nicht sicher war, ob Jimmy gerne las. Wir hatten uns in den letzten Wochen oft unterhalten und auch, wenn er meiner Meinung nach manche Dinge etwas zu locker sah, verstanden wir uns gut. Mit meinem politischen Interesse stieß ich ja ohnehin fast immer auf taube Ohren. Außerdem erfuhr ich von Jimmy das ein oder andere über Lady Sybil – allerdings bemühte ich mich immer, nicht zu auffällige Fragen zu stellen. Anscheinend hatte Jimmy nicht vor, die Bibliothek gleich wieder zu verlassen, aber mir war es nur recht.

Jimmy
Ich grinste. "Warum frage ich eigentlich?", meinte ich rhetorisch, denn Mr Bransons Interesse für Politik konnte man einfach nicht übersehen. Das hatte ich nur zu gut gemerkt, als wir uns einmal über einen Bericht in der Tageszeitung unterhalten hatten und er meine - zugegeben nicht sehr gründlich nachgeforschte und durchdachte - Meinung in Grund und Boden geredet hatte. "Ich ziehe da eher leichte Literatur vor. Aber meistens reicht mir auch die Tageszeitung", antwortete ich ihm, was in seinen Ohren vermutlich ziemlich langweilig klang. "Sie sollten vorsichtig sein. Mr Carson, aber auch Lord Grantham sind nicht gerade Verfechter für einen gesellschaftlichen Umschwung im Land. Aber das haben Sie ja bestimmt selbst schon mitbekommen. Seine Lordschaft ballt noch immer seine Fäuste, sobald Lady Sybil Worte wie ' Politik' oder 'Frauenrechte' in den Mund nimmt", plauderte ich weiter und war froh über die kurze Pause, die diese Gelegenheit bot. Mit Mr Branson konnte ich mich sehr gut unterhalten. Auch wenn ich mir manchmal ziemlich dumm ihm gegenüber vorkam. Aber wir konnten nicht alle so in Politik versessen sein und am liebsten das ganze Land umkrempeln. Irgendjemand im Haus musste ja auch schließlich für Charme und gutes Aussehen zuständig sein.

Tom
Ich lachte kurz, als Jimmy auffiel, wie unwahrscheinlich es war, dass ich Romane las. "Die Zeitung ist ja auch eine wichtige Lektüre", sagte ich diplomatisch, damit wir in Sachen Lesen wenigstens etwas gemeinsam hatten. Immerhin stand dort einiges – wenn auch nicht alles – drin, was es an wichtigen politischen Entwicklungen zu wissen gab. Dass Carson und Lord Grantham den ein oder anderen Artikel lieber verbannen würde, war mir schon klar, aber als Jimmy Lady Sybil erwähnte, hielt ich inne. Was war denn heute nur los, warum stieß ich überall auf sie? Am liebsten hätte ich gefragt, was genau sie so sagte, aber das wäre natürlich zu auffällig. "Es ist natürlich auch ungewöhnlich für eine Lady", gab ich zu bedenken, obwohl ich es im positivsten Sinne ungewöhnlich fand, dass sie von diesen Dingen redete. "Aber ich denke, Seine Lordschaft sollte eher stolz auf seine Tochter sein." Ich jedenfalls wäre mehr als stolz auf sie.

Jimmy
Langsam ging ich zur nächsten Uhr, um wenigstens etwas zu tun zu haben, sollte Carson in seiner gewohnten Manier einen Kontrollgang durch die Räume machen. Auch wenn ich ihm nie Anlass dazu gegeben hätte - meine Arbeit erledigte ich mehr als gut - so traute er mir doch nie ganz. "Lord Grantham wird wohl kaum stolz auf seine Tochter sein, die sich in ihrer Freizeit auf politischen Veranstaltungen herumtreibt und Reden anhört, von deren Inhalt seine Lordschaft noch nicht einmal zu träumen wagt", erzählte ich weiter und sah ihn dann grinsend an, um zu zeigen, dass ich nicht wirklich einer Meinung mit meinem Arbeitgeber war. Auch wenn ich fand, dass es sicherer für Lady Sybil war, nicht mehr zu diesen Treffen zu fahren. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie Lizzy und ich sie zum Arzt hatten bringen müssen. Ich nahm eine silberne Kanne, die poliert werden musste und lehnte mich an den großen Schreibtisch, um Mr Branson wieder ansehen zu können. "Spielen Sie auch beim Cricket mit?" Carson war seit einigen Tagen mit nichts anderem beschäftigt, als die beste Mannschaft für das Haus zusammenzustellen. Da ich ein passabler Spieler war, hatte ich mich gleich gemeldet. Vielleicht würde der Butler mich dann mehr mögen, sollte Downton gegen das Dorf gewinnen.

Tom
Ich war zwar der Meinung, dass Lord Grantham auf genau diese Tochter stolz sein konnte, aber Jimmys Grinsen zeigte mir, dass er das ähnlich sah. Innerlich verdrehte ich die Augen – wahrscheinlich war es von einem Earl einfach zu viel erwartet, seiner Tochter etwas politische Bildung einzugestehen. Jimmy lenkte das Thema schließlich auf das anstehende Cricket-Spiel. Obwohl ich mich weniger im Dienstbotenbereich aufhielt als er, war es kaum zu überhören, dass fast jeder davon redete – allen voran Carson. "Ich fürchte, das wäre recht kontraproduktiv für das Hausteam", grinste ich, denn ich hatte noch nie Cricket gespielt und hatte auch nicht vor, damit anzufangen. Der ganze Aufstand, der um dieses eine Spiel gemacht wurde, war mir schleierhaft. Gab es denn nichts Wichtigeres auf der Welt? "Wirst du mitspielen?", fragte ich Jimmy, der mittlerweile recht entspannt am Schreibtisch lehnte, was ich für eine schlechte Idee hielt. Carson oder Mrs. Hughes würden das nicht gerne sehen.

Jimmy
Ich erwiderte sein Grinsen. Alle hatten davon erzählt, dass Thomas der beste Spieler des Hauses war und ich hatte mit ihm schon abgemacht, dass wir an unserem freien Nachmittag ein wenig üben würden. Ich hatte in meiner Kindheit viel gespielt, aber jetzt natürlich nicht wirklich die Zeit dafür. "Ja, ich werde mein Glück versuchen. Und hoffentlich werde ich dabei nicht kontraproduktiv für unsere Mannschaft sein", antwortete ich ihm und schwenkte die Kanne in meinen Händen hin und her. "Ich bin sicher, Mr Carson wird für Sie auch noch eine Aufgabe finden, damit wir ja gewinnen" Eine Niederlage würde den Butler sicherlich noch ungenießbarer machen, als er es ohnehin schon manchmal war. "Ach, das hätte ich fast vergessen. Lady Edith möchte in den nächsten Tagen nach Loxley House gebracht werden. Und Lady Grantham möchte, dass Sie Lady Sybil zum Schneider nach Ripon fahren" Die Abreise von Lady Grantham und ihren Töchtern war so hektisch gewesen, dass ich diese Informationen für den Chauffeur beinahe einfach überhört hatte.

Tom
"Ich fürchte, das wird er tatsächlich", seufzte ich, als Jimmy anmerkte, dass Carson noch eine Aufgabe für mich finden würde – auch, wenn ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, was das sein sollte. Meine Laune hob sich allerdings beträchtlich, als Jimmy mir noch zwei Fahrten ankündigte. Eine für Lady Edith, die mal wieder nach Loxley House wollte – ich fragte mich langsam, warum sie nicht dort einzog und mir das ständige hin- und herfahren sparte, so oft, wie sie ohnehin schon dort war. Die andere Fahrt war für Lady Sybil. Schon vorgestern hatte ich, als ich sie mit ihren Schwestern und Lady Grantham zum Tee bei einer Freundin Ihrer Ladyschaft gefahren hatte, mitgehört, wie sie mit ihrer Mutter über ein Kleid diskutiert hatte, das sie haben wollte, laut Lady Grantham aber völlig unpassend war. Ich nahm mir fest vor, sie danach zu fragen. "In Ordnung, danke", sagte ich nur schnell zu Jimmy und wandte mich ab, bevor er mein leichtes Grinsen sehen konnte. Wie immer freute ich mich mehr als angemessen darauf, Lady Sybil zu fahren.

Sybil
"Wirklich, Edith, glaubst du nicht, dass du lieber hier bleiben solltest? Sir Richard hat dir einen Korb gegeben und wenn ich ehrlich bin, stimme ich Papa und Granny zu. Es ist nicht nur sein Alter, früher oder später wird er gepflegt werden müssen", sagte Mary, während Anna ihr in ihre Reitkleidung half. Ich sah zu Edith, die auf einem Stuhl saß und unsere älteste Schwester ansah. Ich ließ Marys Vogue sinken, die ich mir eben angesehen hatte. Edith hatte schon gestern angekündigt nach Loxley House zu fahren. Branson würde sie hinbringen und danach wiederkommen, um mich dann zu Madame Swan nach Ripon bringen, wo ich endlich ein neues Kleid bekommen würde. "Und ich denke, dass du hinfahren solltest", sagte ich dagegen und lächelte Edith kurz an. "Wenn sie sich lieben, dann machen Alter und so etwas doch nichts aus" Mary schnaubte nur und betrachtete sich kritisch im Spiegel. Sie hatte sich fest vorgenommen, diesen Sommer bei einem Point-to-Point-Rennen mitzureiten und war daher fast jeden Tag im Sattel. Vielleicht wollte sie aber auch einfach nur ihre Ruhe haben und nicht über Henry Redvers nachdenken. "Sybil, du bist ja so romantisch. Natürlich macht es etwas aus, dass Sir Richard fast so alt ist wie Papa", sagte Mary nur pragmatisch. "Warum begleitest du mich nicht? Es ist das beste Wetter für einen Ausritt" Ich stand auf und legte ihre Zeitschrift zurück. "Ich fahre nach Ripon, wegen meinem neuen Kleid" Ich musste mich zusammenreißen, um nicht bis über beide Ohren zu grinsen. Denn anders als Mama es sich wünschte, würde ich kein normales Kleid anfertigen lassen. Aber niemand durfte davon erfahren, denn ansonsten würde Papa es dem Schneider sicher verbieten. "Schade", sagte Mary und setzte ihren Zylinder auf. "Wir sehen uns heute Abend" Als Mary aus dem Zimmer gegangen war, sah ich zu Edith rüber. "Du wirst nicht auf Mary, Papa und Granny hören und zu Sir Richard fahren, oder?"

Edith
Sir Richards Rückweisung hatte mich für eine Woche in Verzweiflung gestürzt, aber ich hatte viel nachgedacht und schließlich den Entschluss gefasst, dass er mich nicht so einfach loswurde. Wenn es wirklich nicht an seinen Gefühlen, sondern an seinem Alter lag, dann musste er umzustimmen sein und genau das wollte ich heute versuchen. Natürlich war Mary dagegen, aber da sie grundsätzlich nichts guthieß, was mich eventuell glücklich machen könnte, spielte das keine Rolle für mich. Sybil hingegen war meiner Meinung, was schon viel wichtiger war. "Eben, das sage ich ihm doch auch die ganze Zeit", stimmte ich ihr zu und war erleichtert, als Mary endlich das Zimmer verließ und ich mit Sybil allein war. "Das werde ich. Ich muss wenigstens einen Versuch starten, ihn umzustimmen", antwortete ich überzeugt. "Ich kann ihn nicht einfach so aufgeben, jetzt wo ich weiß, wie es ist, wenn ein Mann sich für einen interessiert." Ich sah Sybil ernst an und stand dann auf. "Ich muss jetzt los, Branson wartet sicher schon. Viel Spaß nachher in Ripon", sagte ich noch und ging dann in mein eigenes Zimmer, um meinen Hut, Mantel und meine Handtasche zu holen. Das sichere Gefühl, dass Sir Richard mich gar nicht würde abweisen können, wenn ich erst vor ihm stand, verschwand auf der Fahrt Stück für Stück und ich wurde nervös. Was, wenn es doch letztendlich an seinen Gefühlen für mich scheiterte und alles andere nur eine Ausrede gewesen war? Als ich schließlich vor der Tür von Loxley House stand, war ich ein einziges Nervenbündel. Entschlossen umklammerte ich mit beiden Händen meine Tasche.
Lizzy
Zuerst hatte ich mir vorgenommen, mich für das Dinner bei Henry so schlicht wie nur möglich anzuziehen, um keine Hoffnungen in ihm zu schüren. Aber je näher der Abend rückte, desto lächerlicher kam es mir vor, in einem schlichten Kleid eine so reiche Familie zu besuchen. Außerdem konnte es doch nicht schaden, wenn Henry mich wenigstens schön fand. Denn momentan wusste ich nicht im geringsten, was die Zukunft für mich bringen würde. Und so sehr ich mich gegen die Vorstellung sträubte, einen Mann zu heiraten, den ich nicht liebte, erschien es mir manchmal doch die beste Möglichkeit, jetzt, wo ich selbst nichts mehr hatte – kein Vermögen, keinen guten Namen und nicht einmal ein Zuhause. Also ließ ich mir nach dem Tee mal wieder von Charlotte in mein dunkelrotes Lieblingskleid helfen, das ich nur zu besonderen Anlässen trug. Mama war glücklich mit der Aufgabe, meinen Schmuck auszusuchen und legte mir schließlich ihre funkelnste, hässlichste und schwerste Kette um den Hals. Die dazu passenden Ohrringe wurden mir ebenfalls nicht erspart. Aber weil Mama mich so stolz im Spiegel anlächelte, hielt ich den Mund und zog mir wortlos die Seidenhandschuhe über, die Charlotte mir entgegenstreckte.
Je näher wir Campbelton Place kamen, desto tiefer sank meine Stimmung. Vor meinen Eltern blieb mir kaum etwas anderes übrig, als so nett wie möglich zu Henry zu sein. In dem Wissen, was sie von mir erwarteten, war das nicht gerade einfacher. Als das Haus schließlich vor uns auftauchte, redeten sie begeistert über die schöne Fassade, den riesigen Garten und die Statuen links und rechts vor der riesigen Treppe, die zur ebenso riesigen Eingangstür führte. Campbelton Place war so prächtig und groß, dass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, eines Tages hier zu leben.

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